Hamburg. Hamburger versuchen, nach Astrazeneca-Piks vorzeitig Biontech zu ergattern. Mit Buchungscodes wird sogar gehandelt.

Im Impfzentrum heißen sie „Schlaumeier“. Und solche Menschen sind nicht nur besonders kreativ beim Schummeln und Mogeln mit Impfterminen und wortreichen Erklärungen. Sie sind bisweilen fast schon kriminell und trotzdem im Einzelfall erfolgreich. Am vergangenen Wochenende waren nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) „Hunderte“ Impfkandidaten in den Messehallen mit mehr oder minder erschlichenen Terminen aufgefallen. Das waren zumeist Menschen, die bereits eine Erstimpfung in einer Hausarztpraxis hatten und sich nun ihre Zweitimpfung – als vermeintlich erste Impfung – in den Messehallen geben lassen wollten, weil das bis zum Freitag schneller möglich war.

Dabei kann es sich um eine Erstversorgung mit Astrazeneca handeln, wobei man aus medizinischen Gründen neun bis zwölf Wochen warten sollte, ehe die zweite Spritze folgt. Einige jedoch wollten wegen der Urlaubszeit eigenmächtig diese Frist verkürzen.

Verwirrung bei Buchungs-Hotline 116 117

Diese Impfmogler konnten beim Buchen noch nichts von dem Hinweis der Ständigen Impfkommission (Stiko) wissen, dass auf „Astra“ nun nach mindestens vier Wochen Biontech oder Moderna verimpft werden soll. Denn wer am Wochenende einen Termin hatte, wird ihn nicht erst am Freitag bekommen haben.

Die meisten dieser Schummler wurden abgewiesen, wie die KV dem Abendblatt bestätigt. Sie hätten ihre Zweitimpfung, eigentlich dann die dritte, gar nicht wahrgenommen und so weiter für ein Buchungschaos gesorgt. Ob sie die nicht in Anspruch genommene Impfung ordnungsgemäß abgesagt hätten, ist fraglich.

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In jedem Fall blockierten sie so neue Termine für Erstimpfungen. Manche wurden mit Sicherheitsleuten aus den Messehallen geführt. Das sorgte für unschöne Szenen in Deutschlands größtem Impfzentrum. Bei einigen jedoch drückten Mitarbeiter des Impfzentrums offenbar die Augen zu und ließen sie impfen – oder registrierten den Schwindel erst gar nicht.

Für Verwirrung sorgten jedoch auch die Callcenter-Mitarbeiter der Hotline 116 117. Sie hatten nach der Stiko-Einlassung, die noch keine offizielle Empfehlung war, vermutlich den Überblick verloren. In Hamburg gilt: Wer beim Hausarzt oder im Impfzentrum erstgeimpft wurde, muss auf dieser „Spur“ bleiben. Wer bereits einen Termin für Erst- oder Zweitimpfung hat, muss nichts tun. Und der Sprecher der medizinischen Leiter, Dr. Dirk Heinrich, stellt klar: Es würden keine Termine abgesagt. Man könne aber auch keine Termine vorziehen.

Astra-Erstgeimpfte erhalten im Impfzentrum Biontech oder Moderna

Astra-Erstgeimpfte erhalten im Impfzentrum ab sofort automatisch Biontech oder Moderna, können theoretisch aber auch wieder Astrazeneca bekommen, wenn sie es wollen. Bei den Hausärzten ist es so, dass offenbar diejenigen die größten Chancen auf einen ersten Impftermin haben, die Astrazeneca akzeptieren. Der Impfstoff des britisch-schwedischen Herstellers ist für Menschen ab 60 Jahren gedacht, kann aber nach Absprache mit dem Arzt auch an Jüngere verimpft werden.

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Im Impfzentrum hat es vor dem Wochenende außerdem deshalb Verwirrung gegeben, weil zuerst mit Astrazeneca Geimpfte sich vorgezogene Termine besorgt hatten und dann wieder Astrazeneca bekommen sollten. Sie protestierten und verwiesen auf die überraschende Verkündung der Stiko am Donnerstag, wonach nun ein mRNA-Impfstoff von Biontech oder Moderna verwendet werden sollte. Doch im Impfzentrum hatte man am Freitag augenscheinlich noch keinen Impfstoff dafür vorgesehen.

„Kreuzimpfung“ soll besonders wirksam sein

Die sogenannte „Kreuzimpfung“ mit Astrazeneca und dann einem mRNA-Impfstoff nach mindestens vier Wochen soll eine besondere Wirksamkeit gegen das Coronavirus hervorrufen. Auch die mit dem Einmal-Vakzin von Johnson & Johnson Geimpften stellten sich die Frage, ob sie ausreichend gegen die Delta-Variante des Coronavirus geschützt sind. Eine neue Studie, über die die „New York Times“ am Wochenende berichtete, schätzt den Schutz vor Delta bei Johnson & Johnson als sehr gut ein.

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

All diese drängenden medizinischen Fragen sind vermutlich denen gleichgültig, die auf betrügerische Art Profit aus dem Impfchaos schlagen wollen. Von „Einzelfällen“ spricht die Polizei. Wer einen Impfausweis fälscht, begeht eine Straftat: Urkundenfälschung. Sie kann bis zu fünf Jahre Gefängnis nach sich ziehen, nicht nur für den Fälscher.

Gekaufte Buchungscodes für Impftermine fallen auf

Tatsächlich lässt sich jedoch ein Code einer Impfung vom Ausdruck in mehrere Mobilgeräte übertragen und in den entsprechenden Apps (Corona-Warn-App, CovPass, Luca) speichern. Das ist praktisch für die, die Handy und Tablet besitzen und damit in den Urlaub fahren wollen, ohne immer an den gelben Impfausweis zu denken. Es erleichtert jedoch auch den Missbrauch.

Im Impfzentrum sind jetzt vermehrt Impfkandidaten aufgetaucht, die sich – wo auch immer – die Codes für die Buchung erschlichen oder erkauft haben. Ihr Betrug fällt sofort auf, wenn dieser Code nicht zu einem Termin oder dem Ausweis eines Impflings passt.