Hamburg. Rund um die alte Fischräucherei sollen 37 Wohnungen und ein Gewerbekomplex entstehen. Wie das den Stadtteil verändert.
Früher hing hier der Geruch von geräuchertem Fisch in der Luft. Jetzt riecht es nach Baustelle. Rund um die ehemalige Fischräucherei an der Großen Freiheit haben die Arbeiten für ein neues Quartier begonnen. Südlich der denkmalgeschützten Stätte mit ihrem markanten Schornstein soll ein drei- und viergeschossiger Wohnkomplex mit 37 geförderten Wohnungen entstehen. Nördlich ist ein zwei- bis viergeschossiger Neubaukomplex für Gewerbe geplant, in den die bestehenden Musikclubs Indra und Gruenspan integriert werden. Die Räucherei selbst wird denkmalgerecht saniert. Hierfür wurde der Sprinkenhof GmbH am Donnerstag die Baugenehmigung erteilt.
Das etwa 7000 Quadratmeter große Areal ist als Wohngebiet ausgewiesen
Durch die Bauweise entstehen entlang der großen Freiheit zwei öffentlich zugängliche Höfe, in denen der für den Stadtteil typische Mix aus Kleingewerbe, Kreativflächen und Gastronomie vorgesehen ist. Welche Mieter sich hier künftig ansiedeln könnten, stimmt die Sprinkenhof AG als Eigentümerin des Grundstücks noch mit dem Bezirk Hamburg-Mitte ab: Das etwa 7000 Quadratmeter große Areal ist im Baustufenplan als Wohngebiet ausgewiesen, zulässig ist daher nur wohnverträgliches Gewerbe. Das neue Quartier soll auch Raum für das gemeinschaftliche Urban-Gardening-Projekt „Gartendeck“ bieten, das für die Dauer der Bauarbeiten umgezogen ist und später zurückkehren und auf einem Dach weitergeführt werden soll.
Sprinkenhof AG setzt die Baupläne für das neue Quartier um
„Im Herzen St. Paulis entsteht hier ein vielfältiges Projekt, das sich hervorragend in das bunte Quartier an der Großen Freiheit einfügt“, so Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Mit der städtischen Sprinkenhof habe die Stadt einen erfahrenen Partner an der Seite, um dieses Vorhaben passgenau umzusetzen. „Wir wollen St. Pauli nicht den Kräften des Marktes und einer kommerziellen Stadtentwicklung überlassen“, betonte Dressel. Das habe die Stadt jüngst bewiesen, als sie den Kauf eines Teils des künftigen Paloma-Viertels beschlossen habe, um dort geförderten Wohnraum anbieten zu können. „St. Pauli soll nicht nur ein Schaufenster für Touristen und Besucher sein, sondern auch eine tolle Lebensqualität bieten für all jene, die hier wohnen.“
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Die Sprinkenhof AG betreibe sonst eher keinen Wohnungsbau, so Geschäftsführer Martin Görge. „Wir freuen uns aber sehr, zur städtebaulichen Entwicklung dieses besonderen Quartiers beizutragen.“ Mit dem Bau von öffentlich geförderten Wohnungen würden dringend benötigte preiswerte Mietwohnungen auf dem Kiez geschaffen. Die Anfangsmieten gab Görge mit 6,70 Euro pro Quadratmeter an. Im Dialog mit der Nachbarschaft habe sich gezeigt, dass es möglich sei, Verständnis und Akzeptanz für die Verdichtung und Aufwertung des Quartiers zu schaffen.
Denkmalgeschützte Fischräucherei wird in die Neubebauung integriert
Das neue Quartier wird neben der alten Fischräucherei zwei weitere Denkmäler umfassen: An der Ecke Große Freiheit/Simon-von-Utrecht-Straße befindet sich das denkmalgeschützte Gebäude des Musikclubs Gruenspan, der seit 1968 fester Bestandteil der Musik- und Kulturlandschaft auf St. Pauli ist. Neben dem Gruenspan befindet sich in einem 1911 errichteten Gebäude der Musikclub Indra, der als Veranstaltungsort sowie als erster Auftrittsort der Beatles in den 1960er-Jahren eine besondere kulturelle Bedeutung hat.
Diese Gebäude und die denkmalgeschützte Fischräucherei zu erhalten und an die Neubebauung anzuschließen, war Aufgabe des vom Bezirk ausgelobten städtebaulichen Wettbewerbs, den das lokale Architekturbüro Heyden und Hidde gewann.
Nutzung der Gewerberiegel steht noch nicht fest
Die Wohngebäude sollen bereits im ersten Quartal 2021 fertig sein. Die künftigen Bewohner werden aber noch ein paar Jahre Baulärm erdulden müssen. Denn mit dem Bau der Gewerberiegel kann erst begonnen werden, wenn deren künftige Nutzung feststeht – was noch Bestandteil von Gesprächen ist, in die neben dem Bezirk und der Sprinkenhof auch der Quartiersbeirat eingebunden ist. In dem Gremium sind unter anderem Vertreter der Kirchen und Parteien, aber auch Bewohner wie Frank Esswein vertreten.
Der Architekt versteht nicht, dass nicht schon früher mit dem Bau begonnen werden kann. „Die Sprinkenhof ist doch Profi bei der Vermietung von Gewerbeimmobilien“, sagt er. Es sei nicht unüblich, sogenannte veredelte Rohbauten zu errichten, die schon über Infrastruktur und Haustechnik verfügten, aber erst später mieterspezifisch ausgebaut würden. Einen Vorschlag für die Nutzung der ehemaligen Fischräucherei hat Esswein jedenfalls schon. „Hier könnte das St. Pauli Archiv einziehen. Die Räume der Geschichtswerkstatt an der Paul-Roosen-Straße platzen bei Veranstaltungen oft aus allen Nähten.
Urban-Gardening-Projekt "Gartendeck" kehrt an die Große Freiheit zurück
Die St. Pauli- Druckerei, die lange auf dem Areal ansässig war und mittlerweile unter dem Namen Reset St. Pauli an der Virchowstraße sitzt, wird nicht an die Große Freiheit zurückkehren. „Unser Gewerbe ist nicht in einen dicht bebauten Wohnstandort zu integrieren“, so Mitbegründer Jochen Schüler-Scheele. Doch er freue sich, dass hier bezahlbarer Wohnraum entstehe.
An die Große Freiheit zurückkommen wird aber das bislang nur temporär genehmigte „Gartendeck“. Das Urban-Gardening-Projekt, das für die Zeit der Baumaßnahmen auf eine Grünfläche hinter dem Israelitischen Krankenhaus gezogen ist, wird einen festen Platz auf einem Gewerbegebäude haben, das zwischen dem Gruenspan und der Fischräucherei geplant ist.