Hamburg. Senator und Landrätin stellen Ideen für die Mobilitätswende im Pendlerverkehr vor. ADFC moniert Halbherzigkeit und Studienflut.

Konkrete Zeithorizonte für die Umsetzung wollte der Senator für Verkehr und Mobilitätswende, Anjes Tjarks (Grüne), nicht nennen. Kostenschätzungen für den Bau der Radschnellwege aus und in die Umlandgemeinden der Hansestadt wären seriös und validiert derzeit auch nicht abzugeben.

Trotzdem haben die jetzt fertiggestellten „Machbarkeitsstudien für Radschnellwege in die Metropolregion“ ergeben, dass die Förderung des Radverkehrs viele Pendler zum Umsteigen bewegen könnte. 300 Kilometer Schnellwege sollen entstehen. 13 Kooperationspartner sind beteiligt. Das teilten Tjarks und die für die Umlandkreise und Gemeinden federführende Pinneberger Landrätin Elfi Heesch (parteilos) gestern mit.

300.000 tägliche Pendler in Metropolregion Hamburg

Jenseits der Corona-Zeiten pendeln täglich 300.000 Menschen innerhalb der Metropolregion. Grobe Schätzungen gehen von rund einer Million Euro Baukosten für einen Kilometer Radschnellweg aus. Bei komplizierten Wegeführungen in der Stadt wird es deutlich teurer. Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) moniert vor allem das fehlende Tempo beim Radwegeausbau sowie mangelnde Investitionsbereitschaft – und schlägt vor, die in die Jahre gekommenen Pläne der Velorouten den veränderten Bedingungen anzupassen.

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Tjarks und Heesch betonen, dass sie den Pendlern Lust aufs Rad machen wollen. Der Bau der Radschnellwege solle eine echte Alternative zum Auto bieten und kilometerlange, ungehinderte Geradeausfahrten ermöglichen, sodass allein schon das Fehlen der Stopps die höhere Endgeschwindigkeit des Autos weitgehend ausgleichen werde. „Wir wollen den Ausbau der Radschnellwege jetzt mit großem Ehrgeiz vorantreiben“, sagte Tjarks.

Radschnellwege für Tjarks ein „Strahlkraftprojekt“

Heesch erklärte, die bestehende Erwartungshaltung in der Bevölkerung als Rückenwind nutzen und „schnell erste Abschnitte umsetzen“ zu wollen, um „Erfolge vorweisen zu können.“ Sie nannte auf der aus Elmshorn kommenden Route den Abschnitt Halstenbek–Pinneberg entlang der Elbgaustraße bis zum Bahnhof Pinneberg. Dafür würden 15 Millionen Euro anfallen. Über die Streckenführung von der Ortsgrenze bis zum Bahnhof sei allerdings noch nicht entschieden, es stünden derzeit noch zwei Varianten zur Auswahl.

Tjarks nannte als „Strahlkraftprojekt“ den Neubau des Streckenabschnitts Ochsenzoll–Ohlsdorf parallel zum ehemaligen U-1-Gütergleis auf der Route Bad Bramstedt–Hamburg. Im Anschluss könne die Rathenaustraße Fahrradstraße werden und die Radler über die nicht verkehrsberuhigte Bebelallee zu den fahrradgerechten Straßen Leinpfad und Alsterglacis leiten. Die Radschnellwege sollen keine „Fahrradautobahnen“ werden, eher Boulevards für ein nicht ganz so hohes Tempo, sagte Tjarks.

Aus Radschnellwege sollen Velorouten werden

Als Orientierungsgröße nannte er die 25 Stundenkilometer der gängigen Pedelecs. Der Belag soll vorzugsweise Asphalt oder nahtloser, reibungsarmer Beton sein, Ampeln und Kreuzungen vermieden werden. Die Breite soll bei vier Metern für den „Zweirichtungsverkehr“ liegen, um problemloses Überholen zu ermöglichen. Vor allem außerhalb Hamburgs sollen Radschnellwege vorzugsweise entlang der Bahntrassen laufen, also Umsteigepunkte ansteuern.

Gespräche mit der Bahn laufen, um die Flächen für die Trassen und die Zubringer zu akquirieren. Die Schnellwege sollen in Hamburg mit den langsameren Velorouten verzahnt werden. Zwar sollen auch sie teilweise ausgebaut und damit schneller werden, aber das noch aus der Hochzeit der Automobile stammende Konzept der Velorouten ist vom Grundsatz her ein anderes als das der Fahrradschnellwege: Es soll den Radler „abseits belasteter Straßenzüge“ halten und gerade nicht schnell von a nach b bringen.

Radschnellwege: Kritik des ADFC

Entsprechend kritisch sieht der ADFC die Verbindung der beiden heterogenen Ansätze zu einem Gesamtkonzept. Beispielsweise meide die Veloroute 1 die Elbchaussee und führe eher rund um Nienstedten als direkt Richtung Altona, sagte ADFC-Sprecher Dirk Lau. Die gewünschte Verzahnung von Schnellweg und bummeliger Veloroute könnte sich also als schwierig erweisen. „Der Pendler verliert damit in der Stadt die Zeit, die er im Umland auf der schnellen Strecke gewonnen hat.“ Insgesamt gab es in den Jahren seit 2018 neun Machbarkeitsstudien, sieben Routen verbinden Hamburg mit dem Umland.

Die Zeit der Studien sollte nach Ansicht des ADFC langsam zu Ende gehen. „Es ist Zeit anzufangen“, sagte Lau. „Wir brauchen nicht für jedes Piktogramm ein Gutachten.“ Die erfolgreiche Einrichtung der „Pop-up-Radwege“ in Hamburg habe gezeigt, dass schnell und einfach getestet werden könne. „Es ist schon viel erreicht, wenn wir Wohnstraßen für den Kfz-Durchgangsverkehr sperren“, sagte Lau. Der ADFC will die Radschnellwege grundsätzlich bis in die City führen. Tjarks sieht das nur in Ausnahmefällen vor.

Radschnellwege: Was Tjarks plant

Die ADFC-Vision für Städte heißt „Quartiere für Menschen“, ein Konzept für Teile Eimsbüttels, bei dem der motorisierte Durchgangsverkehr draußen bleiben und der Straßenraum „den Menschen zurückgegeben“, also weitgehend neu verteilt wird. Lau wies darauf hin, dass der Radverkehr im letzten Jahr um ein Drittel zugenommen habe. Tjarks will die Machbarkeitsstudien im Spätsommer veröffentlichen und in die Umsetzungsplanung einsteigen. Er hofft auf erhebliche Zuschüsse aus Bundesmitteln.