Hamburg. Tausende paddeln auf Hamburgs Gewässern – und beeinträchtigen die Umwelt. Woran sich Freizeitkapitäne halten sollten.
Kaum scheint die Sonne, reiht sich auf der Alster Boot an Boot. Zwischen Kanuten und Ruderinnen gleiten Stand-up-Paddler über das Wasser. Am Ufer pumpen Freizeitkapitäne ihre Schlauchboote auf, bahnen sich ihren Weg durch das Schilf ins Wasser... Was nach sorglosem Sommerspaß klingt, ist längst zum Problem geworden: Flora und Fauna ziehen sich an manchen Stellen zurück. Betroffen sind unter anderem die Schilfpflanzen am Alsterufer. Auch Biotope drohen abzusterben. Das versetzt die Teichhühner, Stockenten und Höckerschwäne in Stress.
Ganze Lebensräume könnten durch das bunte Treiben zerstört werden, sagt der Biologe Wolfram Hammer vom Landesverband des BUND Hamburg. Das Ausmaß sei schon im Kleinen zu erkennen: „Ist ein Schilfhalm geknickt, wird aus ihm nichts mehr – und wenn die Pflanze abstirbt, kann die Nachbarpflanze auch abfaulen. Dann entstehen Löcher im Schilf und die Röhrichtzonen gehen kaputt.“ Damit soll nun Schluss sein. Die Initiative „Lebendige Alster“ hat in der vergangenen Woche Pflanzeninseln in den Röhrichtzonen angebracht, ein Projekt des BUND Hamburg, der Aktion Fischerotterschutz und des NABU Hamburg.
Blutweiderich und Schwertlilien blühen im Frühjahr
Die Inseln schwimmen am Alsterufer und füllen die Lücken zwischen den Steinwällen mit Pflanzen. Auf den Inseln wachsen Großeggen, im Frühjahr blühen Blutweiderich und Schwertlilien. Ihre Wurzeln bieten Jungfischen und anderen Kleintieren einen neuen Lebensraum. So sollen die Inseln die schilfartige Flora und auch die Fauna in den Flachwasserzonen vor Wassersportlerinnen und -sportlern schützen.
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Aber reicht das? Aus der Stress für Flora und Fauna? Nein, sagt Hamburgs Schwanenvater Olaf Nies. Der gelernte Jagdreviermeister hat mitgeholfen, die Inseln anzubringen und kümmert sich im Auftrag des Bezirksamts Hamburg-Nord um die Alsterschwäne, fährt auch Tierschutzstreife. Nies behält dabei die Flora und Fauna im Blick.
Grünstreifen am Ufer gehen zurück
Seit Monaten, vielleicht Jahren beobachtet er, wie die Grünstreifen am Ufer zurückgehen. Schuld sind Menschen, die ihre Boote und Boards dort aufpumpen und ins Wasser ziehen – an Stellen, die eigentlich weder als Steg noch Anleger dienen. Wird sich daran nichts ändern, rechnet Schwanenvater Nies damit, dass an Böschungen nur noch „Sandkanten“ zurückbleiben werden. Das bedeutet: noch weniger Lebensraum für die Alstertiere.
Die Umweltbehörde möchte den Trend nun mit einer Karte ausbremsen. Abgebildet sind Biotope, die mit einem Abstand von fünf Metern zu umfahren sind. Punkte markieren öffentliche Stege, zum Beispiel am Kaiser-Friedrich-Ufer, an der Barmbeker Straßenbrücke und am Harvestehuder Weg südlich der Krugkoppelbrücke. Die Karte soll dabei helfen, dass Schlauchbootfahrer und Stand-Up-Paddler ihre Fahrzeuge nicht mehr durch Büsche und Hecken tragen.
Schwanenvater Nies: Tiere werden „massiv“ beeinträchtigt
Darunter leidet nämlich nicht nur die Flora, sondern auch die Fauna. Schwanenvater Nies sagt, alle Tiere würden „massiv“ durch den Andrang auf der Alster beeinträchtigt. Entenfamilien würden auseinandergetrieben. Die Jungen fänden im Zweifel nicht zur Mutter zurück. Doch das Verhalten Einzelner stuft der Schwanenvater nicht als das eigentliche Problem ein. „Ich will nicht mit dem Finger auf Stand-Up-Paddling-Bretter (SUP), Schlauchboote oder andere Fahrzeuge zeigen. Darum geht es nicht“, sagt er, „es geht vielmehr um den hohen Ansturm auf das Wasser.“ Dieser ist ihm zufolge kaum tragbar:
Luftboote mit Sprungschanzen würden ganze Kanalabschnitte blockieren. Zu Extremzeiten lägen Kanus, Boards und Schlauchboote dicht an dicht, teilweise mit nur einer Handbreit Platz dazwischen. „Wie soll das Tier denn da ausweichen? Es kann höchstens auf einem SUP mitfahren.“ Deshalb würden Enten, Schwäne und andere Wassertiere ganze Kanalabschnitte meiden, etwa am Osterbek- oder Goldbekkanal. „Der Stress ist für die Tiere zu groß. Deshalb geben sie ihr Gelege auf und kommen über Wochen nicht zurück.“ Dass sich die Alstertiere bald an den Andrang gewöhnen, hält Nies für ausgeschlossen.
Umweltbehörde bittet um rücksichtsvolles Miteinander
Den Wasserspaß will er trotzdem nicht verbieten. Stattdessen suchen er, das Bezirksamt Nord und die Umweltbehörde den Kontakt zu den Menschen auf dem Wasser. „Wir wollen vor Ort die Probleme ansprechen, ein Verständnis schaffen und dadurch erreichen, dass wir mehr Rücksicht aufeinander nehmen – ohne neue Verordnung für Freizeitsportler. Es soll ja auch Spaß machen.“ Würde das Vorhaben nicht gelingen, könnten allerdings Maßnahmen folgen, um den Verkehr zu entzerren. Konzepte lägen vor.
Regeln und Tipps
- Damit die Alster ein Erlebnis- und Naturparadies bleibt, nennt die Hamburger Umweltbehörde Regeln und Tipps zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt: Wassersportlerinnen und -sportler müssen auf die Alstertiere und Pflanzen Rücksicht nehmen. Naturbelassene Uferanlagen, Nistplätze, Biotope und Flachwasserzonen dürfen weder betreten noch befahren werden. Es ist daher nicht gestattet, in diesen Zonen mit Booten und Boards anzulegen.
- Geschützte Orte und Tiere sollten möglichst mit einem Abstand von fünf Metern umfahren werden. Eine Stadtkarte der Umweltbehörde kennzeichnet die geschützten Biotope an den Gewässern und steht auf abendblatt.de zum Download bereit. Sie enthält auch eine Übersicht aller öffentlichen Ein- und Ausstiegsstellen. Wer keinen Privatanleger nutzt, sollte sein Fahrzeug dort ins Wasser tragen.
- Sind keine Verbotsschilder am Ufer angebracht, ist Baden grundsätzlich erlaubt. Allerdings rät die Behörde vom Schwimmen ab – zum Schutz der Tiere und Pflanzen, aber auch wegen einer möglichen Kollision mit anderen Booten. Es könnte außerdem wieder zu einer Massenentwicklung gesundheitsschädlicher Blaualgen kommen. Die wichtigen Verkehrsregeln können auf auf abendblatt.de nachgelesen werden.
Doch wie berichtet, sieht die Umweltbehörde aktuell keinen Anlass für neue Vorschriften und Regulierungen. Auf die Frage, ob an sonnigen Tagen von einer Bootstour auf der Alster abzusehen sei, antwortet Sprecher Björn Marzahn mit „nein“, verweist aber auf die allgemeinen Regeln für ein rücksichtsvolles Miteinander auf dem Wasser. Im Herbst könnten konkretere Aktionen oder Maßnahmen folgen. Das hatte die Behörde bereits Anfang Juli vage in Aussicht gestellt. Bis dahin bleibt offenbar alles, wie es ist – auch der Stop-and-Go-Verkehr auf den Kanälen.