Hamburg. Der Bund will fast alle am 20. März abschaffen. Doch nicht nur der Senat hält dies wegen der hohen Inzidenzen für zu gefährlich.
Auch wenn fast alle Corona-Schutzmaßnahmen nach Plänen der Ampel-Bundesregierung zum 20. März wegfallen, werden bisher gültige Regelungen in Hamburg wohl mindestens bis zum 2. April weiter gelten. Die Stadt werde eine vorgesehene Übergangsfrist voll ausnutzen, hieß es am Montag aus der Sozialbehörde. Vermutlich werden einige Regelungen auch danach zunächst in Kraft bleiben – soweit das neue Infektionsschutzgesetz dies erlaubt, das am Mittwoch im Bundestag debattiert wird.
Sozialsenatorin Melanie Leonhard (SPD) kritisierte die Entscheidung der Bundesregierung: „Angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens hätte eine Verlängerung der bisherigen gesetzlichen Regelungen den Landesregierungen bessere Reaktionsmöglichkeiten auf regional unterschiedliche Entwicklungen gegeben“, sagte sie dem Abendblatt. „Die voraussichtlich ab kommender Woche geltenden Regelungen lassen nur noch einen kleinen Spielraum.“
Bis Ende März müsse der Senat nun „auf Grundlage der dann aktuellen Lage entscheiden, ob und welche der dann noch möglichen Maßnahmen wir nutzen“. Es blieben nur „Maßnahmen, die verhältnismäßig geringe Eingriffe darstellen“, so Leonhard. „Wir sollten sie nutzen, wenn sich damit verhindern lässt, dass die aktuell nach oben zeigende Kurve bei den Neuinfektionen einen steilen Verlauf nimmt.“
Corona Hamburg: Mehrheit für Verlängerung der Maskenpflicht zeichnet sich ab
Für eine Verlängerung noch möglicher Maßnahmen wäre ein Bürgerschaftsbeschluss am 30. März nötig. Dabei zeichnet sich eine Mehrheit dafür ab, die Maskenpflicht etwa im Einzelhandel zu verlängern. Dazu tendieren derzeit SPD, Grüne, CDU und Linke. Der Bund sieht die Maskenpflicht in seinem „Basisschutz“ bisher nur noch für Pflegeheime, Kliniken und öffentliche Verkehrsmittel vor. Ob in Hamburg auch Zugangsbeschränkungen wie 3G oder 2G+ aufrechterhalten bleiben sollen, sei noch unklar, hieß es am Montag.
Mediziner hatten zuletzt vor einem Ende der Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen gewarnt. „Das Tragen von Masken ist eine erprobte und einfache Schutzmaßnahme“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx. „Es wäre ein Fehler, dieses Mittel ohne Not aus der Hand zu geben.“
Die Ampel-Bundesregierung plant, vom 20. März an nur noch einen minimalen „Basisschutz“ vorzuschreiben – etwa das Tragen von Masken in öffentlichen Verkehrsmitteln, Kliniken oder Pflegeheimen. So sieht es der bisherige Entwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes vor, der am Mittwoch im Bundestag beschlossen werden soll. Die Länderparlamente können demnach aber noch einige weitergehende Maßnahmen beschließen.
„Große Koalition“ für Verlängerung der Maskenpflicht
Die Maske habe sich „entgegen anfänglicher Skepsis als sehr wirksames Mittel gegen das Virus entpuppt und ihr Gebrauch wird in Hamburg sehr gut umgesetzt“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf dem Abendblatt. „Es bleibt nun, die Entwicklung der kommenden Wochen abzuwarten. Wenn sich die pandemische Lage erneut zuspitzen sollte, ist die Maskenpflicht für unsere Gesellschaft eine gut umsetzbare Option, die den Alltag wenig einschränkt und den Kampf gegen das Virus sinnvoll unterstützt.“
Das sieht auch Grünen-Fraktionschefin Jennifer Jasberg so. „Das Tragen der Maske hat sich als effektives und wenig in die Freiheiten eingreifendes Mittel erwiesen“, so Jasberg. „Bei anhaltend hohen und steigenden Zahlen sollten aus unserer Sicht weiterhin Masken zum Schutz von Vulnerablen an Orten getragen werden, wo viele Menschen aufeinandertreffen, etwa im öffentlichen Nahverkehr oder im Supermarkt.“ Weitergehende, die persönlichen Freiheiten stärker einschränkende Maßnahmen seien vor dem Hintergrund, dass aktuell keine Überlastung der Krankenhäuser drohe, hingegen nicht zu rechtfertigen, so die Grünen-Politikerin.
CDU-Fraktionschef Dennis Thering plädierte ebenfalls für ein Beibehalten der Maskenpflicht an bestimmten Orten. „Vor dem Hintergrund einer wieder steigenden Inzidenz und dem anstehenden Ferienende, bleibt eine Maske auch nach dem 20. März als Basisschutz sinnvoll“, so Thering. „Dies gilt auch für kostenlose Testangebote. Wir werden weiterhin mit dem Coronavirus leben müssen, daher rückt das eigenverantwortliche Verhalten jedes Einzelnen immer stärker in den Vordergrund. Es bleibt aber Kernaufgabe der Politik vulnerable Gruppen zu schützen, die Impfkampagne weiter voranzutreiben und bei möglichen neuen Virusvarianten zügig zu reagieren.“
AfD und FDP fordern Aufhebung der Corona-Maßnahmen
Linken-Fraktionschefin Sabine Boeddinghaus sagte, sie verstehe nach mehr als zwei Jahren „Pandemie-Frust“ den Wunsch nach wirksamen Lockerungen. Aber „angesichts der Inzidenz-Zahlen und auch der bangen Frage, was nach dem Ende der Hamburger Ferien auf uns zukommt, ist es eben nicht vernünftig, jetzt alle Vorsicht über Bord zu werfen“, so Boeddinghaus. „Wir fordern die Abschaffung der Testpflicht im HVV, denn die war von Anfang an lebensfern und brachte wenig. Doch die Maskenpflicht in Innenräumen muss in Hamburg vorerst noch bestehen bleiben, und das auch am Arbeitsplatz – Masken sind wirksam im Kampf gegen die Pandemie und sie sind auch zumutbar. Wichtig ist aber auch, dass die Stadt sicherstellt, dass die Test-Infrastruktur erhalten bleibt.“
AfD und FDP dagegen sprechen sich auch in Hamburg für die Aufhebung der Maßnahmen aus. „Es gibt überhaupt keinen Grund für die Aufrechterhaltung der Corona-Maßnahmen, andere deutsche Bundesländer und europäische Nachbarstaaten machen es ja vor“, sagte AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann. „Alle Einschränkungen müssen beseitigt werden, alle Freiheitsrechte müssen vollumfänglich zurückkehren.“
Die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein äußerte sich ähnlich. „Die wesentlich ungefährlichere Virus-Variante Omikron rechtfertigt keine einschneidenden Freiheitseingriffe“, sagte die FDP-Politikerin. „Deshalb ist es richtig, dass im März alle Maßnahmen wegfallen. Auf das Ende der Maskenpflicht an Schulen haben die Schüler und Schülerinnen lang genug gewartet. Jetzt geht es auch darum, wieder mehr auf die Eigenverantwortung der Bürger zu setzen.“ Wer im Supermarkt eine Maske tragen wolle, könne das freiwillig tun, so Treuenfels-Frowein. Sie appelliere an den Senat, seine Möglichkeiten „restriktiv auszulegen und die Freiheitsrechte der Bürger mehr zu achten, als bisher in der Pandemie“.
Divi-Präsident warnt vor Ende der Maskenpflicht
Hamburger Ärzte hatten sich schon lange dafür ausgesprochen, nicht nur das Infektionsgeschehen, sondern auch die Situation in den Krankenhäusern zu betrachten. Solange die Zahlen der Intensivpatienten sowie die der Klinikeinweisungen niedrig seien, könne man entspannter werden. Abstandsregeln und Maskenpflicht seien aber weiter gute Mittel auf dem Weg aus der Pandemie.
UKE-Professor Ansgar Lohse hatte im Februar gesagt, „dass die meisten Infizierten kaum noch schwere Verläufe haben und bei den Geimpften praktisch gar keine schweren Verläufe mehr auftreten“. Nur eine kleine Minderheit der Patienten, bei denen das Virus nachgewiesen werde, habe „wirklich Covid-19“.
Divi-Präsident Marx warnte jetzt gleichwohl vor einem Ende der Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen. Mit Masken könne man sich und andere effektiv gegen eine Infektion schützen. „Die Länder sollten deswegen in jedem Fall auch nach dem 20. März die Maskenpflicht in öffentlichen Innenräumen beibehalten.“
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Nachdem Hamburg den Höhepunkt der Omikronwelle mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 2105 Ende Januar erreicht hatte, war die Inzidenz zunächst bis Anfang März gesunken – auf 630. Seither steigt sie wieder. Am Montag meldete die Sozialbehörde 1836 Neuinfektionen – 471 mehr als am Montag der Vorwoche. Die Inzidenz stieg damit auf 927,8.
Derzeit werden 321 Menschen wegen einer Corona-Infektion in Hamburger Kliniken behandelt, 35 davon auf Intensivstationen. Seit Pandemiebeginn wurden 380.416 Infektionen in Hamburg registriert. 2341 Hamburgerinnen und Hamburger sind im Zusammenhang mit einer Infektion verstorben, 321.100 gelten als genesen. Nach den offiziellen Angaben sind aktuell rund 57.000 Menschen in der Stadt infiziert. Da nicht alle Infektionen erfasst werden, dürfte diese Zahl aber in Wahrheit deutlich höher liegen.