Hamburg. Stadt stoppt Schwund ihrer Straßenbäume. Doch die sind großem Stress ausgesetzt. Für die Kastanien sieht es schlecht aus.
Erstmals seit Jahren ist es der Stadt Hamburg im vergangenen Jahr gelungen, den Rückgang bei der Zahl der Straßenbäume zu stoppen. Während es zwischen 2012 und 2019 durchweg mehr Fällungen als Pflanzungen gegeben hatte, gab es 2020 nach der noch vorläufigen Prognose ein Plus von 176 Bäumen im Bestand. Das teilte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Dienstag im Rathaus bei der Vorstellung der aktuellen Baumbilanz mit.
Hamburg hat zwar mit rund 224.000 Straßenbäumen nach Angaben der Umweltbehörde unter den deutschen Großstädten noch den höchsten Bestand an Straßenbäumen pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: Hamburg hat etwa 132 Straßenbäume auf 1000 Einwohner, in Berlin sind es 123, in Leipzig 111 Bäume, in München 74 und in Köln 69 Bäume. Aber auch in der Hansestadt sind die Bäume durch Krankheiten, Stürme, Trockenheit, Baumaßnahmen und Versiegelung an vielen Stellen gefährdet.
Stürme, Hitze, Straßenbau gefährden viele Straßenbäume
„Bäume sorgen für Lebensqualität in der Stadt. Sie bieten Lebensraum für Tiere, spenden Schatten und speichern CO2“, sagte Umweltsenator Kerstan. „Wir haben seit 2015 den Baumschwund deutlich abgebremst und das Defizit zwischen Fällungen und Pflanzungen an den Straßen liegt jetzt fast bei null. Das ist ein Erfolg. Dies zu erreichen war ein Kraftakt, und der Erhalt des Bestands bleibt eine Herausforderung. Stürme und Hitze, Trockenheit und Baumkrankheiten, Straßenbau und die wachsende Stadt bedeuten Stress und gefährden viele unserer rund 224.000 Straßenbäume“, so Kerstan.
Der Schutz und die Pflege der Bäume koste Anstrengung und auch Geld. „Gemeinsam mit Bezirken, Bürgerschaft, Behörden und Bauträgern werden wir alles tun, um die Bäume als lebenswichtige Ressource unserer Stadt zu schützen und zu erhalten. Geraden den Altbäumen gilt dabei unser Augenmerk.“
Sturmtief Xavier und Herwart: 620 Straßenbäume Totalschaden
Die Ursachen für den jahrelangen Rückgang im Bestand sind vielfältig. Dazu gehören Krankheiten und Schädlinge (etwa die „Kastanienkomplexerkrankung“ oder holzzerstörende Pilze) oder Sturmschäden. So fielen 2017 den Sturmtiefs Xavier und Herwart 620 Straßenbäume zum Opfer, die laut Behörde als „Totalschaden entfernt werden mussten“.
Hinzu kommen die zunehmende Trockenheit durch den Klimawandel oder „Nutzungskonflikte“, wenn Bäume etwa großen Baumaßnahmen weichen müssen, wie zum Beispiel dem Bau der U4, U5 oder S4, dem Veloroutenausbau, dem Wohnungsbau oder der Instandsetzung von Straßen. Fällungen in Grünanlagen seien dagegen oft reine Pflegemaßnahmen, betont die Umweltbehörde. Diese gingen auch nicht in die Straßenbaumstatistik ein.
Hamburg droht Kastaniensterben an den Straßen
Neben den Straßenbäumen, die alle in einem Online-Kataster erfasst und für jeden einsehbar sind, gibt es in Hamburg geschätzt 600.000 Bäume in Hamburgs Parks und Grünanlagen. Hinzu kommen etwa eine Million Bäume auf Privatgrund.
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Bei den Baumkrankheiten spielt die „Ulmenkrankheit“ eine wichtige Rolle, gegen die die rund 2000 Hamburger Ulmen geimpft werden. Sehr schlecht sieht es laut Umweltsenator Kerstan für die Kastanien aus. Diese seien europaweit von der Komplexerkrankung Pseudomonas befallen, gegen die es kein Gegenmittel gebe. „In Hamburg droht der Komplettverlust der noch etwa 6000 Kastanien an den Straßen“, so Kerstan. „Wir pflanzen auch keine Kastanien mehr, weil sie binnen weniger Jahre sterben. Darauf müssen wir uns leider einstellen.“
Kerstan: Schaffen es, den Baumbestand stabil zu halten
Bessere Nachrichten gibt es aus den Hamburger Wäldern: Der Anteil der Holzmasse ist laut Umweltbehörde von 2009 bis 2019 um mehr als 30 Prozent gestiegen.
„Die Wälder entwickeln sich in der Summe ganz gut“, so Kerstan. Alte Bäume seien besonders wichtig für das Stadtklima. Insgesamt zog der Umweltsenator, trotz aller Probleme, eine positive Bilanz: „Trotz schwieriger Bedingungen schaffen wir es, den Baumbestand stabil zu halten.“
CDU kritisiert: 8759 Bäume gefällt und nicht nachgepflanzt
Die CDU hat Kerstan derweil vorgeworfen, mit unvollständigen Zahlen zu operieren, um das Bild zu schönen. "Die CDU-Fraktion begrüßt, dass endlich mehr Straßenbäume gepflanzt als gefällt worden sind“, sagte CDU-Umweltpolitiker Sandro Kappe. „Jedoch gehören laut Senat zu den wesentlichen Elementen des Hamburger Baumbestandes sowohl Bäume des öffentlichen Grüns, Straßenbäume, Wälder als auch Bäume auf privatem Grund.“
Und hier sehe die Bilanz ganz anders aus. „Seit 2015 wurden unter dem rot-grünen Senat, trotz des positiven Wertes bei den Straßenbäumen in den Jahren 2019 und 2020, 11,7 Hektar Wald und mindestens 8759 Bäume (3299 Straßenbäume, 2059 Bäume in Grünanlagen sowie 3401 Bäume auf Privatgrund) gefällt und nicht nachgepflanzt“, sagte Kappe unter Bezug auf unterschiedliche Senatsangaben, die er zusammengerechnet habe.
„Eine Betrachtung des Baumbestandes, die sich ausschließlich auf Straßenbäume bezieht, ist, wie Umweltsenator Kerstan stets so schön sagt, ‚unterkomplex‘. Es bringt niemandem etwas, wenn nur die Straßenbäume nachgepflanzt werden, aber gleichzeitig eine unzureichende Nachpflanzung in Grünanlagen und Wäldern erfolgt.“ Die CDU-Bürgerschaftsfraktion habe bereits im vergangene Jahr eine feste Nachpflanzungsquote gefordert.
BUND fordert Entsiegelung von Flächen
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) forderte den Senat auf, mehr Platz für Bäume zu schaffen. "Der Trend stimmt, der Nettoverlust bei den Straßenbäumen ist erstmalig seit langer Zeit gestoppt. Aber ohne Flächenentsiegelung wird der Verlust von mehr als 8000 Straßenbäumen in den letzten zehn Jahren nicht zu kompensieren sein, es müssen wieder mehr Bäume in die Stadt", sagte Hamburgs Landeschef Manfred Braasch.
So sollten etwa Parkplätze entsiegelt und für das Baumpflanzen genutzt werden. Auch im Hafen verliere Hamburg "jedes Jahr massiv an Bäumen".