Hamburg. Airport nimmt nach 21 Stunden Betrieb wieder auf, doch Einschränkungen bleiben. Was mehr als 30.000 betroffene Reisende wissen müssen.
Es herrschte eine ungewöhnliche Ruhe am Sonntagmorgen rund um den Flughafen Hamburg. Die sonst so viel befahrene Flughafen-Umgehungsstraße unweit des Krohnstiegtunnels war gähnend leer, die Polizei riegelte die Zufahrt zu den Terminals für Privatpersonen hermetisch ab.
Lediglich Medienvertreter wurden durchgelassen. Die Anzeigetafeln, auf denen die Anzahl der freien Parkplätze steht, zeigte an: Es sind 4000. Die Geiselnahme auf dem Rollfeld des Airports, die am frühen Sonntagnachmittag unblutig zu Ende ging, sorgte dafür, dass auf dem Helmut-Schmidt-Flughafen seit Sonnabend um 20.24 Uhr nichts mehr ging.
Gegen 17.30 Uhr dann die für den Airport und Flugreisende gleichermaßen erleichternde Nachricht: Der Betrieb konnte nach 21 Stunden anhaltender Sperrung endlich wieder aufgenommen werden. „Starts und Landungen sind wieder möglich“, teilte Flughafensprecherin Katja Bromm mit. Als erste Maschine hob um 19.42 Uhr ein Flugzeug der lettischen Gesellschaft Air Baltic in Richtung Riga ab. Bis kurz nach 20 Uhr folgten drei weitere Starts.
Flughafen Hamburg: Ausfälle auch am Montag möglich
Allerdings seien bis zum Betriebsschluss am Sonntag weiterhin erhebliche Streichungen und Verzögerungen wahrscheinlich, sagte Bromm. „Bitte behalten Sie Ihren Flugstatus im Blick und wenden Sie sich bei Bedarf an Ihre Fluggesellschaft“, appellierte die Flughafensprecherin deshalb an die Reisenden.
Allein am Sonntag waren bis zur Wiederaufnahme des Betriebs 213 Flüge von der Sperrung betroffen, davon 119 Abflüge und 94 Ankünfte. Insgesamt waren am Sonntag 286 Flüge mit rund 34.500 Passagieren geplant.
Mit der „weitestgehenden“ Rückkehr zum Normalbetrieb wurde für Montag gerechnet. Dann sind insgesamt 152 Starts und 162 Landungen geplant. Allerdings könne es laut Bromm auch zu Wochenbeginn weiter zu vereinzelten Ausfällen und Verzögerungen kommen.
Flughafen Hamburg: 126 Flüge wurden bis zum Sonntagmittag gestrichen
Zuvor ging es bei den Terminals, die wie alle Ladengeschäfte und Kioske auch geschlossen waren, äußerst gespenstisch zu. Auch die S-Bahn-Haltestelle wurde seit Sonnabendabend nicht angefahren. Still war es auch am Himmel. Um 11.30 Uhr erklärte der Flughafen Hamburg, dass 126 Flüge (70 Abflüge und 56 Ankünfte) bereits gestrichen wurden. Fünf weitere Ankünfte wurden zu anderen Flughäfen umgeleitet.
Für die Flugreisenden hat das massive Konsequenzen. Wegen der Geiselnahme auf dem Hamburger Flughafen haben zahlreiche Passagiere die Nacht in einem Hotel verbracht. „Wir haben hier im Endeffekt 250 Leute untergebracht“, sagte Frank Kohlstädt, Leiter der DRK-Station am Flughafen, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Rund 200 Menschen hätten zudem noch Hotelzimmer bekommen. „Im Moment ist das Hauptproblem, dass sie nicht genau wissen, wie es weitergeht.“ Die Menschen seien eher aufgeregt gewesen als psychisch belastet.
Flugreisende haben im Internet von der Geiselnahme am Flughafen Hamburg erfahren
Auch Jennifer verbrachte die Nacht in dem Hotel, weil ihr Flug nach München nicht abheben konnte. Das Flugzeug sei zurück in die Parkposition geschoben worden, sagte die 33-Jährige. „Dann haben wir halt gewartet, gewartet, gewartet.“ Schließlich hätten Passagiere im Internet von dem Vorfall am Flughafen erfahren, kurz darauf habe der Pilot sich gemeldet. „Irgendwann hieß es dann auch Geiselnahme.“
Mann fährt mit Tochter als Geisel auf Rollfeld und schießt
Dann seien im Flieger die Lichter gelöscht worden. Schließlich hätten sie das Flugzeug verlassen. Es sei ein komisches Gefühl gewesen, weil die Passagiere nicht viel wussten. Das Gepäck sei im Flieger geblieben.
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Ein anderer Passagier, der im Hotel gestrandet ist, berichtete, dass zum Zeitpunkt seines Eincheckens gegen 20.25 Uhr bereits die Bundespolizei am Schalter gestanden habe. „Die wussten ganz genau, dass zu dem Zeitpunkt der Typ da draußen immer noch ist, und haben uns trotzdem mit allen Leuten rausgesetzt, ohne uns irgendwie eine Info zu geben“, sagte Johannes Cruse.
Hamburg Airport: Mitarbeiter „auf Stand-by“
Im Flieger sei zunächst von einer Verspätung die Rede gewesen, durch Recherche im Netz habe man aber mitbekommen, was los sei. Im Hotel hätten Passagiere zunächst stundenlang auf dem kalten Boden gelegen, nach drei Stunden dann Decken erhalten, sagte der Passagier.
Auch am Sonntag war die Stimmung im Hotel Radisson Blu am Flughafen angespannt. In der Unterkunft sind viele Menschen untergekommen, die derzeit nicht wegkommen. Zunächst wurden alle Gäste für eine Nacht einquartiert, doch nun könnte es sein, dass Flugreisende unfreiwillig länger bleiben müssen.
Zu allem Überfluss gab es in dem Hotel auch noch ein IT-Problem, was dazu führte, dass alle Zimmerkarten neu freigeschaltet werden mussten. In der Lobby war es am Sonntagnachmittag brechend voll. Darüber hinaus ging es vor allem darum, wer im Notfall eine weitere Nacht bezahlen würde. „Wir sind auch nur Menschen. Jedem wird geholfen, jeder bekommt eine Zimmerkarte“, sagte eine Mitarbeiterin des Hotels an der Rezeption.
Birgit Bioletti aus Lübeck wollte eigentlich um 11.30 Uhr nach Kreta fliegen, um von dort auf ein Kreuzfahrtschiff in Richtung Dubai zu gehen. „Wir hoffen, dass wir am Dienstag in Alexandria auf das Schiff kommen“, sagte die Urlauberin dem Abendblatt.
IT-Problem legt Hotel Radisson Blu am Flughafen lahm
Ein ähnliches Schicksal teilt gerade Annica Carstensen, die mit ihrem Mann Norbert nach Gran Canaria wollte, um ebenfalls eine Kreuzfahrt anzutreten. Am Sonnabendabend hatte das Ehepaar bereits den Vorabend-Check-in genutzt. Nun hoffen die beiden, dass sie am Montag über Lanzarote doch noch auf das Schiff kommen. „Unsere Sorge ist aber, dass unsere Koffer nicht in Lanzarote ankommen. Eine Woche auf See ohne Gepäck wäre schwierig“, sagte Carstensen.
Für ein Paar aus dem Landkreis Harburg hatte sich der Urlaub am Sonntagnachmittag erledigt. Am Sonnabend saßen die beiden Hamburger bereits in der Maschine, die um 20.30 Uhr nach Málaga abheben sollte, als der Pilot von „Problemen“ sprach. Knapp drei Stunden später wurde das Flugzeug geräumt. Die Harburger sind daraufhin ins Radisson Blu gegangen. Ihre Koffer befinden sich noch in dem Flugzeug.
Weit weniger schwierig ist die Situation für Adrian Ghoddousi. Der Wiener, der in Graz lebt, hat einen Kumpel besucht und wollte am Abend zurück in die Heimat. Vorsorglich hat der Österreicher schon einmal seinen Arbeitgeber informiert, dass er womöglich aus Hamburg im Homeoffice arbeiten wird.
Nach Geiselnahme: Airport bereitet Wiederaufnahme des Flugbetriebs vor
An Arbeit mangelte es auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Radisson Hotel nicht. Am Sonntag arbeitete dasselbe Personal, das bereits am Sonnabend Dienst hatte. Und die Menschen konnten zwar mit dem Taxi das Areal verlassen, allerdings nicht wieder zurückkehren.
Die Mitarbeiter des Hamburger Flughafens befänden sich „auf Stand-by, um nach einem Ende der aktuellen Lage den Betrieb schnellstmöglich aufnehmen zu können“, teilte der Airport auf Abendblatt-Anfrage Sonntagvormittag mit. Zu Regressansprüchen aufgrund der aktuellen Situation könne man aktuell noch keine Angaben machen.
Nach beendeter Geiselnahme liefen nun die Vorbereitungen für die schnellstmögliche Wiederaufnahme des Flugbetriebes, schrieb der Flughafen am Nachmittag bei X (vormals Twitter). „Wir sind in enger Abstimmung mit den Sicherheitskräften, wann die Zufahrten und Terminals wieder freigegeben werden. Dennoch kommt es heute weiterhin zu erheblichen Streichungen und Verzögerungen. Bitte behalten Sie Ihren Flugstatus im Blick und wenden Sie sich bei Bedarf an Ihre Fluggesellschaft“, sagte Flughafensprecherin Katja Bromm.