Hamburg. Das Spezialeinsatzkommando (SEK) kümmert sich um die ganz harten Fälle. Doch dem Team fehlt Personal – das führt zu hohen Belastungen.
Die Eliteeinheit der Polizei klagt über Personalmangel. Rund 30 Prozent der Stellen beim Spezialeinsatzkommando (SEK) sind aktuell nicht besetzt. Dazu ist die Zahl der Gruppen von fünf auf drei reduziert worden. Hintergrund ist nicht nur der Fehlbestand beim Personal, sondern auch eine Umorganisation, beispielsweise um besser auf Terrorlagen reagieren zu können. Gleichzeitig wurde eine spezielle technische Unterstützungseinheit geschaffen.
Erst im Laufe des Jahres dürfte sich die Personalsituation beim SEK wieder entspannen. Im Februar beginnt der nächste mehrwöchige Lehrgang für die Anwärter der Eliteeinheit. „Diese Grundausbildung ist sehr speziell und anspruchsvoll und kann nur einmal im Jahr durchgeführt werden“, sagt Polizeisprecherin Sandra Levgrün. Bis dahin stehen nur drei statt fünf Gruppen zur Verfügung.
Polizei Hamburg: Ausbildung nur jährlich
Ein Sicherheitsdefizit gibt es laut Levgrün dadurch nicht. Die „Einsatzbereite Gruppe“, kurz EB, stehe jederzeit für Adhoc-Einsatzlagen, die eine schnelle Reaktion erfordern, zur Verfügung. Sie wird gerufen, wenn bewaffnete oder gefährliche Täter festgenommen werden sollen. Sie kommt aber auch zum Einsatz, wenn es beispielsweise darum geht, einen bewaffneten Lebensmüden zu überwältigen. Für solche Einsätze ist das Spezialeinsatzkommando unter anderem mit Tasern und Elektroschock-Pistolen ausgerüstet.
Die jährliche Ausbildung ist ein Grund für die aktuell signifikante Unterbesetzung. Über das ganze Jahr verlassen immer wieder Beamte die Einheit, die erst im Februar wieder aufgefüllt wird. Polizeiintern heißt es aber auch, dass die Personalverteilung das SEK benachteiligt habe. Organisatorisch ist es an das Landeskriminalamt angebunden. Personal wird aber in großem Stil der Schutzpolizei zugewiesen, um Beamte „in die Fläche“, sprich an die Wachen, zu bekommen.
Einsatzgruppen klagen über hohe Belastung
Für das SEK bedeutet die ständige Einsatzbereitschaft eine hohe Belastung für die Einsatzgruppen. Statt alle fünf müssen sie alle drei Wochen eine Woche lang diesen Dienst verrichten. „Der ist sehr anstrengend, auch weil viele geplante Festnahmen, zu der die EB eingesetzt wird, bereits am frühen Morgen stattfinden“, so ein Beamter. Dazu hat die Zahl der Einsätze, zu denen das SEK gerufen wird, stark zugenommen. Waren es 2020 noch 77 Einsätze, musste das SEK im vergangenen Jahr zu 130 Einsätzen ausrücken. Das ist nahezu eine Verdoppelung.
„Das Ziel ist auch, die ursprüngliche Struktur mit fünf SEK-Gruppen künftig wieder zu erreichen“, sagt Levgrün. Die zeitweise Reduzierung der Zahl der Einsatzgruppen ist aber nicht nur dem aktuellen Personalengpass geschuldet, sondern auch der Neuorganisation der Spezialkräfte in ganz Deutschland. Die Gruppen, egal ob GSG 9 der Bundespolizei oder die Spezialeinheit der Länderpolizeien, haben mehr Personal. So will man besser für Terrorlagen gewappnet sein, bei denen man es auch mal mit mehreren bewaffneten Tätern auf einmal zu tun bekommen kann. Wie stark genau die Einsatzgruppen sind, hält die Polizei geheim.
Spezialeinheit wurde 1972 gegründet
Neu ist auch die technische Unterstützungseinheit. Sie wurde eingerichtet, weil die Anforderungen immer spezieller wurden. So verfügt nicht nur das SEK über eigene Technologie wie Drohnen, die sicher beherrscht werden muss, auch Kriminelle setzen immer mehr Technologie ein, um sich polizeilichen Maßnahmen zu entziehen oder gewarnt zu werden. Man braucht Experten, die die SEK-Einsatzgruppen und die auf Observation spezialisierten MEK-Einsatzgruppen im „operativen Geschäft“ unterstützen.
Gegründet wurde die Spezialeinheit im Herbst 1972. Es war das Geburtsjahr nahezu aller Spezialeinheiten in Deutschland, nachdem kurz zuvor Terroristen bei den Olympischen Spielen in München israelische Sportler als Geiseln genommen hatten und der Befreiungsversuch der nicht organisatorisch und ausbildungstechnisch auf solche Lagen vorbereiteten Polizei auf dem Flugplatz Fürstenfeldbruck mit einem Massaker endete. Dabei wurden alle Geiseln, ein Polizist und fünf Terroristen getötet. In Hamburg wurde kein SEK, sondern ein MEK gegründet, das Zugriffe und Observationen durchführte. Erst im Rahmen einer Umorganisation wurde das reine SEK gebildet.
Spezialeinheit kann auf herausragende Erfolge blicken
Die Spezialeinheit kann auf zahlreiche herausragende Erfolge zurückblicken. 1974 wurde durch einen gezielten Schuss am Steindamm ein Bankräuber getötet, der selbst zuvor einen Polizisten erschossen und in der dortigen Commerzbank Geiseln genommen hatte. 1986 waren es Beamte der Spezialeinheit, die den nur mit einem Handtuch bekleideten Kiez-Killer Werner „Mucki“ Pinzner überwältigten, der sich partout nicht aus seiner Wohnung auf die Straße locken lassen wollte.
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Auch bei mehreren Entführungsfällen, so beispielsweise bei der Karstadt-Erpressung durch „Dagobert“, der Reemtsma-Entführung oder der Erpressung vom Inhaber des Otto Versands war die Spezialeinheit prägend im operativen Bereich.
Polizei Hamburg: SEK auch für Terrorlagen geschult
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 und der Anschlagsserie 2015 in Paris, wo 130 Menschen durch mehrere schwer bewaffnete Islamisten getötet wurden, wurde die Hamburger Spezialeinheit so ausgebildet und ausgerüstet, dass sie auch bei komplexen Terrorlagen eingesetzt werden kann.