Hamburg. Bei einer virtuellen Veranstaltung im Hamburger Michel wurde über die Zukunft der 59-Jährigen entschieden.

„Uff, ich bin echt überwältigt“ – mit diesen Worten reagierte eine sichtlich bewegte Kirsten Fehrs nach ihrer Wiederwahl zur Bischöfin im Sprengel Hamburg und Lübeck. 141 von 145 Synodalen (Kirchenparlamentariern) der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Norddeutschland stimmten am Sonnabend, kurz vor 19 Uhr, für eine zweite Amtsperiode der 59 Jahre alten Theologin.

Zimmerpflanzen, Bücherwände, Ikea-Regale und Erinnerungsstücke – noch niemals zuvor hatten kirchlich interessierte Internetnutzer so viele private Einblicke in die Wohn- und Arbeitszimmer von Kirchenparlamentariern (Synodalen) der Nordkirche erhalten.

Weil am Sonnabend die Wiederwahl von Kirsten Fehrs auf dem Programm stand, mussten die Synodalen wegen der Pandemie ihre Stimme digital  per Autopiloten in OpenSlide abgeben und sich dabei kurz vor der Webcam präsentieren. Das Synodenpräsidium hatte sich derweil im Hamburger Michel versammelt, allesamt zuvor negativ auf Corona getestet.

Bischöfin Fehrs wählt bewegende Worte

Vor der Wahl stand am Sonnabend die „Selbstvorstellung“ der ohnehin sehr gut bekannten Kandidatin auf der Tagesordnung. Bischöfin Fehrs trat mit Atemschutzmaske an das Pult des Michel, in dem sich nur wenige Zuhörer befanden. Mit bewegenden Worten erzählte sie von ihrer aus Pommern stammenden Mutter, die ihr tiefes Gottvertrauen vermittelt habe. Eines ihrer Ziele in der neuen Amtszeit sei es, den „Vertrauensraum Kirche zu stärken und wiederherzustellen“.

Das Abendblatt konnte kurz vor und nach der Wahl mit der Bischöfin sprechen. Zu einem der wichtigen Themen ihrer neuen Amtszeit gehöre es, „Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln – so wie es in der Seelsorger geschieht, gerade in der öffentlichen Seelsorge“. Denn Seelsorge sei die „Muttersprache der Kirche“.

Zudem werde sie weiterhin die jungen Menschen in den Blick nehmen, die „in einer ganz empfindlichen Phase ihres Lebens“ von der Pandemie getroffen worden seien. „Wir brauchen sie, damit der Glaube weiterlebt, damit unsere Demokratie stark bleibt, damit wir dem Klimawandel wirksam begegnen, damit wir in bunten und lebensfreundlichen Dörfern und Städten leben.“

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So packt Fehrs die Probleme der Kirche an

Bischöfin Fehrs hatte 2011 die Nachfolge von Maria Jepsen angetreten. Diese war im Kontext der Missbrauchsfälle zweier Ahrensburger Pastoren und des Versagens der kirchlichen Vorgesetzten zurückgetreten. Wie Bischöfin Fehrs sagte, bleibe für sie das Thema der sexualisierten Gewalt in der Kirche „absolut wichtig“. Sie werde die Aufarbeitung weiter voranbringen, das habe für sie Vorrang.

Fehrs Amtszeit, die nach acht Jahren mit dem Eintritt in ihr Pensionsalter endet, dürfte zudem von erheblichen strukturellen Veränderungen in der Nordkirche geprägt sein. „Viele Institutionen und Organisationen schrumpfen und verlieren an Bedeutung, weil Menschen sich nicht mehr längerfristig binden wollen“, sagte sie dem Abendblatt.

Dieser Trend mache auch vor den Kirchen nicht halt, aber das heiße nicht automatisch, dass Kirche schwächer werde. „Auch mit weniger Mitgliedern, Finanzen und Personal können wir glaubwürdige Botschaften und ansteckendes Engagement in die Welt tragen.“ Dazu müsse sich die Kirche auf jene Punkte konzentrieren. Die Leitfrage lautet nach ihrer Ansicht: „Was macht uns unverwechselbar, was können wir als Kirche den Menschen geben?“

Fehrs: Kirche steht für unverschämt-frechen Glaube

Das vielfältige Gemeindeleben in der evangelischen Kirche zwischen den Meeren ist dafür die unverzichtbare Basis. „Mich begeistert der unverschämt-freche Glaube, für den die Kirche steht.“ Zahlreiche Haupt- und Ehrenamtliche engagierten sich gerade in den vergangenen Monaten während der Pandemie – von der Hausaufgabenhilfe bis zur Telefonseelsorge.

„Begeistert bin ich auch von meiner Kirche, wenn sie mit anderen zusammen Gesellschaft mitgestaltet. Wenn sie das Gespräch mit anderen Konfessionen und Religionen, mit Verantwortlichen in Politik, Wirtschaft und Kultur sucht.“ Kirche solle ein Ort sein, wo sich verschiedene Menschen begegnen – und keine kirchliche Filterblase.“

Wird Kirsten Fehrs Ratsvorsitzende?

Kirsten Fehrs gehört dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) an. Im Herbst wird der Ratsvorsitzende neu gewählt. Auf die Frage, ob sie für eine Kandidatur bereitstehe, sagte die wiedergewählte Bischöfin dem Abendblatt: „Das ist ein Amt, für das man sich nicht bewirbt. Ich würde allerdings sehr gern weiterhin im Rat der EKD mitarbeiten und mich dort einbringen. Darüber entscheidet jedoch die EKD-Synode.“

Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt hatte die digitale Wahlsynode mit einem Gottesdienst in der Hauptkirche St. Michaelis eröffnet. Mit dem Start der Synode hatte Synoden-Präses Ulrike Hillmann den Wahlvorschlag des Wahlvorbereitungsausschusses eingebracht. Das Gremium habe in Kirsten Fehrs das Bild einer Bischöfin gefunden, „die keine Bischöfin der Grußworte ist, sondern aktiv an der Seite der Kirchengemeinden und der Dienste und Werke mitgestaltet“, sagte sie.