Hamburg. Die Terrassen der Restaurants sind gut besucht, aber drinnen herrscht Leere. Gastronomen sprechen von einer Hemmschwelle.
Wer abends in Eppendorf, auf der Schanze, in St. Georg oder an der Alster unterwegs ist, der erlebt auf den Terrassen der Lokale Lebensfreude pur. Noch einen freien Platz bei diesen hochsommerlichen Temperaturen zu ergattern ist häufig schwierig. Dazu kommt der Nachholbedarf, denn fast sieben Monate hatte die Gastronomie wegen Corona Zwangspause.
Seit vier Wochen ist die Außengastronomie wieder erlaubt, seit dem 4. Juni dürfen auch die Innenbereiche genutzt werden. Zeit, eine Bilanz zu ziehen: „Die Außengastronomie läuft bei diesem sommerlichen Wetter gut. Und wer große Außenflächen hat, kann sicherlich auch Geld verdienen. Aber ein echtes Problem sind die Innenbereiche. Auch da hat man weniger Plätze wegen der Abstandsregelungen“, sagte der amtierende Dehoga-Präsident Niklaus Kaiser von Rosenburg dem Abendblatt.
Restaurants in Hamburg sprechen von Hürde
Doch eine andere Regelung ist für den Branchenexperten viel gravierender: „Unser Kritikpunkt ist vor allem, dass die Gäste für innen einen negativen Corona-Test, der nicht älter als 24 Stunden ist, vorweisen müssen.“
Diese zusätzliche Hürde für einen Restaurantbesuch würden die Kunden scheuen, und das wirke sich natürlich auf die Umsätze aus. Es sei nur schwer nachvollziehbar, dass innen eine Testpflicht gilt und außen nicht. „Der Senat sollte sich die Frage stellen, ob jetzt, wo die Inzidenzen so niedrig sind, wirklich noch an der Testpflicht festgehalten werden sollte“, appelliert Kaiser von Rosenburg.
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Das sieht Peer Petersen ähnlich. Der Gastronom betreibt sechs Restaurants und einen Weinhandel, darunter die Neumann’s Weinbistros an der Langen Reihe und am Grindelhof sowie The Locks und das Wellingten im Alstertal: „Die Terrassen unserer Restaurants sind gut besucht. Aber trotzdem habe wir etwa 50 Prozent weniger Umsatz im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit. Wir haben deutlich weniger Plätze wegen der Abstandsregeln“, sagt Petersen.
"Gastronomen nicht wie Verbrecher behandeln"
Hinzu kommt: „Normalerweise würden die Leute auch drinnen am offenen Fenster bei diesem Sommerwetter sitzen oder an der Bar auf einen freien Platz draußen warten. Aber darauf haben die meisten Kunden keine Lust, weil man für innen extra einen Negativtest vorweisen muss. Ich würde mir einfach wünschen, dass diese Testpflicht abgeschafft wird und man uns Gastronomen nicht wie Verbrecher behandelt.“
Was er damit meint, erläutert der Unternehmer: „Gleich am ersten Tag nach der Wiedereröffnung hatten wir an der Langen Reihe im Neumann’s Besuch vom Ordnungsamt und der Polizei, inzwischen hatten wir in unseren Läden insgesamt sechs Kontrollen. Der Anlass dafür ist unterschiedlich.
Zum Beispiel wird die Konzession für die Außengastronomie eingesehen, um zu schauen, dass man ja nicht auch nur einen Meter zu viel von der Fläche beansprucht.“ Petersen ist verärgert. „Das finde ich kleinlich, besonders vor dem Hintergrund, dass die Gastronomie, die kein Treiber der Pandemie war, gerade fast sieben Monate Zwangspause hinter sich hat.“
Gastronomin: "Die Testpflicht hemmt"
Zufrieden mit dem Außengeschäft ist Yvonne Tschebull vom Rive an der Elbe. Das Geschäft auf der Terrasse laufe „von Stunde null“ an „hervorragend“, sagt die Gastronomin. Aber Tische im Gastraum würden deutlich weniger reserviert. „Die Testpflicht hemmt, das ist eine Umsatzbremse. Denn ein spontaner Restaurantbesuch ist damit ja auch gar nicht möglich.“ Das Restaurant Tschebull im Levantehaus öffnet erst wieder am 25. Juni. „Wir wollen für unsere Gäste da sein, aber wir wissen seit zwölf Jahren: Der Sommer in der City ist schwierig – und mit diesen Auflagen wird er noch schwieriger“, sagt Tschebull.
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Das weiß auch Thomas Pinçon, der das Café des Artistes im Thalia Theater betreibt. „Wir nehmen momentan um 19 Uhr die letzte Bestellung auf, weil in der Innenstadt einfach nichts los ist. Ansonsten sind wir nach dem Neustart mit dem Mittagsgeschäft auf unserer Terrasse zufrieden.“
Enormer Ansturm in Duvenstedt
Auch die Duvenstedter gehen wieder essen: Der Ansturm sei enorm gewesen, die Reservierungen für einen Tisch auf der Terrasse im Minutentakt eingegangen, sagt Leslie Himmelheber vom Restaurant Lenz. „Es macht auch richtig Spaß, das Strahlen der Gäste zu sehen.“ Allerdings habe er nur 50 Plätze im Freien, dafür aber 120 drinnen – doch dafür sei die Nachfrage sehr zaghaft.
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„Viele scheuen den Weg zum Testzentrum oder haben noch keinen Impfnachweis“, sagt der Gastronom. Er hoffe auf weitere Lockerungen – aus ganz praktischen Gründen: „Neulich goss es plötzlich aus Kübeln, alle wurden nass. Und da kann ich natürlich nicht mal eben sagen: Ach, kommt doch rein.“
Private Feiern maximal mit zehn Personen erlaubt
Auch Mustafa Uludag, Chef vom italienischen Restaurant Il Tramonto an der Grelckstraße in Lokstedt, bestätigt, dass Tische im Innenraum kaum nachgefragt werden. „Dieser Nachweis des negativen Tests ist halt doch eine Hemmschwelle.“ Er wünsche sich, dass der Senat diese Regel bei anhaltend niedrigen Inzidenzen kippe. „Im Moment profitieren wir natürlich von dem tollen Sommerwetter, unsere glücklicherweise große Terrasse mit 100 Plätzen ist so gut wie immer belegt“, sagt der Gastronom. „Aber es kommen bestimmt auch wieder andere Tage.“
Dehoga-Präsident Kaiser von Rosenburg macht auf ein weiteres Problem aufmerksam: „Die Gastronomie verdient vor allem auch mit Familienfeiern Geld. Aber die können wir aufgrund der Regelungen des Senats nicht annehmen. Aktuell dürfen wir draußen nur Reservierungen für bis zu zehn Personen und drinnen nur für bis zu fünf Personen einbuchen. Dazu kommt, dass selbst Genesene und Geimpfte mitgezählt werden. Aber eine Hochzeit mit fünf Gästen macht wenig Sinn“, sagt Kaiser.
Corona: Diese Testverfahren gibt es
- PCR-Test: Weist das Virus direkt nach, muss im Labor bearbeitet werden – hat die höchste Genauigkeit aller Testmethoden, ist aber auch die aufwendigste
- PCR-Schnelltest: Vereinfachtes Verfahren, das ohne Labor auskommt – gilt als weniger zuverlässig als das Laborverfahren
- Antigen-Test: weniger genau als PCR-(Schnell)Tests, dafür zumeist schneller und günstiger. Laut RKI muss ein positives Testergebnis durch einen PCR-Test überprüft werden, ein negatives Ergebnis schließt eine Infektion nicht aus, insbesondere, wenn die Viruskonzentration noch gering ist.
- Antigen-Selbsttest: Die einfachste Test-Variante zum Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus. Wird nicht von geschultem Personal, sondern vom Getesteten selbst angewandt. Gilt als vergleichsweise ungenau.
- Antikörper-Test: Weist keine akute, sondern eine überstandene Infektion nach – kann erst mehrere Wochen nach einer Erkrankung sinnvoll angewandt werden
- Insgesamt stellt ein negatives Testergebnis immer eine Momentaufnahme dar und trifft keine Aussagen über die Zukunft
Neben dem Hotel Baseler Hof an der Esplanade betreibt Kaiser von Rosenburg auch die Mellingburger Schleuse in Poppenbüttel. „Wir hatten in Vor-Corona-Zeiten jedes Wochenende drei große Festlichkeiten, für uns ein hoher Umsatzfaktor. Auch für diesen Sommer haben wir noch Buchungen für Feiern in unseren Büchern. Aber natürlich gibt es Absagen, weil die Gastgeber nicht wissen, ob zum Beispiel ihre Geburtstagsfeier mit 50 Gästen im August wieder möglich ist.“