Hamburg. Hamburgs Bürgermeister und andere prominente Gäste diskutierten lebhaft über den Klimawandel und seine Parallelen zur Corona-Krise.

Kann die Bewältigung der Corona-Krise als Blaupause für den Kampf gegen den Klimawandel herhalten? Diese Frage stand am Montagabend im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion mit dem Titel „Lass uns über morgen reden: Nachhaltige Entwicklungen für Hamburg“, die das Stiftungsbüro Hamburg in den Räumen der Körber-Stiftung veranstaltet hat – erstmals wieder mit Präsenz, aber noch ohne Zuschauer.

Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bejahte die Frage: „Wir haben im letzten Jahr gesehen, dass sehr unvorstellbare Maßnahmen funktionieren können.“ Wenn die Bevölkerung ein Bewusstsein für ein Problem habe und die Maßnahmen verstehe und akzeptiere, dann ziehe sie auch mit: „Dann ist Erstaunliches möglich“, so Tschentscher. Auf den Klimawandel übertragen bedeute das: „Das Bewusstsein ist da, die Ziele sind gesetzt, jetzt kommt es auf das Handeln an.“

Polit-Ökonomin: Klimaschutz kann Spaß machen

Auch Maja Göpel, Polit-Ökonomin vom The New Institute in Hamburg, plädierte dafür, den Klimawandel mit einer Wir-packen-das-Haltung anzugehen.

Man dürfe den Menschen nicht ständig einreden, dass sie sich radikal einschränken müssten, um die Welt zu retten, sondern müsse sie mitnehmen und zeigen, dass es auch Spaß mache, so eine große Aufgabe gemeinsam anzugehen.

Dabei sei es wichtig, wie in der Corona-Krise ehrlich zu kommunizieren: Was ist das Problem, und welche Maßnahme kann wie viel dazu beitragen, es zu lösen?

Corona vs. Klima: Otto sieht Unterschiede

Hamburgs Ehrenbürger Michael Otto, Gründer der nach ihm benannten Umweltstiftung, sah durchaus Unterschiede der beiden Krisen: Corona habe jeden unmittelbar und spürbar betroffen. Beim Klimawandel sei hingegen vielen Menschen noch nicht bewusst, dass, wie und wann sie dieses Problem betreffe. „Da muss man eine andere Form der Aktivierung finden“, so Otto.

Viele Organisationen und Institutionen würden seit Jahrzehnten vor dieser Gefahr warnen, dennoch habe die Politik sie lange ignoriert, weil sie Sorge hatte, für radikale Veränderungen bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden, so Otto. „Erst Fridays for Future hat da Bewegung reingebracht und eine Aufbruchstimmung erzeugt.“

Fridays for Future: Aktivistin fordert Tschentscher heraus

Annika Rittmann, Aktivistin bei Fridays for Future, unterstützte die Einschätzungen, dass erst ihre Generation für den Bewusstseinswandel gesorgt habe und dass die Corona-Krise gezeigt habe, dass die Menschen für die Erreichung bestimmter Ziele bereits sind, ihr Verhalten zu ändern. Auch Hamburg könne bereits viel mehr für den Klimaschutz tun, so Rittmann: „Die Ausrede, das war früher nicht möglich, gilt nicht.“

Klima-Aktivistin Annika Rittmann von Fridays for Future (Archiv)
Klima-Aktivistin Annika Rittmann von Fridays for Future (Archiv) © HA | Marcelo Hernandez

Das wollte der Bürgermeister nicht auf sich sitzen lassen. Angesichts der Tatsache, dass die Stadt nur noch emissionsfreie Busse anschaffe, die städtischen Gebäude mit großem Aufwand energetisch saniere, den Radverkehr massiv fördere und viele Unternehmen ihre Emissionen bereits massiv gesenkt hätten, sei der Vorwurf der Tatenlosigkeit nicht haltbar.

Hat der Senat Angst vor zu konkreten Angaben?

Dennoch baue die Stadt eine aus ihrer Sicht völlig unnötige Autobahn 26, hielt Rittmann dagegen und forderte, der Senat solle doch ein CO2-Budget in seinen Klimaplan auf nehmen. Ihre Vermutung: „Das passiert nicht, weil es viel zu konkret wäre und genau zeigen würde, wo wir stehen.“

Göpel stieß ins gleiche Horn: Mittels eines CO2-Budgets könne man der Bevölkerung genau aufzeigen, welche Maßnahme wie viel zum Klimaschutze beitrage. Doch auch sie vertrat die Auffassung, dass es in der Politik unbeliebt sei, mit derart konkreten Daten zu arbeiten. Dabei habe die Corona-Krise gezeigt, dass es mitunter auch für scheinbar unpopuläre Maßnahmen wie eine Ausgangssperre eine große Unterstützung gebe. In vielen Umfragen hätten die Menschen ja sogar härtere Maßnahmen gefordert.

Klimawandel: Wöchentliche PK von Tschentscher?

Auf die Frage von Moderator Lars Haider, Chefredakteur des Abendblatts, ob er nicht wie in der Corona-Krise üblich auch zum Thema Klimawandel jede Woche eine Pressekonferenz zu den neuesten Maßnahmen geben könne, sagte Bürgermeister Tschentscher, das sei sehr wohl möglich: Er könnte schon jetzt jede Woche ein neues Projekt vorstellen – mal eine Phosphoraufbereitungsanlage, mal einen neuen Bahnanschluss im Hafen.

Auch die Elbvertiefung sei für ihn ein Umweltschutzprojekt, denn mit Schiffen bis weit in die Städte zu fahren, sei die umweltfreundlichste Form des Warentransports. Im Übrigen sei Hamburg führend beim Umschlag vom Schiff auf die Bahn. In Rotterdam oder Antwerpen erfolge der Weitertransport dagegen überwiegend per Lkw.

Generell müsse weniger darüber geredet werden, was nicht geht, und vielmehr über das, was geht, so Tschentscher. Klimaschutz müsse zum „Mitmachthema“ werden.

Erneuerbare Energien: Göpel fordert "Beweislastumkehr"

Maja Göpel stimmte zwar zu, forderte aber, dass auch klar kommuniziert werde, was künftig nicht mehr gehe. Wenn etwa auf erneuerbare Energien umgestellt werde, müsse man den Menschen auch sagen, dass es die „alte“ Energie nicht mehr gebe.

Sie forderte eine „Beweislastumkehr“: Eine Erklärung schuldig seien weniger diejenigen, die etwas ändern wollen als vielmehr die Besitzstandwahrerer. Denn, so Göpel eindringlich: „Alles zu lassen, wie es ist, ist keine gute Idee.“

Tschentscher demonstrierte gegen Atomkraft

Michael Otto plädierte dafür, die „Steuerungssysteme“ zu überarbeiten. Es könne nicht sein, dass etwa der Austausch eines alten Windrades durch ein neues den kompletten Genehmigungsprozess wieder in Gang setze. Annika Rittmann fragte in die Runde, ob es eigentlich die Aufgabe ihrer (Schüler-)Generation sei, die Gesellschaft wachzurütteln, oder ob das nicht die Aufgabe der Politik und der Medien sei.

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Ihre Pflicht sei das sicher nicht, entgegnete der Bürgermeister. Aber er habe als junger Mann auch gegen die Stationierung von Pershing-II-Raketen in Deutschland demonstriert und sei bis heute „ein überzeugter Gegner der Atomenergie“, so Tschentscher: „Es ist hilfreich, wenn die junge Generation sich meldet und sagt: Moment mal, das ist unsere Zukunft, über die Ihr nachzudenken habt.“