Hamburg. Der Zugunfall am Freitag sorgte für überfüllte Busse und Chaos im Nahverkehr. Abendblatt-Recherche wirft Frage zum Krisenmanagement auf.
Es waren nur noch wenige Stunden bis zu dem Hochrisikospiel St. Pauli gegen Hansa Rostock, als am Freitagnachmittag, 26. April, um 15.47 Uhr ein Zugunglück am Hamburger Hauptbahnhof gemeldet wurde. Der Aufsatz eines Bauzugs der Deutschen Bahn (DB) krachte gegen die Brücke an der Ernst-Merck-Straße und sorgte für stundenlange Einschränkungen im Schienenverkehr.
Bei dem Unfall wurden sieben Menschen verletzt, einer von ihnen schwer. Während die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Bundespolizei die Verletzten versorgten, führte der plötzliche Stillstand am Bahnhof im Stadtgebiet vielerorts zum Chaos. Fußballfans, die pünktlich zum Spiel wollten, kämpften mit Pendlern und Touristen um einen Platz in den Bussen der Hochbahn.
Laut Alexander Montana, Vorstandsmitglied vom Landesverband Nord vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland(VCD Nord), kam es dabei zu verzweifelten Szenen im Hamburger Nahverkehr. Am Sonnabend, einen Tag nach dem Unfall, kritisierte der VCD Nord das Krisenmanagement der S-Bahn Hamburg und insbesondere den Austausch mit der Hochbahn. Auf Abendblatt-Anfrage reagierten jetzt sowohl die Deutsche Bahn als auch die Hochbahn auf die Vorwürfe.
Bauzug entgleist am Hamburger Hauptbahnhof: Kritik an Krisenmanagement
In der Pressemitteilung des Clubs heißt es: „Gegen 16.15 Uhr stürmten verzweifelte Fahrgäste der S-Bahn in Altona die Busse und es kam zu langen Wartezeiten und völlig überfüllten Fahrzeugen.“ Vorstandsmitglied Montana war am Freitagnachmittag und -abend selbst als Busfahrer der Linie 25 eingesetzt und soll gegen 16.45 Uhr bei der Leitstelle der Hochbahn Informationen zur S-Bahn-Störung angefragt haben – allerdings ohne Erfolg.
„Aus dem Radio erfuhren Montana und seine Kollegen von der Ursache der Störung in den 17-Uhr-Nachrichten und informierten die Fahrgäste entsprechend mit Fahrtalternativen. Erst um 17.20 Uhr gab die Hochbahn an alle Busse die Information heraus, dass der S-Bahn-Verkehr gestört sei.“
Hochbahn kann Ersatzverkehr erst nach offizieller Störungsinformationen aufbauen
Von einem Hochbahn-Sprecher heißt es dazu: „Aufgrund von Informationen über die Hamburger Hochbahn-Wache konnten wir schon seit etwa 16.25 Uhr alle Fahrgäste in den U-Bahnen über den Vorfall und die Störung bei der S-Bahn informieren. Flächendeckend wurden alle fünf Minuten Durchsagen gemacht, die die Fahrgäste über den Vorfall informierten und den Hinweis gaben, auf andere Verkehrsmittel auszuweichen.“
Allerdings: „Die offizielle Meldung der S-Bahn zu der Störung haben wir in der Tat erst gegen 16.45 Uhr erhalten.“ Die öffentliche Erstmeldung der S-Bahn Hamburg war hingegen schon um 16.03 Uhr auf X (vormals Twitter) erschienen. Also circa 15 Minuten nach dem Unfall – eine Dreiviertelstunde später hatte man dann offiziell die Kolleginnen und Kollegen der Hochbahn informiert. Anschließend „lief die Störungsroutine im eigenen Hause an, mit der dann der erforderliche Ersatzverkehr aufgebaut wird. Für die Auslösung der Prozesse benötigen wir zunächst aber eine offizielle Störungsinformation“, so die Antwort der Hochbahn.
Deutsche Bahn reagiert auf Kritik an Kommunikation nach Zugunglück in Hamburg
In einem Statement vom Sonntag ordnet die Deutsche Bahn die Großlage am Hauptbahnhof zunächst anders ein: „Unmittelbar nach dem Unfall [...] setzte die Rettungskette der DB mit Unterstützung von Bundespolizei und Feuerwehr ein. Durch die gute Zusammenarbeit gelang eine schnelle medizinische Versorgung der verletzten DB-Mitarbeitenden.“
Auf konkrete Meldezeiten in Bezug auf die Hochbahn geht man hier nicht ein. Stattdessen teilt die Bahn mit: „Parallel dazu informierten sowohl S-Bahn Hamburg als auch insgesamt die DB über ihre digitalen Auskunftsmedien sowie via Durchsagen und Spruchbänder an den Stationen vor Ort zu den Einschränkungen rund um den Hauptbahnhof.“
Montanas Kritik: „Diese Art der Kommunikation zeigt leider einmal wieder, dass die Leitstellen der Deutschen Bahn und der Hochbahn kaum miteinander sprechen. Bei solchen Großstörungen müssen die Betriebsleiter direkt telefonieren und die Maßnahmen koordinieren.“ Dass die Leitstellen von S-Bahn und Hochbahn „kaum miteinander sprechen“, könne man bei der Hochbahn nicht bestätigen. „In der Regel ist der Austausch sehr direkt. Gerade in Störungssituationen gibt es einen geübten Routineprozess.“
Unfall am Hauptbahnhof Hamburg: Hochbahn weist Kritik an Informationskette zurück
Ebenfalls nicht bestätigen könne die Hochbahn die Aussage des VCD, das Verkehrsunternehmen hätte erst um 17.20 Uhr die Information über den gestörten S-Bahn-Verkehr an alle Busse herausgeben. „Um kurz nach 17 Uhr haben wir diesen Ersatzverkehr ausgelöst und alle Fahrerinnen und Fahrer informiert“, heißt es von der Hochbahn.
„Des Weiteren mag sich aus der Perspektive des Busfahrers vor Ort ein subjektiv anderes Bild ergeben, als die Gesamteinschätzung der Leitstelle zeigt, in der alle Informationen zusammenlaufen und der Ersatzverkehr und die Kommunikation gesteuert wird.“
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Abschließend heißt es von der Hochbahn: Wie es zu den verzögerten Störungsinformationen gekommen ist, lasse sich derzeit nicht beantworten. Die Deutsche Bahn resümiert auf Abendblatt-Nachfrage: Das DB-übergreifende Großereignismanagement habe gut funktioniert. Man werde dennoch im Nachgang – wie bei jedem Großereignis üblich – die Prozesse auf Optimierungspotenziale prüfen.