Hamburg. Das Betriebssystem Windows 7 wurde auf 8000 Rechner gespielt – obwohl die Unterstützung auslief. Das wird nun teuer.

Fast jede Umstellung bei der Software hat ihre Tücken – was der Durchschnittsnutzer vom heimischen Computer kennt, erfährt die Hamburger Polizei und damit auch der Steuerzahler besonders schmerzhaft. Wie das Abendblatt bereits vor rund einem Jahr exklusiv berichtete, muss die Polizei wegen eines zu späten Upgrades ihrer Rechner jeweils Gebühren für die technische Wartung eines alten Betriebssystems zahlen – und noch immer ist kein Ende in Sicht. Bis Ende 2021 werden sich die Ausgaben nach Senatsangaben auf knapp eine Million Euro summiert haben.

Die CDU in der Bürgerschaft kritisiert eine eklatante Geldverschwendung und ein Versagen von Innensenator Andy Grote (SPD). Bei der so kostspieligen Software handelt es sich um Windows 7 des US-Konzerns Mi­crosoft. Obwohl seit dem Jahr 2012 bekannt war, dass die technische Unterstützung für die Software im Januar 2020 enden würde, war sie damals noch auf 8000 Rechnern der Polizei installiert. Für jedes Gerät wurden im vergangenen Jahr zunächst 58,90 Euro an Sonderwartungsgebühren an Microsoft fällig – insgesamt also bereits fast eine halbe Million Euro.

Polizei-Rechner erst zur Hälfte umgestellt

Wie nun eine erneute Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Dennis Gladiator ergab, ist die Umstellung der Rechner auf die neue Version Windows 10 bislang nur etwa zur Hälfte abgeschlossen. Im Frühjahr 2020 hieß es noch, dass das neue System auf 500 Rechnern pro Woche ausgerollt werden könne. „Die Umstellung auf Windows 10 läuft nicht nur schleppend. Sie ist auch noch teuer geworden“, kritisiert Dennis Gladiator. Auch der Bund Deutscher Kriminal­beamter (BDK) spricht davon, dass nicht nur Microsoft die Polizei derzeit „regelrecht ausnimmt, auch zum Nachteil unserer Kollegen“.

Auf Anfrage des Abendblatts teilte die Polizei mit: „Für den Support aller Windows 7 APC in der Polizei wurden entsprechende ESU-Lizenzen erworben. Mit Beginn des Rollouts im Jahr 2020 bis hin zum Stichtag des Erwerbs der ESU-Lizenzen für das Jahr 2021 wurden bereits rund 50 Prozent der APC in der Polizei auf Windows 10 migriert. Da sich die Kosten der ESU-Lizenzen für das Jahr 2021 nahezu verdoppelt haben, sind die Support-Kosten fast gleich geblieben.“

Zusammengefasst bedeutet das: Microsoft kassiert für die veraltete Software 2021 pro Rechner doppelt so viel wie im vergangenen Jahr. Unter dem Strich wird die Polizei damit in beiden Jahren jeweils rund eine halbe Million Euro bezahlt haben. 2021 allerdings eben nur für die halbe Nutzungsdauer.

Polizei wurde nicht von Dataport mit IT-Ausstattung versorgt

Eine Ursache für den Rückstand der Polizei liegt dabei schon mehr als ein Jahrzehnt zurück. Anders als praktisch alle wichtigen Behördenstellen in Hamburg wurde die Polizei nicht bereits seit 2017 vom Dienstleister Dataport mit der gesamten IT-Ausstattung und -Wartung versorgt. Aus dem Senat hieß es dazu, man habe das damalige große Umstellungsprojekt nicht noch weiter mit der Polizei-IT „belasten“ wollen, die rund um die Uhr funktionieren muss. Nur sind die Ordnungshüter seitdem auch von anderen Umstellungen im großen Stil abgeschnitten gewesen, bei denen jeweils Dataport die Regie führte. Bereits 2015 wurden dennoch bei der Polizei bereits Mittel eingeworben, da man das Ende von Windows 7 kommen sah.

2017 begann das Projekt, das unterbrochen wurde und 2019 neu startete. Dann fiel jedoch in der Innenbehörde die „strategische Entscheidung“, dass nun doch ein sogenannter Basisvertrag der Polizei mit Dataport geschlossen werden sollte. Für die rechtzeitige Umstellung der Betriebssysteme bis Januar 2020 war es damit schon zu spät. Mittlerweile ist Ende Juni dieses Jahres das anvisierte Ziel zur Umstellung auf Windows 10. „Da liegen wir im Plan“, sagt ein Beamter. Aber auch dann werden einige Rechner vor allem im Polizeipräsidium weiter mit der alten Software laufen müssen.

Schnelligkeit der Polizei-Rechner leidet

„Aufgrund aufwendiger Software­anpassungen und insbesondere zur Gewährleistung eines fehlerfreien Betriebs polizeilicher Fachverfahren unter Windows 10 werden einzelne Rechner voraussichtlich bis Ende 2021 unter Windows 7 weiterbetrieben“, heißt es dazu von der Polizei. Das Problem: Intern wurden bei der Polizei kleine Verbesserungen vorgenommen, sogenannte Makros­. Die sorgen dafür, dass beispielsweise Berechnungen automatisch ausgeführt werden. Doch viele dieser Verbesserungen, die unter Windows 7 liefen, funktionierten unter Windows 10 nicht mehr.

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Das ist nicht das einzige Problem. Auch die „Performance“, die Schnelligkeit der Rechner leidet, wenn mehr als 600 Geräte gleichzeitig das normale Internet nutzen. Ein kleiner Trost: Das Problem beschränkt sich dann auch nur auf die Internetnutzung. Das polizei­interne System ist davon nicht betroffen.

Gewerkschaft kritisiert schlechte Ausstattung der Polizei

Die Gewerkschaft BDK kritisiert seit Langem die aus ihrer Sicht teils haarsträubend schlechte Ausstattung der Polizei bei der Computertechnik. Nicht nur die Verzögerung beim Umstieg auf Windows 10, sondern auch die ersten Erfahrungen mit Dataport bezeichnet deren Landesvorsitzender Jan Reinecke als „wirklich absurd“.

So schalte Dataport einen weiteren Dienstleister ein, wenn der Rechner eines Beamten innerhalb des Präsidiums in eine andere Abteilung gebracht werden muss. „Und wer die Polizei kennt, weiß, dass das sehr häufig vorkommt.“ Dafür fielen jeweils Kosten von mehr als 100 Euro an – „übrigens auch bei einem Laptop“, sagt Reinecke. Auch über die Anschaffungspreise für neue Geräte wundere man sich. „Da kostet ein Drucker auf einmal das Dreifache von dem, was er vorher gekostet hat“, so sagt es Reinecke.

Dataport weist Vorwürfe der zu hohen Preise zurück

Bei Dataport weist man diese Kritik zurück. „Dataport beschafft Geräte für den professionellen Einsatz. Durch das sehr große Einkaufsvolumen erzielt Dataport dafür Preise, die unterhalb der üblichen Angebote liegen“, so Sprecherin Britta Heinrich. „Dies gilt ebenso für die Serviceleistungen. In Benchmarks hat sich bereits mehrfach gezeigt, dass Dataport auch hier in Bezug auf die Preise mit anderen Anbietern auf dem Markt mithält und sogar unterhalb des Durchschnitts liegt. Ein aktueller Benchmark wird zurzeit erhoben.“

Bei der Ausstattung der Beamten mit iPhones, die bei der Ankündigung unter dem Stichwort „MobiPol“ als „mobiler Arbeitsplatz“ gefeiert wurden, läuft es ebenfalls „unrund“. 1000 Geräte sind angeschafft. 1400 kommen noch – allerdings verspätet. Danach ist erst einmal Schluss. „Konkrete Planungen für darüber hinausgehende Lieferungen bestehen derzeit noch nicht“, so die Polizei.

In der Vergangenheit verwies sie aber darauf, dass man bei der Digitalisierung bereits an vielen Stellen deutlich vorangekommen sei. „Digitalisierung bedeutet für mich, dass jeder Beamte sein persönliches Gerät hat. Das gilt zumindest im Primärvollzugsdienst“, so Gladiator. „Davon sind wir dann mit 2400 Geräten auch weit entfernt.“ Tatsächlich würden um die 6500 Geräte gebraucht.

Digitalisierung der Polizei: „Hamburg hinkt hinterher"

„Das Problem sind die jährlich anfallenden Betriebskosten“, so Thomas Jungfer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft. „Hier sind wir wie bei allen Dingen, die die IT betreffen, gezwungen, Dataport als Dienstleister zu nehmen. Das ist extrem teuer.“ Andere Länder würden es vormachen, sagt Dennis Gladiator.

„Dort ist die Digitalisierung der Polizei deutlich weiter“, so der CDU-Abgeordnete. „Hamburg hinkt hinterher. Das schadet dem Sicherheitsniveau der Stadt.“ Die Schuld sieht Gladiator beim Senat und beim Innensenator. „Dort wurden die Rahmenbedingungen gesetzt.“ Der BDK-Vorsitzende Reinecke sagt: „In erster Linie tun uns die Kollegen in der IT leid, die in 15 Monaten nicht das aufholen können, was über 15 Jahre politisch verschlafen worden ist.“