Hamburg. Die alte, denkmalgeschützte Remise am Halbmondsweg wurde fachgerecht restauriert und neu belebt. So sieht es vor Ort aus.
Es ist eines der schönsten und ungewöhnlichsten Gebäude Hamburgs: die halbkreisförmige Remise an der Ecke Elbchaussee/Halbmondsweg. Bis vor wenigen Monaten wurde das zitronengelbe Haus mit der markanten Uhr aufwendig renoviert, nun strahlt es im neuen beziehungsweise alten Glanz und ist wieder von Leben erfüllt. Das Abendblatt durfte sich in dem umgangssprachlich als Halbmond(s)haus bezeichneten Gebäude umsehen und die eindrucksvollen Veränderungen vor Ort dokumentieren.
Treffen mit Dr. Sebastian Giesen, Geschäftsführer der Hermann Reemtsma Stiftung, die seit Jahren erfolgreich kulturelle und soziale Projekte in Nord- und Teilen Ostdeutschlands fördert. Im Jahr 2018 hatte sie das stark renovierungsbedürftige, denkmalgeschützte Halbmondhaus erworben, um es instand setzen zu lassen und so für die Nachwelt zu erhalten.
Hermann Reemtsma Stiftung nicht operativ tätig
Die Stiftung mit Sitz im Nienstedtener Elbschlösschen, arbeitet normalerweise nicht „operativ“ als Eigentümerin, sondern sie unterstützt die Projekte anderer finanziell. Das Halbmondhaus ist eine Ausnahme, ebenso wie das Dehmelhaus in Blankenese.
„Wir sind froh, dass wir so gut durch die Coronazeit gekommen sind und die Bauarbeiten trotz der schwierigen Rahmenbedingungen punktgenau abgeschlossen werden konnten“, sagt Giesen. Beim Betreten der historischen Anlage ist ihm die Freude über das gelungene Projekt anzumerken. „Man kann schon sagen, dass es jedes Mal ein besonderer Moment ist, hierher zu kommen“, sagt Giesen beim Gang durch das weiß lackierte Gartentor, „und ja, unser Stiftungsteam kann glücklich und mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein“.
Kompletter Dachstuhl erneuert
Vor genau einem Jahr hatte das Abendblatt-Team das Haus schon einmal besichtigt – seinerzeit eine wuselige Baustelle. So vieles war damals zu tun, dass wohl nur Optimisten mit einer derart schnellen und vor allem erfolgreichen Sanierung – unter Federführung von KlausundSchulz-Architekten – rechnen konnten. Wo damals Wände völlig frei gelegt und Stilelemente abgebaut waren, Träger neu eingezogen werden mussten, Kabel und Rohre offen durch die Räume liefen, sieht heute alles fantastisch aus.
Auch der wohl aufwendigste Teil des Projekts ist geglückt: Bei Untersuchungen hatte sich gezeigt, dass das Dach durch die jahrzehntelange Behandlung mit Chemikalien gegen Fäulnis und Insekten so stark belastet war, dass eine bloße Renovierung nicht mehr in Frage kam. Nicht nur das Reet musste dann ausgetauscht, sondern der komplette Dachstuhl völlig neu aufgebaut werden.
Hamburger Gebäude strahlt in neuem Glanz
Jetzt strahlt das Dach wieder in sattem, frischem Gold-Gelb und zwar so schön, wie das höchstens unmittelbar nach der Fertigstellung anno 1796 der Fall gewesen sein dürfte. Prüfungen hatten übrigens unter anderem ergeben, dass das Haus, dessen Besitzer und Nutzer im Laufe der Jahrzehnte immer wieder wechselten, mindestens achtmal in verschiedenen Farben neu gestrichen worden war.
Der Gesamteindruck heute: ein Traum. Das hohe Portal, einst eine Durchfahrt für Wagengespanne, bildet jetzt die von zwei Seiten zugängliche Empfangshalle der Vega Reederei, Mieterin der schönen Räume. Die Reederei blickt auf eine mehr als 100-jährige Geschichte zurück, und man könnte sich auch vorstellen, dass sie schon immer an diesem Ort zu Hause war.
Auch Garagen stehen unter Denkmalschutz
Mitten im Raum, der mit großen historischen nautischen Geräten dekoriert ist, schaltet und waltet Empfangsdame Edith Matula, in den beiden angrenzenden Flügeln befinden sich luftig-elegante Großraumbüros. „Ich arbeite sehr gerne an diesem Ort“, sagt Edith Matula, „und der Anblick des Ensembles ist jeden Tag wieder aufs Neue schön.“ Nur einen Verbesserungsvorschlag hat sie: „ Auf der Rasenfläche im Vorgarten sollten Rosen gepflanzt werden, das würde gut zu dem Haus passen.“
Optimal genutzt werden nun auch die Garagen auf der Rückseite, die zwar erst spät in die alte Remise eingebaut worden waren, aber mittlerweile ebenfalls unter Denkmalschutz stehen. Die Tore wurden aufwendig restauriert und neu gestrichen, die einzelnen Boxen in die Büroräume integriert.
Moderner Konferenzraum im ersten Stock
Dass es hier aber nie darum gehen konnte, einen Museumsbau zu schaffen, zeigt sich besonders deutlich im ersten Stock. Zur Straße hin ist ein moderner, Licht durchfluteter Konferenzraum entstanden, wie man ihn aus Neubauten kennt. Faszinierend: Mit Genehmigung des Denkmalamts durfte auf der Nordseite eine langgezogene Gaube eingebaut werden, die der ganzen Etage nun viel mehr Raum und Licht gibt. Als Ergebnis kommen Stilelemente wie die Deckenbalken und das runde vordere Fenster jetzt deutlich besser zur Geltung.
Reeder Arend Brügge schaut auf einen Sprung vorbei, ein hanseatischer Kaufmann, wie er im Buche steht. Die Arbeit des Tages will er höchsten kurz unterbrechen – „ein Foto? Nein, besten Dank.“ Nur ein Satz ist ihm zum neuen Firmensitz zu entlocken: „Wir sind sehr glücklich hier.“ Nach der Renovierung hatte es für die künftige Nutzung zwei Möglichkeiten gegeben: Die Aufteilung auf mehrere Mieter oder die Vermietung an nur eine Firma. Als Wohnhaus hatte sich die Remise nie wirklich geeignet. Dass die Vega Reederei mit 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nun die alleinige Nutzerin ist, empfindet Sebastian Giesen als „die optimale Lösung“.
Hamburger Halbmondhaus ursprünglich Stall
Das Halbmondhaus war ursprünglich ein Stall, der später zur Wagen-Remise ausgebaut wurde. Der berühmte Architekt Christian Frederik Hansen (1756 bis 1845) ließ ihn im Auftrag des Kaufmanns John Thornton 1796 errichten. Laut Sebastian Giesen ist die Remise damit eines der ganz wenigen Gebäude in dieser Gegend, das noch an die landwirtschaftliche Prägung der frühen Zeit erinnert. Auf der gegenüberliegenden Seite der Elbchaussee entstand zur selben Zeit Thorntons Wohnhaus, das als einer der schönsten Hansen-Bauten in der Umgebung galt.
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Dieses 1913 abgebrochene Haus war ebenfalls halbkreisförmig gebaut, sodass beide Gebäude miteinander korrespondierten, während dazwischen die Elbchaussee verlief – damals noch ein einfacher Sandweg. Heute donnern hier täglich unzählige Autos vorbei, aber das Halbmondhaus sieht aus, als sei die Zeit ein bisschen stehen geblieben.