kreis segeberg. Viele Salons im Kreis Segeberg kämpfen ums Überleben. Manche weichen in die Schwarzarbeit aus
Die Wände sind neu gestrichen, die Lampen ausgetauscht, die Haarprodukte in die Regale geräumt: Antonia Gronau kann es kaum erwarten, endlich ihren eigenen Friseursalon zu eröffnen. "Das ist ein tolles Gefühl. So langsam fange ich an zu realisieren, dass der Laden nun mir gehört", sagt die 23-Jährige und streichelt mit der Hand über den Empfangstresen. Bis sie hier Kunden begrüßen kann, muss sich Antonia Gronau allerdings noch bis mindestens Mitte Februar gedulden.
Die Friseurmeisterin hat mitten im Lockdown den Salon ihrer ehemaligen Chefin in Henstedt-Ulzburg übernommen. Zwei Jahre lang hat sie hier bereits gearbeitet, ein Jahr als Salonleiterin. "Meine Vorgängerin hat mich Ende November gefragt, ob ich Lust hätte, den Laden zu übernehmen", erzählt Gronau. Sie hat schon immer davon geträumt, sich selbstständig zu machen. Diese Chance wollte sie sich nicht entgehen lassen. Eineinhalb Wochen hat sie über das Angebot nachgedacht und schließlich entschieden: "Wenn nicht jetzt, wann dann." Auch Corona könne sie nicht stoppen, sagt Gronau. "Ich bin eine Kämpferin."
Den Friseursalon an der Wilstedter Straße gibt es seit fast zwölf Jahren. Stammkunden rufen Antonia Gronau täglich an und wollen Termine reservieren für die Zeit nach dem Lockdown. "Jeden Tag sprechen mir fünf bis zehn Leute auf den Anrufbeantworter. Das freut mich natürlich sehr." Die Haare wachsen, der Andrang nach Aufhebung der Maßnahmen ist Gronau garantiert. Die Inhaberin des "Salon Antonia" hatte aber gehofft, schon früher ihre Arbeit aufnehmen zu dürfen. Sie kann nicht verstehen, dass Friseure weiterhin schließen müssen. "Wir arbeiten mit all den Hygieneauflagen, die wir bekommen haben. Wir haben Trennwände zwischen den Plätzen, wir achten auf alles", betont Gronau. Für die bereits existierenden Läden sei das ein Schlag ins Gesicht. "Ich habe das Glück, dass ich mich auf die Situation einstellen konnte. Ich wusste, worauf ich mich einlasse." Finanziell kommt Antonia Gronau vorerst über die Runden. "Aber nur, wenn der Lockdown nicht mehr allzu lange dauert."
Während Gronau sehnsüchtig darauf wartet, anfangen zu dürfen, kämpfen viele der rund 600 Friseure im Kreis Segeberg um ihr Überleben. "Die Lage ist sehr kritisch. Einige Salons wissen nicht, ob sie den Februar überstehen", berichtet Monika Engling, Obermeisterin der Friseur-Innung Mittelholstein. "Wenn der Lockdown nicht am 14. Februar endet, werden viele Kollegen vorzeitig dicht machen, ehe sie Insolvenz anmelden müssten." Friseursalons bräuchten dringend "schnelle und unbürokratische Hilfe". Die Anträge für die so wichtige Überbrückungshilfe III, die Friseuren Zuschüsse zu ihren Fixkosten verspricht, können seit Donnerstag gestellt werden. "Die Steuerberater werden nun überrannt", sagt Monika Engling. Sie vermutet, dass es lange dauern wird, bis die Hilfe tatsächlich ausgezahlt wird. Ähnlich verhält es sich beim Kurzarbeitergeld. Die Salons legen für ihre Angestellten das Kurzarbeitergeld aus. Doch die Arbeitsagenturen sind so überlastet, dass es mehrere Wochen dauern kann, bis der Betrag erstattet wird.
"Beim ersten Lockdown haben wir erst nach zehn Wochen Geld erhalten", berichtet Sibylle Adamczyk, die gemeinsam mit ihrem Mann Peter seit 21 Jahren einen Salon in Norderstedt an der Ochsenzoller Straße betreibt. "Wir wollen unseren Laden wieder öffnen", fordert Adamczyk. Wie die meisten anderen Friseure kann sie nicht nachvollziehen, warum sie nicht arbeiten darf. "Wir haben alles getan, was man nur tun kann. Wir halten Abstand, arbeiten nur mit maximal drei Leuten, obwohl wir Plätze für zehn Kunden hätten." Die Hygienemaßnahmen hätten zu Umsatzverlusten von monatlich bis zu 15 Prozent geführt. "Die Schließung ist für viele Friseure der Genickbruch."
Aus der Not heraus schneiden einige Friseure nun zu Hause ihren Kunden die Haare - illegal. Denn Hausbesuche während des Lockdowns sind verboten. "Schwarzarbeit gab es schon immer. Die Politik hat die Tür nun weiter geöffnet. Weil sie ihre Läden schließen müssen, greifen Kollegen zu unfairen Mitteln", sagt Obermeisterin Monika Engling, die ein Geschäft in Bad Segeberg führt. Ob Friseure bei Hausbesuchen die Hygienestandards ebenso gut wie im Salon einhalten, zweifelt sie an.
In den "Kieler Nachrichten" berichtet Hartmut Klotz, Obermeister der Kieler Friseur-Innung, von "unmoralischen Angeboten", die Kollegen erhalten würden. "Eine Mitarbeiterin wurde von einer Familie mit zwei Kindern gefragt, ob sie für 500 Euro einen Hausbesuch mache", sagt Klotz. Von solchen Fällen hat Monika Engling bisher noch nichts gehört. "Mich haben Kunden auch schon höflich gefragt, ob ich ihnen die Haare zu Hause schneiden würde. Sie hatten Verständnis, dass ich abgelehnt habe."