Hamburg. Behörden melden sich teilweise nicht mehr bei Infizierten. Die Kontaktverfolgung gestaltet sich schwierig – auch in Schleswig-Holstein.

Erst war die Tochter positiv, dann ihr Mann. Sie selbst hat sich schließlich auch mit dem Coronavirus infiziert. Die Altbauwohnung in Eimsbüttel wurde zur Omikron-Falle für Tanja W. Doch wann kann sie zum PCR-Test? Ein Termin war erst für die nächste Woche zu bekommen. Das Gesundheitsamt wollte schon vor Tagen „sicher“ zurückrufen. Bis gestern Abend blieb das Handy aber stumm. Das ist kaum ein Einzelfall mehr in Hamburg, da die Infektionszahlen auch durch Omi­kron im Rekordtempo steigen. Die Meldeketten sind gerissen und die Gesundheitsämter angesichts einer Inzidenz von 360,4 zunehmend überfordert.

Laut Hamburger Eindämmungsverordnung gilt die Pflicht, sich nach einem positiven PCR-Test für 14 Tage in häusliche Isolation zu begeben – auch ohne Aufforderung durch das zuständige Gesundheitsamt. Die Haushaltsangehörigen müssen sich ebenfalls isolieren, wie die Sozialbehörde am Montag bekräftigt hatte. Neu ist aber, dass die Gesundheitsämter sich zumindest in Einzelfällen offenbar überhaupt nicht melden oder die Wartezeit auf einen PCR-Test über die Hotline 116 117 sehr lang ist.

Corona Hamburg: Das lange Warten auf den PCR-Test

Die Ärztinnen und Ärzte im Arztruf Hamburg rücken nur dann zu Corona-Verdachtsfällen aus, wenn die Patienten Symptome haben und einen PCR-Test brauchen oder eine Anordnung des Gesundheitsamtes vorliegt. Der Vorstandschef der Kassenärztlichen Vereinigung, Walter Plassmann, sagte, der Arztruf sei bereits verstärkt worden. Dennoch könne es ein paar Stunden dauern, bis das Auto von 116 117 vorfährt. Plassmann: „Das kann auch zu unchristlicher Zeit nachts passieren.“ Der Grund liege darin, dass der fahrende Arztdienst ebenfalls dringende Notfälle versorgen müsse.

Nach den gültigen Regeln sind Geimpfte und Genesene von der Quarantänepflicht ausgenommen. Besorgniserregende Virusvarianten wie Omikron sprächen jedoch dafür, eine weitergehende Quarantäne zu verhängen, heißt es aus der Sozialbehörde. Konkret bedeute das, dass auch geimpfte Kontaktpersonen in Quarantäne müssen, wenn klar ist, dass es sich um eine Virusvariante handelt. Das können die Gesundheitsämter derzeit bereits entscheiden. Angesichts des gegenwärtigen Fallaufkommens sei das jedoch nur bedingt möglich. Generell soll sich vor allem auf größere Ausbruchsgeschehen konzentriert werden.

Feier auf Sylt: „Die Betroffenen haben sich wahrscheinlich mit Omikron-Variante angesteckt“

Bei einem Corona-Ausbruch im Nachtclub Waagenbau an der Sternbrücke in Altona-Altstadt war trotz eines bestätigten Omikron-Falls nicht für alle weiteren, vollständig geimpften Gäste eine Quarantäne angeordnet worden (wir berichteten). Etwa in Schleswig-Holstein wird dies teilweise anders gehandhabt – Schwierigkeiten bei der Kontaktverfolgung gibt es jedoch ebenso.

Nach einer Party an Heiligabend mit etwa 120 Gästen im Club Rotes Kliff in Kampen auf Sylt sind 16 Gäste positiv auf das Virus getestet worden. „Wir gehen davon aus, dass sich die Betroffenen sehr wahrscheinlich mit der Omikron-Variante angesteckt haben“, sagte Dagmar Schulze, Sprecherin des Kreises Nordfriesland, dem Abendblatt. Eine Sequenzierung stehe aber noch aus. „Die Zahl der Infizierten wird sicher noch steigen“, vermutet Schulze.

Doch Kontaktdaten zur eventuellen Nachverfolgung wurden in dem Kampener Club nicht erhoben. Auch beim Scannen des Impfpasses würden die Kontakte der Partygäste aus „datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht erfasst. Isolieren müssen sich nun lediglich die positiv getesteten Menschen – also bislang die 16 Gäste mit positivem PCR-Test, eine noch unbekannte Zahl an Menschen mit positivem Schnelltest und deren direkte Kontaktpersonen.

820 Partygäste müssen in Quarantäne

Deutlich mehr Menschen sind von einem ähnlichen Fall in einem Club nördlich von Hamburg betroffen. In der Diskothek Joy in Henstedt-Ulzburg wurde bislang eine Corona-Infektion mit Verdacht auf die Omikron-Variante bestätigt. Alle Personen, die am 24. und 25. Dezember in dem Club im Gewerbepark Nord gefeiert hatten, wurden nun vom Kreis Segeberg aufgefordert, sich unmittelbar in Isolation zu begeben. Anders als auf Sylt betrifft die Quarantäneregel hier alle Gäste – gut 820 Personen.

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Das zuständige Segeberger Gesundheitsamt hatte dem Joy attestiert, die Kontrollen seien „gewissenhaft“ gewesen. Betreiber Joey Claussen erklärt den Ablauf an der Abendkasse: „Es läuft so, dass die Security die Impfpässe einsieht beziehungsweise über die Check-App den Covid-Pass kontrolliert. Leider scheint diese App nicht in der Lage zu sein, die Kontaktdaten rauszuziehen.“

Hamburg: 70 Covid-Patienten auf den Intensivstationen

Und die Luca-App? „Die war zu der Zeit des Modellprojektes noch verpflichtend.“ Dann änderte Schleswig-Holstein im Herbst seine Corona-Verordnung. „Man durfte die Kontaktdaten nicht mehr zwangsläufig erheben.“ Die Luca-App wird nördlich von Hamburg kaum noch genutzt. Aus seiner Sicht ein Fehler. „Im Vorverkauf sind die persönlichen Daten umfänglich. Das ist Gold für den Infektionsschutz.“ Mehr als 600 Personen konnten also problemlos kontaktiert werden. Nur die Identität der restlichen Gäste von der Abendkasse ist nicht ohne Weiteres zu ermitteln.

Eine Pflicht zur Kontaktdatenerhebung für Betreiber von Diskotheken besteht in Schleswig-Holstein im Gegensatz zu Hamburg nicht. Unterdessen bleibt trotz 1622 neuer Corona-Fälle am Donnerstag in Hamburg und 14 weiterer Menschen, die mit einer Covid-19-Infektion verstorben sind, die Auslastung der Krankenhäuser noch moderat. Laut Gesundheitsbehörde lagen Stand Mittwoch 238 Covid-19-Patienten in den Kliniken, davon 70 auf Intensivstationen.