Hamburg. Polizeiführung in Zugzwang: Mehr als 200 Beamte haben gegen die aktuelle Vergütungspraxis geklagt – einer hat nun Recht bekommen.

Ein Urteil des Verwaltungsgerichts bringt die Hamburger Polizeiführung in Zugzwang. Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) und des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) haben auf eine vollständige Anerkennung ihrer Rufbereitschaft als Arbeitszeit geklagt. Es geht um Zehntausende Stunden aus den vergangenen Jahren.

Die Kammer 20 des Hamburger Verwaltungsgerichts gab einem Kläger Recht. Allein in dem Fall sollen 907 Stunden anerkannt werden. Er ist einer von 235 Polizisten, die gegen bisherige Vergütungspraxis Widerspruch eingelegt hatten. Die Stadt ist in Berufung gegangen.

Polizei Hamburg: Streit ums Geld – es beginnt schon bei Kleinigkeiten

Insider gehen davon aus, dass die Stadt auf Zeit spielt – und das Urteil auch in der nächsten Instanz bestätigt wird. Das Verwaltungsgericht hatte in seiner Urteilsbegründung eine ganze Reihe von bereits rechtskräftigen Urteilen verschiedener Gerichte bis hin zum Europäischen Gerichtshof als Maßstab genommen, die man sich „zu eigen“ gemacht habe.

Bislang wird bei der Hamburger Polizei eine Stunde Rufbereitschaft mit 7,5 Minuten als „nicht auszahlungsfähige“ Arbeitszeit angesehen, die abgebummelt werden soll. Das entspricht einem Satz von 12,5 Prozent. Fahrten zur Dienststelle ohne „Sonderrechte“, also mit Blaulicht und Martinshorn, werden, wenn die Beamten aus der Rufbereitschaft in den Einsatz gerufen werden, nicht als Arbeitszeit angerechnet.

Stadt müsste sehr viel Freizeitausgleich gewähren

Zwar würde durch ein Urteil nicht automatisch jeder Bereitschaftsdienst bei der Hamburger Polizei als vollwertige Arbeitszeit gesehen. Besondere Einheiten, wie das SEK oder auch Entschärfer der Staatsschutzabteilung, dürften aber von einer rechtlichen Änderung der bisherigen Praxis partizipieren. Sie sind Beamte mit spezieller Ausbildung und Fähigkeiten, die nicht durch andere Polizisten übernommen werden könnten.

„Wird das Urteil rechtskräftig, hat die Polizei ein ernsthaftes Problem“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). „In der Praxis würde das bedeuten, dass die Stadt sehr viel Freizeitausgleich gewähren muss, was gleichzeitig bedeutet, dass deutlich mehr Personal für die betroffenen Dienststellen eingestellt werden muss. Oder es kommen hohe Kosten durch Ausgleichszahlungen auf Hamburg zu.“

Polizei will keine Stellungnahme abgeben

Bei der Polizei gibt man sich noch zurückhaltend. „Da es sich um mehrere laufende Gerichtsverfahren handelt, sehen wir von einer Stellungnahme ab“, sagt Polizeisprecher Holger Vehren. Man werde die Urteile sehr genau prüfen und schauen, „welche Handlungsbedarfe sich daraus ergeben“.

„Die Stadt ist gut beraten, genau das zu tun“, sagt Jungfer. „Die bereits rechtskräftigen Urteile in vergleichbaren Fällen aus anderen Bundesländern oder die Begründung des Urteils des Hamburger Verwaltungsgerichts lassen schon den Schluss zu, dass eine endgültige Entscheidung im Sinne der klagenden SEK-Beamten getroffen werden wird.“ Welche Auswirkung ein solches Urteil haben wird, ist noch nicht absehbar. Mit Beamten des SEK sind Polizisten vor Gericht gezogen, an deren Rufbereitschaften auch besondere Anforderungen gestellt werden. So gilt für sie beispielsweise eine „Residenzpflicht“, die einen Wohnort voraussetzen, von dem man aus innerhalb einer kurzen Zeit die Dienststelle erreichen kann.

SEK-Beamte in Bereitschaft müssen Waffe parat haben

Sind diese Beamten in Rufbereitschaft, haben sie nicht nur ein Dienstfahrzeug, sondern auch spezielle Ausrüstung dabei, um notfalls direkt zu einem Einsatzort zu fahren. Die Dienstwaffe müssen sie immer „am Mann“ oder sicher in einem Safe haben. Das bedeutet, dass sie beispielsweise während der Rufbereitschaft keine Einrichtungen wie Kino oder Schwimmbad besuchen könnten.

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Damit die ständige Erreichbarkeit über das Diensthandy sichergestellt sei, könne man auch nicht in Gebäude gehen, in denen es keinen oder schlechten Empfang gibt. Dazu komme, dass man das Dienstfahrzeug dabei haben müsse, das man aber nicht wegen der darin befindlichen Ausrüstung sorglos abstellen könnte. „Fährt man beispielsweise mit seiner Frau zum Einkaufen, müssten zwei Fahrzeuge benutzt werden, damit der SEK-Beamte im Ernstfall sofort in den Einsatz kann“, so Jungfer. „Das sind schon besondere Anforderungen.“

Polizei Hamburg: Oft geht es um mehr als 900 Stunden

Beamte anderer Dienststellen könnten dagegen „leer ausgehen“. Ihre Bereitschaftsdienste sind nicht mit so hohen Anforderungen verbunden wie beispielsweise beim SEK. Aber auch so wird es absehbar „teuer“. Denn es geht in vielen Fällen um deutlich mehr als 900 Stunden. Andere Kläger machten gegenüber ihres Dienstherrn bis zu über 6000 bereits abgeleistete Stunden in Rufbereitschaft geltend.