Hamburg. Ein Jahr Wetterfrust an Alster und Elbe: Die Zahlen zu Sonne, Regen, Stürmen sind dramatisch – und die Folgen erst!
Es gibt Jahre, die verschwinden in der Masse der Erinnerungen. Wann war das noch? 2010? 2013? 2016? Das Jahr 2017 wird für die Hamburger dagegen eines sein, das sich ins kollektive Gedächtnis der Hansestadt einfräsen wird. Am 11. Januar wurde die Elbphilharmonie eröffnet, am 7. und 8. Juli kamen die 20 mächtigsten Regierungschefs der Welt in die Stadt, die dann mal eben im G20-Chaos versank. Der britische Prinz William und Ehefrau Herzogin Kate besuchten am 21. Juli mit ihren Kindern George und Charlotte die Hansestadt, die Rolling Stones rockten am 9. September den Stadtpark – um nur ein paar unvergessliche Jahres-Highlights zu nennen.
Und dann war da noch das Wetter. Das war immer. Daran werden wir uns erinnern, weil es selbst uns abgehärtete Hamburger auf eine schwere Probe stellte – und zwar über zwölf Monate hinweg. Soviel vorab: Es gab 2017 in Hamburg nicht einen heißen Tag. „Von Hitze spricht man ab 30 Grad Celsius“, sagt Kent Heinemann vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation in Hamburg. Bei allem was darunter liegt, spricht man von Wärme. Der somit wärmste Tag des Jahres war demnach der 19. Juni mit einer Höchstemperatur von 29,1 Grad Celsius. Den ganzen Sommer über wurde es nie wieder so warm...
Dunkel, warm und nass: Vom Winter, der kein Winter war
Doch fangen wir mit dem Winter an, der bei den Meteorologen bereits am 1. Dezember 2016 begonnen hat. Der hatte einiges zu bieten, nur nicht das, was wir uns von einem Winter wünschen. Weihnachten 2016 fegte zunächst Sturmtief „Barbara“ mit 103 Kilometern pro Stunde über die Hansestadt hinweg. Richtig eisig wurde es im Januar und im kompletten Winter nur ein einziges Mal: Die niedrigste Temperatur des Jahres wurde am 6. Januar mit minus 11,3 Grad Celsius in der Nacht gemessen.
Bis Anfang März gab es an nur an drei Tagen eine dünne Schneedecke. Am meisten Schnee fiel am 13. Januar: Da maßen die Meteorologen sage und schreibe einen Zentimeter Weiß in Hamburg. Oder wie Meteorologe Kent Heinemann es ausdrückt: „Hamburg war leicht überzuckert“. Das war's dann aber auch mit dem Schnee und dem Traum davon im Winter.
Dafür wartete der Februar mit einem – im wahrsten Sinne – Highlight auf. Am ersten Sonnabend des Monats war die Hansestadt eine der wenigen Gegenden Deutschlands, in denen sich die Sonne überhaupt blicken ließ. Ansonsten war der Februar durch viele Wolken am Himmel verdammt dunkel in Hamburg. Nur in Schleswig-Holstein war es noch dunkler im gesamtdeutschen Vergleich.
Aufs Sonnen-Hoch folgte der erste Regenrekord: Mit knapp 190 Litern pro Quadratmeter war Hamburg im vergangenen Winter das nasseste Bundesland im gesamtdeutschen Vergleich. Ach ja: Es war zudem zu warm. Genau gesagt, war der Winter im Mittel um 1,4 Grad wärmer als normal.
Nicht jeder in Hamburg hat das negativ gesehen: Der milde Winter hat den Winterdienst der Stadtreinigung Hamburg (SRH) weniger gefordert als der vorhergehende. Der Winterdienst streute nur rund 5000 Tonnen Salz und Kies, um Fahrbahnen, Fußgängerüberwege und ausgewählte anliegerfreie Gehwege zu sichern. In der Saison 2015/16 waren dazu 6200 Tonnen nötig gewesen.
Bikini-Wetter im März – heizen bis in den Mai
Der März ließ uns Hamburger vom Sommer träumen: „23 Grad! So viel Sommer gab es Ende März noch nie in Hamburg“, titelte abendblatt.de einen Vorgucker auf den letzten Freitag des Monats.
Zehntausende Hamburger und Touristen bevölkerten denn auch an diesem Tag die Hotspots an Alster und Elbe, in der City zwischen Mönckebergstraße und Rathaus sowie an den Landungsbrücken, in der HafenCity vor der Elbphilharmonie bis nach Övelgönne. Was die einen freut, ärgert die anderen: Die Stadtreinigung war nicht erfreut über das sogenannte "Cornern" vor allem auf St. Pauli. Hunderte Freiluftfans versammelten sich dort an beliebten Straßenecken und hinterließen Müll. Sehr viel Müll. Im milden März gab es nur drei Frostnächte.
Der April dagegen zeichnete sich durch viele Frost- und Bodenfrostnächte aus. Im Alten Land gab es Frostschäden an den Obstbäumen. Das wirkte sich auf die Ernte im Sommer und im Herbst aus, so dass die Obstpreise 2017 gegenüber dem Vorjahr stiegen.
Der Mai präsentierte sich insgesamt kühl. Bis in den mutmaßlichen Wonnemonat hinein musste geheizt werden. Als Entschädigung erfreute schließlich eine weitere sommerliche Episode Ende Mai die Hamburger. Satte 27 Grad war es am 28. Mai warm. Insgesamt wurden in Hamburg in der zweiten Maihälfte fünf Sommertage (wärmer als 25 Grad) gezählt. Kräftige Gewitter sorgten allerdings am 19. Mai mit 37 Litern auf den Quadratmeter für den höchsten Tagesniederschlag des Frühlings.
Der Sommer war so, wie er sich angefühlt hat: besch...eiden
In einem normalen Hamburger Sommer klettern die Temperaturen im Schnitt an drei Tagen auf über 30 Grad. In einem normalen Hamburger Sommer scheint die Sonne mehr als 635 Stunden. In einem normalen Hamburger Sommer regnet es 226 Liter pro Quadratmeter. Im Sommer 2017 war nichts normal. „Die Sonne zeigte sich nur 597 Stunden“, weiß Frank Böttcher, Chefmeteorologe vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation in Hamburg. „In diesem Sommer fehlten also fünf schöne Tage“. Es fielen 301 Liter Regen pro Quadratmeter. Das sind 75 Liter mehr als der Mittelwert. Zwar war es im Mittel 0,6 Grad wärmer war als normal, es fehlten aber die Sommer-Highlights.
Der sommerlichste Tag war Montag, der 19. Juni: kein Tropfen Regen, gut zwölf Stunden Sonnenschein und eine Maximaltemperatur von 29,1 Grad Celsius.
Am anderen Ende der Skala taucht Tief "Rasmund" auf: Nur elf Tage später, nämlich am 30. Juni, schien die Sonne keine einzige Minute, wir fröstelten bei gerade einmal 16 Grad. Dafür fielen großzügige 29 Liter Regen pro Quadratmeter aus den tiefgrauen Wolken. Um des ganz deutlich zu sagen. Hamburg war im Juni mit mehr als 133,6 Liter Regen pro Quadratmeter (langjähriges Mittel: 70 Liter je Quadratmeter) die regenreichste Region Deutschlands – mal wieder.
So führten beispielsweise am 22. Juni heftige Gewitter mit Starkregen und Sturmböen an vielen Orten im Stadtgebiet zu Schäden, auch die Deutsche Bahn und der Hamburger Flughafen waren betroffen. Im gesamten, teilweise verregneten Juni 2017 fielen in Hamburg 134 Liter Niederschlag. Das sind 180 Prozent des langjährigen Mittels vom 74 Liter. Den nassesten Juni gab es im Jahr 2007, als in der Hansestadt insgesamt 210 Liter gemessen wurden.
Nicht ganz so verregnet war der Juli. Aber mit 90 Litern Regen pro Quadratmeter gab es etwa 16 Prozent mehr Niederschlag als im langjährigen Mittel (77 l/m2). Die Temperatur lag mit durchschnittlich 17 Grad unter dem langjährigen Mittel von 18,1 Grad.
Zwei Zeiträume gilt es für den Sommer gesondert zu erwähnen: Vom 17. bis zum 21. Juni war "Nord-Sommer". Und vom 5. bis zum 9. Juli. Ausgerechnet zum G20-Gipfel wurde das Wetter schön in Hamburg. Den wichtigesten Regierungschefs dieser Welt bleibt die Stadt somit als Schönwetterstadt in Erinnerung – den Krawalltouristen ebenfalls. Pünktlich am Montag nach dem Chaoswochenende gab der Regen sein nächstes Gastspiel.
Wer meint, schlimmer geht es nicht, der schaut mal kurz nach Niedersachsen: Ende Juli – also im offiziellen Hochsommer – herrschte im Süden des Bundeslandes wegen Dauerregens Ausnahmezustand. In Goslar gab es Katastrophenalarm. Straßen waren überflutet, Bahnstrecken wurden gesperrt. Bäche entwickelten sich zu reißenden Flüssen. Und die Zillierbachtalsperre oberhalb von Wernigerode im Harz drohte überzulaufen. Tat sie aber am Ende doch nicht.
Wolkenverhangener Himmel, Pfützen auf den Straßen und immer wieder Schauer: Das alles verbindet man nicht gerade mit dem Sommermonat August. Doch in Hamburg schien das Anfang August Dauerzustand zu sein. Sonnenschein? Fehlanzeige.
Okay – es gab die eine oder andere Periode mit akzeptablen 21 bis 23 Grad. Hin und wieder kletterten die Temperaturen auch mal auf 25 Grad, gefolgt von Regentagen. Der wärmste Tag des Monats war Dienstag, 15. August, mit 26,7 Grad. Die niedrigste Temperatur wurde in der Nacht vom 13. zum 14. August mit 7 Grad gemessen. Und zwischendurch fühlte es sich nach April an: Ein bisschen Wind, ein bisschen Wolken, ein bisschen Regen, ein bisschen Sonne.
Ein Herbststurm jagt den nächsten
Steife Brisen, stürmische Winde – das sind wir gewöhnt. Normalerweise erreichen Spitzenböen an fünf Herbsttagen die Sturmgrenze von 62 Kilometern pro Stunde. In diesem Herbst waren es neun Tage, so viele wie zuletzt 1994. Das erste schwere Sturmtief erreichte uns bereits im September. Am 13. September fegten Böen von knapp 90 Kilometern pro Stunde über die Stadt hinweg. Tief „Sebastian“ forderte zwei Todesopfer in Hamburg: Mittags wurde ein 38-jähriger Mann vor dem ehemaligen „Spiegel“-Gebäude an der Brandstwiete von einem abstürzenden Gerüstteil getroffen. Der Mann erlag am selben Tag seinen schweren Verletzungen. Nur wenig später kippte ein Rollstuhlfahrer vom Fähranleger am Strandweg in Blankenese in die Elbe und ertrank.
Am Donnerstag, 5. Oktober, folgte dann Orkan „Xavier“. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) verzeichnete orkanartige Böen mit einem Tempo von über 100 Kilometern pro Stunde. Weil die Bäume – anders als bei späten Herbststürmen – noch voll belaubt waren und am Vortag Dauerregen die Böden aufgeweicht hatte, boten sie dem Sturmtief besonders große Angriffsflächen. Daher kam es verbreitet zu sogenanntem Windbruch. Im Stadtteil Horn stürzte ein Baum auf den fahrenden Kleinwagen einer Frau. Die Fahrerin (56) wurde schwer verletzt, die Beifahrerin (54) starb trotz Rettungsversuchen der Feuerwehr. In Hamburg gab es durch „Xavier“ zehn Verletzte.
Von und nach Hamburg fielen alle Züge des Fernverkehrs der Deutschen Bahn aus, auch der Metronom war betroffen. In mehreren norddeutschen Bahnhöfen wurden Intercitys und ICE als Hotelzüge bereitgestellt, weil Tausende Fahrgäste gestrandet waren, auch in Hamburg am Hauptbahnhof und in Harburg. Die Fernbusse von und nach Hamburg wie der Flixbus waren zum Teil ausgebucht. Der Bahnverkehr war Tage später noch eingeschränkt.
In Wilhelmshaven ließ "Xavier" mit Orkanböen der Stärke 12 einen rund 1000 Tonnen schweren Kran von seinen Schienen abheben und ins Fahrwasser der Jade stürzen.
Eine schöne Nachricht gibt es von "Xavier" auch: Während des Sturms entdeckten Passanten einen etwa ein halbes Jahr alten Heuler am Moorfleeter Deich, verängstigt und entkräftet. Sturm „Xavier“ hatte ihn die Elbe bis nach Hamburg hinaufgetrieben. Die Geschichte ging für den nach dem Sturm benannten Heuler „Stormy“ gut aus.
Hamburgs Schwanenvater und Jagdreviermeister Olaf Nieß nahm das Jungtier in seine Obhut. Es erholte sich zunächst im Schwanenwinterquartier am Eppendorfer Mühlenteich und wurde später in die Seehundstation nach Friedrichskoog gebracht. Von dort aus wurde Stormy aufgepäppelt und Ende November in der Meldorfer Bucht in die Nordsee ausgwildert.
In der Nacht zum 29. Oktober wehte ein weiterer schwerer Sturm über Hamburg und Norddeutschland. „Herwart“ drückte sehr viel Wasser in die Elbe und verursachte so eine schwere Sturmflut im Hafen.
Anwohner der Straße Am Sandtorkai mussten am Sonntagmorgen miterleben, wie ihre Häuser überflutet wurden. Eine dafür verantwortliche private Sicherheitsfirma hatte vergessen, die Fluttore zu schließen. Die Folge: geflutete Treppenhäuser, Stromausfall.
Manch einer nahm die Fluten in Speicherstadt und HafenCity mit Humor:
Einmal Elbphilharmonie und zurück. pic.twitter.com/rs89gQ6Yco
— Holger Krupp (@_holger) 29. Oktober 2017
Am Fischmarkt und Umgebung stand das Wasser ebenfalls bis in die Treppenhäuser. Besuche von der Elbe sind die Anwohner, Kneipen- und Restaurantbetreiber hier allerdings gewohnt. Das extreme Hochwasser lockte jede Menge Sturmfluttouristen an die Elbe.
Wieder kämpfte die Bahn mit den Sturmfolgen: Wegen "Herwart" kam es zu Verspätungen und Ausfällen am Hamburger Hauptbahnhof.
Die „Glory Amsterdam“ verließ Sonntag früh trotz Sturmwarnung den Hamburger Hafen , um in der Deutschen Bucht vor Helgoland zu ankern. Vor der Nordseeinsel Langeoog lief der 225 Meter lange, mit 1800 Tonnen Schweröl und 140 Tonnen Marinediesel beladene Frachter im Sturm auf Grund. Tagelang bangte man um das Schiff und fürchtete eine Umweltkatastrophe, bevor die „Glory Amsterdam“ vier Tage später nach Wilhlemshaven geschleppt werden konnte. „Herwart“ spülte außerdem einen Großteil des Badestrandes auf Wangerooge weg,
Die Bilanz von "Sebastian", "Xavier" und zuletzt "Herwart": 4549 Bäume wurden im gesamten Stadtgebiet in Mitleidenschaft gezogen, davon haben 2104 Bäume Totalschaden und 2445 Bäume Bruchschäden erlitten. Allein die Schäden allein in Grünanlagen belaufen sich nach Angaben des Senats auf mehr als drei Millionen Euro.
Der November präsentierte sich weniger windig. Mit 86 Litern Regen pro Quadratmeter war der November in der Hansestadt – wen wundert es an dieser Stelle – überdurchschnittlich nass. Der Mittelwert der vergangenen Jahre liegt laut Deutschem Wetterdienst (DWD) in Hamburg bei 71,7 Litern pro Monat. Wenn es mal nicht regnete, war es trotzdem trüb. Zwischen dem 1. und 29. November gab es nach Angaben des DWD nur 34,3 Sonnenstunden.
Die Herbstbilanz des Hamburger Instituts für Wetter- und Klilmakommunikation: Die vielen Tiefdruckgebiete schaufelten sehr viel Warmluft heran, so dass die mittleren Temperaturen 1,2 Grad über den Normalwerten lagen. Sie brachten aber auch viel Regen. Anstelle der üblichen 204 Millimeter fielen 283 Millimeter Niederschlag, als ein Monatsniederschlag mehr als normal. Noch ist das Jahr 2017 nicht abgeschlossen. Aber es ist zu erwarten, dass es zu den zehn nassesten Jahren in Hamburg seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1781 zählen wird.
Das Hamburger Wetter hat Höhen und Tiefen. Bleibt aber für immer das Hamburger Wetter. Das haben die Beginner -- Jan Philipp Eißfeldt (alias Jan Delay), Dennis Lisk (alias Denyo) und Guido Weiß (alias DJ Mad). – bereits 2003 mit dem "City Blues" besungen. Übrigens einer der schönsten Songs über Hamburg überhaupt.
Winterauftakt 2017 – Hurra, es schneit!
Der meteorologische Winter hat bereits am 1. Dezember begonnen. Eine Auswertung liefern die Wetterexperten erst am Ende des Monats, aber der Start lässt hoffen: Am zweiten Dezemberwochenende und den darauffolgenden Tagen gab es bereits so viel Schnee wie im ganzen vergangenen Winter nicht. Knapp zehn Zentimeter stand er örtlich hoch, wenn auch nur für kurze Zeit. Denn auf leichten Minustemperaturen in der Nacht folgten Plusgrade am Tage, der den Schnee schnell wieder schmelzen ließ