Hamburg. Kohlekraftwerk soll früher vom Netz gehen als geplant. Umweltsenator Kerstan verkündet Pläne für das Areal. Doch einen Haken gibt es.
Vattenfall kann das Kohlekraftwerk Moorburg nun sehr wahrscheinlich schon im kommenden Jahr 2021 stilllegen. Möglich macht dies eine Entscheidung der Bundesnetzagentur, die dem schwedischen Energieversorger im ersten Auktionsverfahren den Zuschlag zur Reduzierung der Steinkohleverstromung in beiden Blöcken des Heizkraftwerks in Hamburg gegeben hat. Nun müssen noch die Übertragungsnetzbetreiber grünes Licht geben.
"Wir begrüßen diese Entscheidung", sagt Anna Borg, Präsidentin und CEO von Vattenfall. Obwohl das Kraftwerk eines der modernsten in Deutschland sei, entspreche die frühzeitige Stilllegung den Plänen der Bundesregierung zur Reduktion von Emissionen aus Kohleverstromung. Vattenfall will nach eigenen Angaben innerhalb einer Generation ein Leben ohne fossile Brennstoffe ermöglichen.
Kraftwerk Moorburg: Vattenfall will Schließung vorantreiben
In der ersten Versteigerungsrunde konnten Betreiber von Kohlekraftwerken Gebote für ein Volumen von insgesamt vier Gigawatt abgeben. Sie erhalten rund 317 Millionen Euro. Ab dem 1. Januar 2021 dürfen die Betreiber im Falle eines Zuschlags keinen Strom aus diesen Anlagen mehr verkaufen. Welche Kraftwerke den Zuschlag erhalten, richtet sich danach, wer für Stilllegungen am wenigsten Entschädigung fordert. Auch die CO2-Bilanz spielt eine Rolle.
Die Bundesnetzagentur zieht mit der Entscheidung vom Dienstag bundesweit eine Leistung von insgesamt 4.7 Gigawatt aus elf Kraftwerken aus dem Markt, allein das Kohlekraftwerk Moorburg ist daran mit 1600 Megawatt beteiligt. In Hamburg könnten dadurch laut BUND bis zu acht Millionen Tonnen weniger CO2 in emittiert werden.
Man werde nun die Planungen für die vorzeitige Schließung vorantreiben. "Dazu gehört auch, unsere Mitarbeiter bei der Suche nach neuen Arbeitsplätzen zu unterstützen bzw. in verantwortungsvoller Weise andere Optionen zu vereinbaren", sagte Tuomo Hatakka, Deutschland-Chef von Vattenfall.
Kraftwerk Moorburg "von Anfang an überdimensioniert"
Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) wertet die Entscheidung der Bundesnetzagentur als einen Erfolg grüner Energiepolitik: „Das Kraftwerk Moorburg war von Anfang an überdimensioniert, unwirtschaftlich und aus der Zeit gefallen. Es ist für den Klimaschutz eine gute Nachricht, wenn es jetzt deutlich früher vom Netz geht als ursprünglich geplant", so Kerstan.
"Es ist und bleibt eine richtige Entscheidung des Senats, dass das Kraftwerk Moorburg bei der Fernwärmeversorgung der Stadt keine Rolle spielt." Mit der Stilllegung werde der Kohleausstieg in Hamburg nicht nur in der Wärme deutlich früher vollzogen als im Rest der Republik. "Wir schaffen so auch den gesamten Kohleausstieg in Hamburg bis spätestens 2030." Dies sei ein wichtiges Signal dafür, dass ein frühzeitiger Kohleausstieg zur Erreichung der Pariser Klimaziele notwendig und machbar sei.
Linke fordert Kohleausstieg in Hamburg bis 2025
Der Linken geht das jedoch nicht schnell genug. "Mit dem Zuschlag zur Stilllegung gleich beider Kohleblöcke Vattenfalls endet demnächst ein umweltpolitischer Anachronismus in Hamburg", sagt Stephan Jersch, umweltpolitischer Sprecher der Bürgerschaftsfraktion.
Für Hamburg und den Senat muss das jetzt ein Ansporn sein, den eigenen Kohleausstieg mit den Kraftwerken Tiefstack und Wedel endlich vorzuziehen und nicht weiter auf Zeit zu spielen." Der Ausstieg müsse bereits 2025 erfolgen.
CDU: An Absurdität nicht zu überbieten
Die Entscheidung der Bundesnetzagentur sei "ein Armutszeugnis für den Industriestandort Hamburg und Deutschland", sagt dagegen die CDU. Die Stilllegung in Moorburg als Erfolg grüner Energiepolitik zu bezeichnen,"ist eine dreiste Verdrehung der Realität", sagt Stephan Gamm, energie- und klimaschutzpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion.
"Ein Umweltsenator, der seit Jahren mit der Aufgabe überfordert ist, das älteste und dreckigste Kohlekraft Deutschlands in Wedel abzuschalten, feiert sich für die Stilllegung des effizientesten und saubersten Kraftwerkes Europas." Dies sei an Absurdität nicht zu überbieten.
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Gamm weist auf die Relevanz des Kraftwerks für die Industrie hin: "Hamburg wird in den windärmeren Monaten zurzeit bis zu 90 Prozent mit Strom aus Moorburg versorgt." Auch die Kupferhütte Aurubis beziehe ihren Strom dort auf Basis eines langfristigen Liefervertrages. Der Kohle-Koloss war laut Umweltsenator Jens Kerstan zuletzt aber nur unterhalb der Auslastung gelaufen.
BUND: Hamburg darf keine weiteren Entschädigungen zahlen
Aus Sicht von Christiane Blömeke, Landesvorsitzende des BUND Hamburg, belegt die Stilllegung nach nur wenigen Jahren Laufzeit, "dass das Kraftwerk nicht systemrelevant ist und nach nur fünf Jahren Betrieb als eine der größten energiepolitischen Fehlinvestitionen in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen wird.“
BUND-Landesgeschäftsführer Manfred Braasch sieht neben der positiven Nachricht für den Klimaschutz aber einen deutlichen Wermutstropfen. „Weil der Kohlestrom aus Moorburg zu teuer ist, hat Vattenfall wiederholt hohe Verluste für das Kraftwerk abschreiben müssen." Diese Entscheidung des Konzerns und des damaligen Hamburger Senats, das Kraftwerk überhaupt zu bauen, "wird nun mit dem Geld der Steuerzahler*innen“ vergoldet", sagt Braasch. Es nun keine weiteren Entschädigungen von Seiten der Stadt Hamburg geben.
Wasserstoffwirtschaft und Hochtemperatur-Stahlspeicher
Konkrete Pläne dazu gibt es bereits. Umweltsenator Kerstan gibt einen Ausblick darauf, was mit dem Grundstück an der Süderelbe nun geschehen soll: "Moorburg ist wegen seiner Lage und Anbindung an Leitungen und Transportwege ein idealer Standort für den Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft". Dort könne Elektrolyse für grünen Wasserstoff stattfinden. Auch ein Hochtemperatur-Stahlspeicher sei denkbar.
Die Umweltbehörde sei diesbezüglich mit Vattenfall im Gespräch, "auch um das Interesse der Beschäftigten soweit wie möglich zu wahren und Arbeitsplätze dort wo möglich zu erhalten“, sagte Kerstan.
Ist das Kraftwerk Moorburg doch systemrelevant?
Allerdings können die deutschen Übertragungsnetzbetreiber das erst fünf Jahre lang am Netz laufende Kraftwerk noch als systemrelevant für die Energieversorgung einstufen. Laut Vattenfall soll die Entscheidung darüber bis Anfang März 2021 fallen. Sollte Moorburg als nicht systemrelevant eingestuft werden, kündigt der Energieversorger die Stilllegung bis zum 1. Juli 2021 an.
Sollten die Übertragungsnetzbetreiber jedoch zu einer gegenteiligen Entscheidung kommen und die Bundesnetzagentur diese Einschätzung bestätigen, müsse das Kraftwerk "für einen noch zu bestimmenden Zeitraum" in Reserve gehalten werden.