Hamburg. Was Friseurmeister Jan-Mark Heuer Frauen, Männern und Eltern rät, die im Lockdown zur Schere greifen wollen.

Haarige Angelegenheit, dieser Lockdown. Friseursalons, das hat die Bundeskanzlerin vor wenigen Tagen in Aussicht gestellt, dürfen deshalb womöglich doch schon bald wieder öffnen. „Aus rein praktischen Gründen“, wie Angela Merkel begründete. Heißt übersetzt: Man kann ja nicht jeden Tag Mütze tragen. Schon jetzt erlebt eine ganze Nation zum zweiten Mal, wie sich so ein „Bad Hair Day“, wie es Neudeutsch heißt, über Wochen ziehen kann.

Die Folge: Frauen, die das eigene Haar täglich zum Dutt knödeln, greifen zur Papierschere, damit dem Partner keine lästigen Haare mehr im Nacken sitzen. Und auch beim Nachwuchs wird in einer ruhigen Minute mal schnell nachgeschnitten. Also nie. Und falls doch, dann erinnert das Ergebnis mitunter an den Kinderwitz vom Cowboy, der zum Frieur ging, um festzustellen: Mist, mein Pony ist weg.

Jan-Mark Heuer setzt auf gute Beratung

„Momentan gewinnt man in der Tat den Eindruck, dass nur noch Profifußballer und der eine oder andere Spitzenpolitiker top frisiert sind“, sagt Jan-Mark Heuer, der seit 20 Jahren seinen Salon „Heuer Style“ an der Bogenstraße führt. „Wenn wir Friseure also nicht bald wieder arbeiten dürfen, dann landen wir kopfmäßig in einer Zweiklassengesellschaft“, sagt der Friseurmeister, der seine Ausbildung in der Hamburger Filiale der britischen Friseur-Ikone Vidal Sassoon („wash & go“) begann und bei Ernesto Ernst („ein toller Mentor“) im ABC-Forum beendete.

In seinem 40 Quadratmeter „kleinen, aber feinen“ Salon setzt er mit seinen beiden Mitarbeitern, die er in Kurzarbeit schicken musste, vor allem auf gute Beratung: „Es geht uns nicht um Trends, sondern darum, wirklich das Beste aus jedem Kunden herauszuholen. Wenn jemand nur noch drei Haare in zwei Reihen hat, dann sage ich schon: Also Tina Turners Lockenmähne kriegen wir jetzt nicht hin, alles andere vielleicht schon.“

Doch wie rettet Frau die Frisur durch den Lockdown, ohne minutenlang mit gefühlt 20 Bürsten zaubern zu müssen? Und was kann Mann tun? „Grundsätzlich muss ich natürlich zu Geduld raten, bis wir Fachleute wieder ans Werk dürfen“, sagt der 49-Jährige.

Ein paar Tipps verrät er aber:


… über Kurzhaarschnitte bei Männern
Unangenehm fühle es sicher immer an, wenn das Haar rund um die Ohren und im Nacken zu lang gewachsen sei. „Ich rate dann dazu, mit einem Bartschneider vorsichtig die Konturen zu stutzen. Bitte nicht schnell hochscheren, das geht gern daneben.“ Vorsicht sei auch geboten, wenn die Frau oder Freundin wohlmeinend mit der Schere anrücke. „Achtung: Papier- und Nähscheren schneiden anders. Vor allem schneiden sie ganz anders ab!“, sagt der Fachmann, der selbst erst vor Kurzem rund 1400 Euro in eine spezielle Haarschneideschere eines japanischen Herstellers investiert hat. „Das ist natürlich ein Profiwerkzeug, eine langfristige Investition. Aber auch für zu Hause gilt: Wenn Schere, dann bitte eine Haarschneideschere. Davon gibt es Modelle in allen Preisklassen.“ Männer mit (mittlerweile) längerem Haar könnten zudem ein bisschen mit Styling-Produkten experimentieren: „Ins feuchte Haar rein und dann in Form föhnen.“ Falls das alles frustriere: Sich David Beckham zum Vorbild zu nehmen gehe immer. „Dann muss man selbstbewusst sagen: Das ist metrosexuell, das trägt man jetzt so.“

… über Schnitt/Farbe bei Damen
„Ein schön frisierter Zopf oder ein Pferdeschwanz, am besten tief im Nacken gebunden, sieht immer gepflegt aus“, sagt der gebürtige Hamburger, der auf der Uhlenhorst aufgewachsen ist und heute in Hoheluft lebt. Frauen mit langem Haar hätten natürlich mehr Variationsmöglichkeiten als jene mit Kurzhaarfrisuren. „Schön bei langem Haar: locker flechten, dann das Ende am Hinterkopf feststecken und die Haare locker auseinanderziehen. Nennt sich Skorpionsschwanz.“ Und sieht nicht so gefährlich aus, wie es klingt. Falls der Pony rausgewachsen sei, empfiehlt der Friseurmeister, der auch ausgebildeter Make-up-Artist ist, die Haare leicht einzudrehen und an einer Seite festzustecken. Bei der Pflege dürfe man ruhig mal Trockenshampoos ausprobieren, die derzeit eine wahre Renaissance im Regal erleben.

„In den 90er-Jahren galt: Es muss schäumen, bis der Arzt kommt. Davon ist man längst weg, auch weil bewiesen ist, dass eine tägliche Haarwäsche gar nicht unbedingt so gesund ist.“ Trockenshampoo, sofern es auf einer „feinen Rezeptur“ basiere, eigne sich als Haar-Deo und Volumenspray. Doch was, wenn die Farbe weicht und das Haar grau ist wie an manchen Tagen das Hamburger Januarwetter? „Ich würde meinen Friseur des Vertrauens nach dem exakten Farbton fragen“, sagt Jan-Mark Heuer. „Vorm Drogerieregal wird man ja irre: espressobraun? Mahagoni? Dunkelbraun? Am Ende passt es nie, und irgendwann stehen die Kundinnen dann wieder im Salon und rufen: Bitte rette mich.“ Deshalb rühre er seinen Stammkundinnen die persönliche Farbe an. „Die Kundinnen rücken dann mit einem Marmeladengläschen an, ich fülle das alles hygienekonform und auf Abstand ab, und wer möchte, darf gern noch ein Farbschälchen, Pinsel und Handschuhe mit nach Hause nehmen.“ Dieser Service werde von seinen Kundinnen sehr geschätzt.

„Persönlichkeit, Herzlichkeit, Ehrlichkeit – das macht uns kleine Läden doch aus“, sagt Heuer, der bei laufender Miete und anderen Kosten nur durch diese Krise komme, weil er, wie er sagt, in den vergangenen 20 Jahren vernünftig gewirtschaftet habe. Vor einem wichtigen Zoom-Meeting könne Frau auch Ansatzfarbsprays benutzen, wie es sie von verschiedenen Marken in jeder Drogerie gebe. Tipp für Dunkelhaarige: „Ein bisschen Mascara deckt graue Härchen auch mal kurzfristig prima ab.“

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… über Kinderfrisuren
„Zu Unrecht immer belächelt“, sagt der Experte, der seit neun Jahren – auch im Salon – Hündin Dorie an seiner Seite hat. „Denn je kleiner der Kopf, desto schwieriger umzusetzen ist jede Technik.“ Kinderhaarschnitte seien damit besonders herausfordernd. „Deshalb bitte Vorsicht an die Eltern: Sonst haben wir in zehn Jahren wieder Kunden mit Pony-Trauma, die immer noch Angst haben vor dem berüchtigten Pottdeckel-Schnitt.“ Das Kind – möglichst ausgepo-
wert – ablenken und dann „in mehreren kleinen Schritten kleine Schnitte“ ausführen. Vorteil für Mädchen mit längerem Haar: „Da kann man schön variieren, von den Pippi-Langstrumpf-Zöpfen über den Anna/Elsa-Flecht-Look bis zum Mickymaus-Knödel. Da gibt es auch im Netz viele Anregungen.“ Ein Stirnband oder ein schöner Haarreif könnten außerdem alles retten. Schon heute freut sich Heuer auf den Tag, an dem er in seinem Salon wieder Kunden – bis zu 30 am Tag waren es in normalen Zeiten – begrüßen darf. „Friseur, das ist für mich kein Job. Das ist meine Berufung.“

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