Hamburg. Das Impfzentrum ist nur noch wenige Tage geöffnet. Was Impfungen dort kosteten und wie viele Spritzen “verworfen“ wurden.

Ohne weitere Vorankündigung hat Hamburg am Freitag an den staatlichen Schulen mit den Impfungen gegen das Coronavirus begonnen. Nach ausgewählten kirchlichen Schulen wurden Kindern ab 12 Jahren die ersten Spritzen jetzt auch an der größten Stadtteilschule gesetzt, der Goethe-Schule Harburg. Verwendet wird der Impfstoff von Biontech, die Zweitimpfungen sind in drei Wochen geplant. Eltern können sich gleich mitimpfen lassen.

Schulsenator Ties Rabe (SPD), der die mobilen Teams bereits vor Wochen angekündigt hatte, sagte: „Ich persönlich bin fest davon überzeugt, dass wir große Chancen haben, unser normales Leben mit einer Impfung zurückzugewinnen. Dennoch werden wir keinen Druck ausüben, sondern Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern sorgfältig und verantwortungsvoll informieren, sodass sie eine freie, eigenverantwortliche Entscheidung treffen können.“

Hamburg impft an Schulen – auch Eltern

Nach acht Monaten Betrieb hat der Senat für das Impfzentrum eine überaus positive Bilanz gezogen. „Das war ein sehr großer Erfolg“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) am Freitag in den Messehallen. „Hier ist Vertrauen in die Impfung gewachsen.“ Nachdem Hamburg bei der Verteilung des Impfstoffes über Wochen benachteiligt worden sei, habe man inzwischen „dramatisch aufgeholt“. Die Impfquote (68,1, Prozent bei Erstimpfungen) liegt heute wieder über dem Bundesschnitt (64,8).

Das Impfzentrum schließt am 31. August, danach wird es außer von niedergelassenen Ärzten in zehn Kliniken auch von 70 mobilen Impfteams Impfangebote geben. In den Pflegeeinrichtungen starten die Drittimpfungen. Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) sagte, für die Impfwilligen habe das Impfzentrum eine Erleichterung in der Pandemie gebracht. Bei mehr als einer Million Impfungen in den Messehallen wurden rund 600.000 Menschen immunisiert. Die Kosten belaufen sich laut Senat auf 106 Millionen Euro. Das hieße 176 Euro pro Immunisierung. In einer dem Abendblatt exklusiv vorliegenden Prognose war im April von rund 200 Euro die Rede.

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Hamburg: Praxen, Krankenhäuser und mobile Teams impfen weiter

Der Betreiber, die Kassenärztliche Vereinigung, zeigte sich erleichtert, dass nun genug Impfstoff zur Verfügung stehe und Impfwillige „wie gewohnt in den Praxen“ versorgt werden könnten. KV-Vorstandschef Walter Plassmann schreibt exklusiv im Abendblatt über bislang unbekannte Hintergründe und über den „Spirit“ des Impfzentrums. 

Leonhard kann auch Lauterbach: Eine kleine sozialdemokratische Spitze gegen Ärzte wollte sich Hamburgs Sozialsenatorin angesichts des Erfolgs des Impfzentrums, das am 31. August schließt, dann doch gönnen. „Gäste-Erfahrung schadet nicht, wenn man mit Patienten zu tun hat“, sagte Melanie Leonhard über die vielen Helfer im Impfzentrum, die aus der (notleidenden) Gastronomiebranche beruflich in die Messehallen gewechselt waren.

Das Hamburger Impfzentrum war über die Osterfeiertage das erste Mal seit Bestehen ausgelastet, berichtet Walter Plassmann, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung (Archivbild).
KV-Chef Walter Plassmann bei der Vorstellung der Impfzentrums-Pläne (Archivbild). © Roland Magunia / FUNKE Foto Services | Unbekannt

Das war noch keine Kritik an den Niedergelassenen, wie sie ihr Genosse Karl Lauterbach bisweilen in die Öffentlichkeit streut. Doch auch Leonhard war beseelt von dem, was KV-Chef Plassmann den „Spirit“ in den Messehallen nannte – die Wohlfühl-Atmosphäre zum Piks. Plassmann hob in seiner Bilanz besonders die Zusammenarbeit zwischen Ärzten (und ihrem Sprecher Dr. Dirk Heinrich) den Online Marketing Rockstars (Philipp Westermeyer) und Benjamin Laatzen hervor. Ex-Hockey-Spieler Laatzen kommt von der Alanta Health Group, die sich vor allem um die pharmazeutischen Belange kümmerte, und ist der organisatorische Kopf des Impfzentrums.

399 Spritzen im Impfzentrum "verworfen"

Im Hamburger Corona-Impfzentrum in den Messehallen: Benjamin Laatzen leitet das Impfzentrum.
Im Hamburger Corona-Impfzentrum in den Messehallen: Benjamin Laatzen leitet das Impfzentrum. © Michael Rauhe | Unbekannt

In acht Monaten Laufzeit wurden bei offenbar sehr wenigen Pannen nur 399 aufbereitete Spritzen „verworfen“. Das lag nach Angaben des Impfzentrums daran, dass bei der Aufbereitung des Impfstoffes ein Fehler gemacht wurde oder – ganz banal – eine Spritze heruntergefallen ist. Im Vergleich zu mehr als einer Million Spritzen ein sehr kleiner Anteil. Bei 329 Vials (Fläschchen), die von den Herstellern angeliefert wurden, hatten die Impfapotheker und Ärzte Bedenken, weil sie Partikel enthielten. Aus Sicherheitsgründen wurden sie nicht verwendet.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Wie Plassmann sagte, sei der Andrang auf die Hotline 116 117 zwischenzeitlich so stark gewesen, dass es zu langen Wartezeiten gekommen sei (das Abendblatt berichtete). Plassmann sagte über die Zugriffe auf die Webseite 116117.de: „Der Traffic war größer als der von Google Europe.“ Seit Monaten aber gebe es hier keine Probleme mehr.

15.900 Impf-Schummler abgewiesen

Die anfängliche Priorisierung nach Alter, Vorerkrankungen und Berufsgruppen hatte auch zu einer signifikanten Zahl von Impf-Schummlern geführt. Rein rechnerisch wurden im Impfzentrum an jedem Tag des Betriebs 66 Menschen abgewiesen, die keine Berechtigung zum Impfen hatten (rund 15.900 insgesamt). Bis zum finalen Türeschließen am Dienstag um 20 Uhr gibt es sowohl Erst- wie Zweitimpfungen. Wer zum Beispiel die erste Spritze mit Biontech erhält, kann sich den zweiten Piks in einer Arztpraxis geben lassen. Das versicherte Sozialsenatorin Leonhard noch einmal. Die Hamburger Impfkampagne läuft außer in 1100 Praxen in zehn Krankenhäusern weiter sowie mit mobilen Impfteams in Bürgerhäusern, Moscheen und nach Behördenangaben auch auf Fußballplätzen.

Die Sieben-Tage-Inzidenz der Corona-Neuinfektionen ist am Freitag bei 311 neuen Fällen auf 87,1 pro einhunderttausend Einwohner gestiegen. Am Donnerstag lag sie bei 83,3. Vor einer Woche hatte es 239 Neuinfektionen gegeben. Die Sozialbehörde gab die Zahl der Corona-Patienten in den Hamburger Krankenhäusern (Stand Donnerstag) mit 112 an. Davon mussten 43 auf einer Intensivstation behandelt werden.