Hamburg. 2021 wurden weniger Radfahrer gezählt als noch 2020. Wie sich die Mobilität auf den Straßen in der Pandemie veränderte.

Die Corona-Krise hat den Verkehr auf Hamburgs Straßen und Radwegen auch im Jahr 2021 deutlich gegenüber der Zeit vor der Pandemie verändert. Im vergangenen Jahr hat das gemessene Verkehrsaufkommen gegenüber 2020 noch einmal deutlich abgenommen – diesmal allerdings auch beim 2020 noch stark gewachsenen Radverkehr.

Es wurden 2021 jeweils acht Prozent weniger Kraftfahrzeuge und Radfahrer registriert als im ersten Jahr der Pandemie. Das ergibt sich aus aktuellen Daten der automatischen Verkehrszählung, die Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) am Freitag vorstellte.

Verkehr Hamburg: Weniger Radfahrer wegen Witterung?

Die Gründe dafür, dass der Radverkehr trotz aller Bemühungen zum Ausbau Hamburgs zu einer Fahrradstadt 2021 genauso stark zurückging wie der Autoverkehr, sind offenbar nicht ganz klar. Tjarks betonte auf Nachfrage, dass 2021 eben das erste volle Pandemiejahr mit einem insgesamt deutlich zurückgehenden Verkehr gewesen sei. Möglich seien aber auch Witterungseffekte – der Sommer 2021 war nicht so sonnig und trocken wie der des Jahres 2020. Der langfristige Trend zeige aber eine kontinuierliche Zunahme des Radverkehrs, ebenso stetig gehe der KfZ-Verkehr seit Jahren zurück – trotz immer neuer Anmelderekorde bei Pkw.

 Vergleicht man die Daten von 2021 dagegen nicht mit dem Vorjahr, sondern mit dem Vor-Coronajahr 2019, so lässt sich eine ganz andere Entwicklung für den KfZ- und Fahrradverkehr beobachten. Der Radverkehr nahm demnach 2021 um 23 Prozent gegenüber 2019 zu, der Kfz-Verkehr auf Hamburgs Stadtstraßen ging um 19 Prozent zurück.

Radwege Hamburg: Ausbauziel für 2021 nicht erreicht

Nicht optimal lief es 2021 auch beim Ausbau des Radwegenetzes. Insgesamt 56 Kilometer Radwege wurden laut Verkehrsbehörde neu gebaut oder saniert. Im rot-grünen Koalitionsvertrag ist ein Ziel von 60 bis 80 Kilometern pro Jahr genannt. 2020 war dieses mit einem Ausbau von 62 Kilometern noch erreicht worden – der bisher größten neu gebauten Strecke. Für die Jahre 2015 bis 2019 lag der Wert bei durchschnittlich 35,4 Kilometern. Dass das im Koalitionsvertrag gesetzte Ziel 2021 nicht erreicht wurde, hänge auch damit zusammen, dass Hamburg aufgrund der Einigung mit der Volksinitiative zum Radverkehr nun deutlich mehr geschützte und vom Autoverkehr abgesetzte Radwege baue, sagte der Verkehrssenator. Das erfordere eine intensivere Planung.

Zu den 2021 neu gebauten Radverkehrsanlagen zählen laut Verkehrsbehörde die baulich vom KfZ-Verkehr getrennten sogenannten „Protected Bike Lanes“, die unter anderem in der Harburger Straße (Bezirk Harburg), am Sander Damm (Bezirk Bergedorf), in der Stormarner Straße (Bezirk Hamburg-Nord) und an der Esplanade (Bezirk Mitte) fertig gestellt worden seien. Solche vom Kfz- und Fußverkehr abgesetzten Radstreifen sollten künftig in Hamburg noch häufiger zum Einsatz kommen, um das Sicherheitsgefühl der Radfahrer zu stärken, so Tjarks.

 Von 2000 bis 2019 Zunahme des Radverkehrs in Hamburg

Mit rund 22,2 Kilometern entfiel der größte Teil der ausgebauten Radstrecken 2021 auf die bisher gängigen, nicht extra geschützten Radfahrstreifen auf Straßen. Es folgen Radwege mit etwa 14,6 Kilometern, (nur gestrichelt abmarkierte) Schutzstreifen mit 5,9 und Fahrradstraßen mit etwa 3,8 Kilometern. Die baulich getrennten „Protected Bike Lanes“ wurden 2021 lediglich in einer Gesamtlänge von 1,1 Kilometern in Hamburg errichtet. Mittlerweile sind mit 195 Kilometern rund 70 Prozent der geplanten Velorouten ausgebaut. Bei den Fahrradstellplätzen erreichte Hamburg 2021 mit jetzt 25.200 Bike+Ride-Plätzen einen neuen Höchststand. 1025 neue Plätze wurden im vergangenen Jahr neu errichtet.

„2021 war das zweitstärkste Fahrradjahr in Hamburg überhaupt – sowohl was die Zahl der Radfahrenden angeht, als auch beim Ausbau der Radinfrastruktur“, sagte Verkehrssenator Tjarks bei der Vorstellung der Zahlen. „2021 war das erste Jahr, in dem sich die Corona-Pandemie vollständig über das gesamte Jahr auf die Mobilitätszahlen ausgewirkt hat.“ Das Ausmaß der Veränderungen sei „zweifellos der Pandemie geschuldet“, so Tjarks. „Gleichzeitig bedeuten die Zahlen aber auch die Beschleunigung eines langfristigen Trends: Schon von 2000 bis 2019 hat sich der Radverkehr in Hamburg um rund 80 Prozent erhöht, während der Kfz-Verkehr auf den Stadtstraßen im selben Zeitraum um rund sieben Prozent zurückgegangen ist."

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Verkehr Hamburg: Nabu sieht Entwicklung weniger optimistisch

Der Senat wolle „diese Entwicklung zu einer Mobilitätswende politisch weiter fördern und so gut wie möglich verstetigen“, so Tjarks. „Eine wichtige Rolle spielt hierbei auch das Bündnis für den Rad- und Fußverkehr. Die sehr gute Zusammenarbeit mit allen Bezirken und den vielen Bündnispartnern hat es möglich gemacht, so viele Radkilometer neu zu bauen und zu sanieren wie erst einmal zuvor. Die hervorragende Entwicklung der vergangenen beiden Jahre wollen wir fortsetzen und idealerweise weiter steigern. “

Nicht so durchweg optimistisch sieht der Hamburger Vorsitzende des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu), Malte Siegert, die Entwicklung. „Die langjährigen Trends zum Rückgang des Autoverkehrs und zur Zunahme des Radverkehrs sind eindeutig und begrüßenswert. Allerdings steigen die Kfz-Zulassungszahlen seit Jahren stetig an“, sagte Siegert. „Wenn sich beide Trends fortsetzen, erstickt Hamburg irgendwann in Blechkisten, die ungenutzt am Straßenrand stehen. Auch auf diese Entwicklung muss ein Mobilitätswende-Senator Antworten haben.“ Hamburg müsse den öffentlichen Raum zugunsten klimafreundlicher Verkehrsträger neu aufteilen, mehr Aufenthaltsqualität schaffen und auch der Natur ihren Raum in der Stadt geben, so Siegert. „Die Fläche für den Autoverkehr muss dafür konsequent verknappt werden.“

Verkehr Hamburg: CDU sieht "desolate Bilanz" des Senators

CDU-Verkehrspolitiker Richard Seelmaecker sieht die Zahlen als Beleg für grundsätzliche Versäumnisse des grünen Verkehrssenators. „Senator Tjarks hat heute zur Vorstellung der Mobilitätszahlen und des Radewegeausbaus 2021 eingeladen – nur mitgebracht hat er wenig bis nichts", so Seelmaecker. "Weder wurden Zahlen für den öffentlichen Nahverkehr präsentiert, noch konnte der Senator Auskunft über den so wichtigen Ausbau unserer Straßen geben. Und auch beim Kernthema grüner Verkehrspolitik, dem Ausbau von Hamburgs Fahrradwegen, verfehlt der Senat selbst sein Minimalziel von 60 Kilometer erneut deutlich."

Zusammen mit dem "schlechten Management des Verkehrs in der Hansestadt, der aggressiven Anti-Autofahrer Politik und eines ächzenden öffentlichen Nahverkehrs" führe dies "zu einer insgesamt desolaten Bilanz für Verkehrssenator Tjarks", so Seelmaecker. "Der Senat muss hier nachbessern und seine Verkehrspolitik endlich an der Lebensrealität der Menschen orientieren und nicht wie bisher ausschließlich an der einer kleinen grünen Elite. Dafür müssen neben dem Ausbau der Radwege gerade auch Parkraum für den Wirtschaftsverkehr und E-Ladesäulen in der ganzen Stadt geschaffen sowie die Vorteile der Digitalisierung bei der Steuerung des Verkehrs genutzt werden.“