Hamburg. Wenn sich die Lage in Kliniken verschärft, behält sich der Senat vor, die 2G-Regelung auszuweiten. Sprachbarriere bedroht Patienten.
In Hamburg entwickelt sich die Corona-Pandemie im Herbst 2021 zu einer Pandemie der Ungeimpften. Gleichzeitig wird deutlich, dass durch die Impfkampagne offenbar Menschen mit Migrationshintergrund und Sprachbarrieren nicht wie erhofft erreicht werden.
Nur rund jeder Zehnte der Neuinfizierten sei geimpft, erklärte Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag. Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohnern betrage in dieser Gruppe stabil etwa 20. Bei den Ungeimpften liege sie bei 450.
Corona Hamburg: Sprachbarriere bringt Menschen in Gefahr
Auch wenn der Senat sich vieler offener Impfangebote und Informationen in mehreren Sprachen rühmt, so ist das Bild aus den Kliniken, in denen Covid-19-Patienten behandelt werden, ein anderes. Der Virologe Prof. Jonas Schmidt-Chanasit sagte dem Abendblatt: „Die klare Rückmeldung von den Intensivstationen ist, dass es dort weiter viele Patienten mit Sprachbarrieren gibt.“
Es reiche nicht aus, pauschale Angebote zu machen. „Man muss die Menschen vor Ort – gerade und auch die Mitbürger mit ausländischen Wurzeln – besser erreichen“.
Corona-Konflikt: Patriarchen verbieten Familie Corona-Impfung
Eine ähnliche Beobachtung wird in den Häusern von Asklepios gemacht, wo die Hälfte aller hospitalisierten Covid-Patienten liegen. Asklepios-Vorstand Prof. Christoph Herborn sagte, er sehe unter den ungeimpften Covid-19-Patienten weiterhin viele mit ausländischen Wurzeln.
Und: Bei Besuchen in Impfstellen habe er selbst erlebt, dass etwa Väter ihren Familienmitgliedern eine Impfung verboten hätten. „Wenn wir die Impfquote weiter erhöhen und auch Menschen aus sozial schwächeren Stadtteilen besser vor einer möglichen schweren Corona-Erkrankung schützen wollen, müssen wir eine bessere, wirksamere Ansprache dieser Menschen hinbekommen.“
Corona: Situation auf den Intensivstationen bei Asklepios angespannt
Herborn sagte, Covid-19 sei eine fürchterliche Krankheit. Die Situation auf den Intensivstationen sei weiterhin angespannt – trotz der „weitgehend stabilen“ Zahl an Intensivpatienten. „Aber unser medizinisches Personal ist nach der langen Zeit der Pandemie zusehends erschöpft, sehnt sich nach einer Entlastung von der körperlich und seelisch extrem belastenden Arbeit. Insgesamt sind wir in den Kliniken heute aber besser vorbereitet als noch im vergangenen Jahr. Und damals sind wir schon nicht an die Grenzen unserer Intensivkapazitäten gestoßen.“
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UKE-Intensivarzt und Geschäftsführerin der HKG: Politik in der Pflicht
UKE-Intensivarzt Prof. Stefan Kluge richtete einen Appell an den wahrscheinlichen neuen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD): „Die Pflegeproblematik ist derzeit die dringlichste. Das betrifft die Intensivstationen, aber auch die Normalstationen und die Medizinischen Fachangestellten in den Praxen sowie die Altenpflege. Die künftige Bundesregierung und der neue Bundesgesundheitsminister müssen das umgehend anpacken.“
Auch die Geschäftsführerin der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, Dr. Claudia Brase, nimmt die Politik in die Pflicht: „Als kurzfristige Anerkennung der Leistung der Krankenhäuser und des Personals sind wir Anhänger des bayerischen Modells, das jedem Krankenhaus zur Abmilderung der wirtschaftlichen Nachteile pro Covid-19-Patient pro Tag auf der Normalstation 50 Euro und für die Behandlung auf der Intensivstation 100 Euro von November 2021 bis April 2022 auszahlt. Mindestens 50 Prozent der Mittel sind vom Krankenhaus als Bonus an Klinikbeschäftigte (insbesondere Pflegekräfte) weiterzureichen, die durch die andauernde Pandemielage besonders belastet sind.“ Beim sogenannten Rettungsschirm für die Krankenhäuser müsse ebenfalls nachgebessert werden.
Ungeimpften drohen möglicherweise massive Einschnitte ihrer Bewegungsfreiheit
Die Hamburger Politik zumindest schaut genau auf die Kliniken – wenn auch aus anderen Motiven. „Der Senat ist entschlossen, die 2G-Regelung auszuweiten, wenn die Entwicklung in den Krankenhäusern oder auf den Intensivstationen das erfordert“, sagte Senatssprecher Schweitzer. Somit drohen Ungeimpften möglicherweise massive Einschnitte in ihrer Bewegungsfreiheit. 2G heißt: Nur Geimpfte und Genesene haben Zutritt. Bei 3G-Veranstaltungen dürfen auch Getestete rein. „Testen ist kein Ersatz für Impfen“, so Schweitzer.
Hamburg habe 2G als erstes Bundesland eingeführt und damit gute Erfahrungen gemacht. Es gebe noch keine Entscheidung, ob und wie die Kontrollen auch unter Nutzung digitaler Möglichkeiten ausgeweitet würden. Aber: „Wer ertappt wird, muss mit einer Strafe rechnen.“ Das betreffe nicht nur die, die möglicherweise mit Impfzertifikaten schummeln, sondern auch die, die die Impfnachweise und Ausweise kontrollieren sollen.
Corona: In Hamburger Krankenhäusern werden 176 Corona-Patienten behandelt
Schweitzer appellierte: „Nehmen Sie die Impfangebote wahr, denken Sie an Weihnachten.“ Zurzeit beträgt laut Senat die „Hospitalisierungsinzidenz“ nach Berechnungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) 1,2. Das sei bundesweit der niedrigste Wert. Am Dienstag hat die Hamburger Sozialbehörde 292 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das sind 40 Fälle weniger als am Vortag (332), aber 19 mehr als am Dienstag vor einer Woche (273). Damit verändert sich die Inzidenz kaum und liegt nun bei 149,4 (Vortag 148,4). Dem Institut zufolge haben in Hamburg bislang 1.381.862 Menschen zumindest eine Erstimpfung erhalten, 1.342.885 Personen sind vollständig geimpft.
In Hamburger Krankenhäusern werden 176 Corona-Patienten behandelt, 43 von ihnen intensivmedizinisch. Gute Nachrichten: Das sind sechs Patienten weniger als noch am Vortag. Neue Todesfälle gab es nicht. In der Kursana Seniorenresidenz in Niendorf sind mittlerweile 16 Bewohnerinnen und Bewohner positiv auf Corona getestet worden, wie eine Sprecherin bestätigte. Wie das Virus in die Einrichtung gelangen konnte ist, ist unklar. Alle Infizierten hätten bisher aber einen milden Verlauf.