Mit Hannelore Greve verliert die Stadt ihre Ehrenbürgerin und wohl bedeutendste Mäzenin. Sie starb im Alter von 96 Jahren

Mit der Ehrenbürgerin Hannelore Greve verliert Hamburg eine sehr bedeutende – was die Spendensummen betrifft, wohl sogar die bedeutendste Mäzenin der Stadtgeschichte. Möglicherweise würde ihre Bedeutung noch höher bewertet werden, wenn sie alleine agiert hätte.

Doch die jetzt im Alter von 96 gestorbene Greve wollte das gar nicht, und sie und ihren 2016 verstorbenen Ehemann Helmut gab es sozusagen immer nur im Doppelpack. Hannelore Greve stand dabei aber – anders als viele andere Frauen ihrer Generation – nie im Schatten ihres Mannes, sondern sie wurde von diesem als seine kongeniale Partnerin angesehen. 71 Jahre lang waren beide glücklich verheiratet, und als Helmut Greve aus dem Vorstand der Dr. Helmut Greve Bau und Boden AG ausschied – das ein deutliches Zeichen – überließ er umgehend seiner Frau den Vorsitz.

Hannelore Greve und ihr Mann zählten zu den bedeutendsten Stiftern Deutschlands

Die Greves waren sehr erfolgreiche Immobilienunternehmer und zählten zu den bedeutendsten Stiftern Deutschlands. Um die 3000 Wohnungen ließen sie zunächst in der Nachkriegszeit errichten, später konzentrierten sie sich vor allem auf Gewerbeflächen. Zu ihrem Firmengeflecht gehören auch Ladenpassagen, Seniorenresidenzen und Hotels. Die Alstercity ist ein Greve-Werk, ebenso das New Living Home in Lokstedt. Jahrzehntelang haben beide nicht versäumt, Erworbenes an die Gemeinschaft zurück gegeben, wie sie es immer nannten. In Hamburg, aber auch international, unterstützten die Greves zahlreiche Projekte im kulturellen, wissenschaftlichen und sozialen Bereich.

Eine Liste ihrer Schenkungen und Stiftungen würde Seiten füllen, einige Beispiele mögen reichen. Der Akademie der Wissenschaften sicherten sie die Anlauffinanzierung, der Hochschule für Musik und Theater einen Anbau. Die zwei Mäzene spendeten die Flügelbauten der Hamburger Universität und gaben 30 Millionen Euro für den Bau der Elbphilharmonie. Sie förderten aber beispielsweise auch das Institut für Friedensforschung, die Ambulante Chemotherapie im UKE und unzählige andere soziale, kulturelle und wissenschaftliche Vorhaben.

Hannelore Greve beim Empfang zu ihrem 90. Geburtstag im Gästehaus des Senats mit dem damaligen Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Hannelore Greve beim Empfang zu ihrem 90. Geburtstag im Gästehaus des Senats mit dem damaligen Bürgermeister und heutigen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). © Andreas Laible | Andreas Laible

Mit Hannelore Greves alleinigem Namen ist eine besondere Ehrung verbunden: Seit 2004 wird der Hannelore-Greve-Literaturpreis alle zwei Jahre von der Hamburger Autorenvereinigung für „herausragende Leistungen auf dem Gebiet der deutschsprachigen Literatur“ vergeben.

Hannelore und Helmut Greve: Zwei Mäzene, auf die Hamburg stolz sein müsste

Zwei Mäzene also, auf die eigentlich jeder stolz sein konnte. Doch wie man in der Stadt zeitweise mit den Greves umging, war schon eine seltsame Hamburgensie für sich. Immer mal wieder wurde – meist hinter vorgehaltener Hand – kritisiert, dass beide zu viel mitmischen und mitbestimmen wollten und es auch und vor allem auf prestigeträchtige Spendenprojekte abgesehen hätten. Aber kann es ein Zuviel an guten Taten geben? Auch hat Hannelore Greve stets deutlich klargestellt, dass sie ihr privilegiertes Leben einerseits als Geschenk, andererseits aber auch als Verpflichtung ansah.

Als den beiden Greves im Jahr 2005 die Ehrenbürgerwürde der Stadt verliehen wurde, machte sie das in ihrer Rede überdeutlich. „Wir haben unser Leben unverdient geschenkt bekommen, sind im Krieg entgegen aller Wahrscheinlichkeit – wie durch ein Wunder – körperlich unversehrt geblieben und verdanken der freiheitlichen Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland, uns erfolgreich betätigen zu können. Wir betrachten deshalb alles Erworbene als ein sorgfältig zu verwaltendes, auf Zeit anvertrautes Gut.“

Kritik an den „Baulöwen“: Bürgermeister Henning Voscherau musste einschreiten

Dass die beiden Stifter bei dieser Gestaltung und Verwaltung ihrer Zuwendungen – logischerweise, sollt man meinen – ein gewichtiges Wort mitreden wollten, passte nicht allen. Das wurde besonders deutlich, als die Greves der Stadt im Jahr 1995 die Schenkung die Flügelbauten ankündigten, die heute das Hauptgebäude der Universität flankieren. Nicht nur gegen die Architektur der beiden Gebäude gab es damals Einwände von Experten, die eilfertig überall verbreitet wurde, sondern an dem ganzen Prozedere vorab.

Die Kritik an den „Baulöwen“ war dann letztlich mehr Greve-Bashing als Diskussionsbeitrag – sodass schließlich sogar der damalige Bürgermeister Henning Voscherau die beiden Mäzene öffentlich in Schutz nehmen musste. Ein Rundgang der Greves geriet zu einem peinlichen Fiasko. Auf dem Campus wurden sie als „Bonzen“ beschimpft, Farbbeutel flogen. Dass die 65 Millionen D-Mark für die Gebäude die größte Einzelspende waren, die jemals an eine deutsche Universität vergeben wurde, fand weniger Aufmerksamkeit als der Kleinkrieg drumherum. Später blieb von dem ganzen Theaterdonner nicht mehr viel übrig, und die beiden Bauten wurden schnell und unverrückbar Teil der Universität.

Hannelore Greve war erst die dritte Frau, die in Hamburg Ehrenbürgerschaft erhielt

Hannelore Greve, die selbst sehr tolerant war, haben diese Schmähungen getroffen und verärgert. „Wenn man uns nicht haben will, können wir das auch lassen“, hatte sie dem Abendblatt noch während des Rundgangs gesagt. Ein Stachel blieb. In ihrer Rede im Rathaus im Jahr 2005, also zehn Jahre später, sprach sie über ihre Hilfsprojekte und die große Unterstützung, die sie dafür in der Welt bekomme. Dann folgte eine unmissverständliche Anspielung auf die Vorkommnisse von einst: „In unserer hiesigen überregulierten Welt ungeteilte Zustimmung zu finden war ungleich schwieriger“, so Greve.

Und im Zusammenhang mit der Elbphilharmonie sprach sie demonstrativ von „erstaunlich einhelliger Zustimmung der Architektenschaft Hamburgs“. Übrigens war Hannelore Greve erst die dritte Frau in der Geschichte Hamburgs – nach Ida Ehre und Marion Gräfin Dönhoff –, der die Ehrenbürgerschaft zuteil wurde. Trotz einiger Blessuren im Verhältnis zu ihrer Heimatstadt waren und blieben die Greves, stolze Lokalpatrioten im besten Sinne.

Seinen Wohlstand ließ sich das Ehepaar zwar durchaus anmerken, und ihre Titel – die beiden waren unter anderem auch Ehrenprofessor bzw. -professorin – trugen sie mit Stolz. Das scheint manchen im angeblich ach-so-bescheidenen Hamburg nicht gefallen zu haben. Doch die Greves wollten eben auch strahlen, wollten neben Dankbarkeit auch Prestige gezielt nach außen tragen – und zwar, um andere zum Mitmachen zu animieren.

Am 16. November 2018 erhielt die Schriftstellerin Ulla Hahn (r.) im Beisein von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und der Stifterin den nach ihr benannten Hannelore-Greve-Preis.
Am 16. November 2018 erhielt die Schriftstellerin Ulla Hahn (r.) im Beisein von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und der Stifterin den nach ihr benannten Hannelore-Greve-Preis. © Marcelo Hernandez | Marcelo Hernandez

Es war kein Zufall, dass Hannelore Greve in ihrer Rede 2005 einige der von beiden unterstützte Projekt aufzählte, die weit weniger bekannt waren als Elbphilharmonie und Flügelbauten. Da ging es dann zum Beispiel um indigene Völker in Südamerika und den Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung in Afrika. „Gleiches gilt für entsprechendes Handeln auf dem Balkan, in Ungarn und Estland“, so Greve. Das war ganz offenkundig Werbung – für andere gute Zwecke, die vielen gar nicht geläufig waren. Viele Projekte unterstützten die beiden so großzügigen Menschen auch über die mennonitischen Gemeinde Hamburg – ohne das jedes Mal an die große Glocke zu hängen.

Hannelore Greve, eine kluge, gebildete Frau und exzellente Gastgeberin, gab nicht die politisch bewegte „Mahnerin“, was ihr in Hamburg vermutlich mehr Applaus eingebracht hätte. Sie bewegte sich sehr sicher auf dem gesellschaftlichen Parkett und sah bei Empfängen auch immer aus wie eine große Dame. Doch teurer Schmuck und elegante Kleidung konnten leicht einen falschen Eindruck vermitteln. Sie war nicht arrogant, sondern bodenständig, aufgeschlossen und behandelte jeden und jede mit Höflichkeit und Respekt. Oft sprachen die Greves über die Anfangsjahre ihrer Ehe mitten im Krieg. Kennengelernt hatten sich der junge Marinesoldat Helmut Greve und die erst 16-jährige Hannelore Schulz bei einem Tanz in Wesel am Niederrhein. 1944 folgte eine Kriegsheirat zwischen Fronturlaub und Fliegeralarm. Zwar hatte Helmut Greve nach dem Krieg zwei Grundstücke geerbt, doch der wirtschaftliche Aufstieg war in den Nachkriegsjahren auch von vielen Unwägbarkeiten und vor allem harter Arbeit geprägt. Diese Zeit schweißte das Ehepaar, dem drei Töchter geboren wurden, für immer zusammen.

1969 eröffnete Hannelore Greve ein Möbelhaus am Mexikoring

Hannelore Greve, das darf nicht übersehen werden, war selbst Unternehmerin: 1969 hatte sie in der City Nord am Mexikoring ein Möbelhaus eröffnet, 1980 folgte der Umzug an den Überseering. „Die Einrichtung von Wohnräumen ist nicht nur eine Frage der Optik, sondern vor allem der Harmonie“, war dabei ihr Credo, das sich in gewisser Weise auch auf sie selbst übertragen lässt. 2019 übergab sie die Geschäfte dann an ihre Enkelin Anna-Maria Greve.

Helmut und Hannelore im Wohnzimmer ihres Hauses am Alsterufer (Rotherbaum). Sie waren 71 Jahre glücklich verheiratet.
Helmut und Hannelore im Wohnzimmer ihres Hauses am Alsterufer (Rotherbaum). Sie waren 71 Jahre glücklich verheiratet. © Andreas Laible

Nachdem Helmut Greve im Juli 2016 gestorben war, musste seine Witwe ihren 90. Geburtstag im selben Jahr nach 71-jährigem Zusammensein erstmals alleine feiern. Es sei für sie sehr schwer, dass ihr Mann nun nicht mehr wie gewohnt neben ihr sitze, sagte die Jubilarin damals Reportern. Ablenkung fand sie bei ihrer Familie und ihrem Freundeskreis. Nur ein Jahr nach Helmut Greve starb auch die älteste Tochter, Annelie Kümpers-Greve. Beide sind auf dem Friedhof der Mennonitischen Gemeinde in Altona bestattet, wo auch Hannelore Greve ihre letzte Ruhestätte finden wird.

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Anlässlich ihres 90sten Geburtstags dankte der damalige Bürgermeister Olaf Scholz Hannelore Greve bei einem Frühstück im Gästehaus des Senats am Feenteich für ihr „langjähriges Engagement als Stifterin, Unternehmerin und als Bürgerin“. Sie habe sich schon früh als eine „entschlossene Frau“ gezeigt, „die alles mit großer Energie und viel Disziplin angeht“, sagte Scholz. Hamburg hat Hannelore Greve viel zu verdanken. Sehr viel.