Hamburg. Nach den Ausschreitungen am 31. Oktober diskutieren Politik und Polizei über die Konsequenzen. War man in Harburg zu naiv?

„Das ist in die Hose gegangen.“ Der örtliche CDU-Mann Rainer Bliefernicht nimmt am Tag nach den Halloween-Krawallen, die sich vor allem im Stadtteil Harburg, aber auch in Lurup oder Osdorf ereigneten, kein Blatt vor den Mund. Bis zu 350 Randalierer nur im Bereich Harburger Ring, gezielte Würfe mit sogenannten Polenböllern auf Einsatzkräfte, Zerstörungen, der Bau von Barrikaden, Wasserwerfereinsatz der Polizei – so war Halloween nicht geplant gewesen.

Ein gut gemeintes, sogenanntes „Geister-Zelt“, die Antwort der örtlichen Politik und Verwaltung im Süden der Stadt, hat nicht wie geplant den öffentlichen Raum besetzen können oder Problemklientel gebunden. Stattdessen war es schlimmer, als in den Jahren zuvor. Jetzt wird über die Einrichtung temporärer Gefahrengebiete nachgedacht.

Halloween-Krawalle: Wird Harburg jetzt zum Gefahrengebiet?

„Man fragt sich, was eigentlich noch alles passieren soll“, sagt Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) am Tag nach dem Halloween-Einsatz. „Man muss sich klarmachen, dass wir es mit einem völlig verrohten Teil der Gesellschaft zu tun haben. Angesichts der Ausschreitungen, die ja, wie in Harburg, immer an denselben Örtlichkeiten stattfinden, sollte man sich überlegen, diese Stellen an relevanten Tagen zum Gefahrengebiet zu erklären, damit die Polizei sehr niederschwellig kontrollieren und andere Maßnahmen durchführen kann.“

Das sieht auch Bliefernicht so. „Man darf solche Zusammenrottungen gar nicht mehr entstehen lassen. Hier sollte man die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen.“

Halloween-Krawalle: Was passiert Silvester?

Beide, Jungfer und CDU-Mann Bliefernicht, sehen schon mit Grausen in Richtung Silvester. Auch dann wird es absehbar wieder zu solchen Ausschreitungen kommen. „Im Notfall muss man auch erkannte Randalierer in Gewahrsam nehmen. Ohnehin ist hier die Justiz gefordert, die mal nicht das mildeste, sondern das härteste Mittel anwenden sollte, das das Jugendgesetz zulässt“, so Jungfer.

Das sieht Horst Niens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) ähnlich. „Es ist nicht mehr zu leugnen, dass wir in Deutschland und in Hamburg ein immer größeres Problem mit Gewalt haben“, so Niens. „Es ist naiv zu glauben, dass aufgrund der Dauer der Strafverfahren die Rechtsprechung in Hamburg ausreichend ist, um präventive Effekte zu erzielen.“ Auch er glaubt, dass spätestens Silvester ähnliche Krawalle zu erwarten sind. „Gewalttäter suchen nur einen Anlass. Ob er Silvester oder Halloween heißt, ist ihnen egal.“

Halloween-Krawalle: Präventiv-Ansatz in Harburg gescheitert

Wenig hält Jungfer von dem präventiven Ansatz, den man in Harburg verfolgt hatte. Die Stadt hatte es sich über 20.000 Euro kosten lassen, vor dem Rathaus ein Zelt aufzubauen, in dem ein Halloween-Programm lief. Die Idee dazu kam aus der Sicherheitskonferenz.

Das Zelt wurde zwar gut angenommen, wurde aber vom eigentlichen Zielpublikum, das so eine Alternative zu dem Krawall am nahen Harburger Ring bekommen sollte, offensichtlich ignoriert. Das hat auch Niens, der selbst vor Ort war, so beobachtet. „Genutzt wurde es von einem bürgerlichen Publikum, aber nicht vom eigentlichen Zielpublikum.“ In anderen Stadtteilen, in denen es Ausschreitungen gab, hatte man von vornherein auf ein vergleichbares Projekt verzichtet.

Halloween-Krawalle: Randale in Lurup

Polizeisprecherin Sandra Levgrün fasst den Einsatz, an dem in ganz Hamburg rund 1200 Beamte beteiligt waren, so zusammen: „Leider haben auch in diesem Jahr zumeist Jugendgruppen das Halloweenfest als Vorwand genutzt, um Einsatzkräfte gezielt anzugreifen.“,

Im Bereich Lurup randalierten am Lüdersring ab 19 Uhr um die 50 Jugendliche. Am dortigen Netto-Markt gingen Scheiben zu Bruch. Randalierer zerrten Müllcontainer auf die Straße und zündeten sie an. „Einsatzkräften gelang es, die Personalien von gut 30 Personen festzustellen“, so ein Beamter. In Lurup wurden auch ein abgebrannter und zwei noch nicht gezündete Molotowcocktails sichergestellt.

Halloween-Krawalle: In Harburg halfen nur noch Wasserwerfer

Rund um das Born Center in Osdorf konnten Einsatzkräfte eine Gruppe mit etwa 150 Jugendlichen auflösen. „Niederschwellig“ hatte man dort Kontrollen durchgeführt und Platzverweise erteilt. Auch konnten 40 „Polenböller“ sichergestellt werden.

In Harburg half am Ende nur noch der Einsatz von Wasserwerfern, um den Krawallen ein Ende zu setzen. Dort hatten sich in der Spitze bis zu 350 Randalierer, hauptsächlich Jugendliche und Heranwachsende, versammelt. Es kam zu Böllerwürfen und Beschuss mit Feuerwerksraketen. Auch Eier und Flaschen flogen.

Halloween-Krawalle: Barrikaden auf der Straße

Auf mehreren Straßen errichteten die Täter Barrikaden. Ein junger Mann schleuderte ein aus der Verankerung gerissenes Verkehrsschild in Richtung Einsatzkräfte. Erst am späten Abend beruhigte die Lage. Fünf Krawallmacher im Alter von 14 bis 36 Jahren wurden noch während der Ausschreitungen festgenommen.

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Am Mittwochnachmittag hieß es, dass im Zusammenhang mit den Ausschreitungen rund um den Harburger Ring bereits elf Ermittlungsverfahren, unter anderem wegen des Verdachts des schweren Landfriedensbruchs sowie des Verdachts der gefährlichen oder schweren Körperverletzung, eingeleitet wurden. Auch in anderen Stadtteilen wie Billstedt, Rahlstedt oder Steilshoop kam es zu Halloween zu kleineren Ausschreitungen.

Halloween-Krawalle: auch antisemitische Motive?

Eine nur untergeordnete Rolle spielten bei den Ausschreitungen antisemitische Motive. In Harburg gab es vereinzelt vor Reportern entsprechende Äußerungen. Am Born Center in Osdorf wurde ein 17-Jähriger festgenommen, der pro-palästinensische und israelfeindliche Parolen gebrüllt hatte. Gegen Janus K., der nach seiner Personalienfeststellung auf freiem Fuß blieb, ermittelt jetzt die Staatsschutzabteilung wegen Volksverhetzung.