Es muss nicht immer Goethe sein: Zitate, Redewendungen und Sprichwörter sind gespeicherte Textbausteine unserer Sprache.
Wenn wir reden oder schreiben, bilden wir nicht ständig neue Wortzusammenstellungen. Unsere Sprache ist kein pausenloses stilistisches Unikat, sondern wird durchsetzt mit im Gehirn gespeicherten Textbausteinen, die in passenden Situationen abgerufen und eingeflochten werden. Dabei handelt es sich um Zitate, Redewendungen oder Sprichwörter, die zum Kontext unserer Rede passen.
Die Abgrenzung zwischen Zitat, Redensart und Sprichwort ist nicht scharf getrennt. Ein Zitat ist eine wörtlich zitierte Textstelle, eine Redensart eine formelhafte, immer wieder gebrauchte Verbindung von Wörtern und ein Sprichwort ein kurzer, volkstümlicher Satz, der eine praktische Lebensweisheit enthält – etwa „Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben“.
Ein Einsender mit Migrationshintergrund schrieb mir, er lese regelmäßig meine Artikel über die deutsche Sprache im Abendblatt, und fuhr fort: „Ich möchte gerne wissen, woher der Satz stammt ‚Ich kenne meine Pappenheimer‘. Könnten Sie mir dies erklären?“
Woher die Redensart „Ich kenne meine Pappenheimer“ kommt
Obwohl ich bei derartigen Anfragen, die nichts mit meinen aktuellen Texten zu tun haben, im Allgemeinen sehr zurückhaltend bin, war ich diesmal hocherfreut. Ich spürte, dass hier ein Ausländer oder Migrant versuchte, mehr von Deutschland und dessen Kultur und Literatur zu ergründen als die Anleitung zur Bedienung eines Fahrkartenautomaten.
Ich möchte nicht missverstanden werden: Die Kenntnis der deutschen Klassiker, die selbst die Einheimischen kaum noch beherrschen, ist keineswegs die Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration, zeigt aber das Interesse, die Sprache auch dann verstehen zu wollen, wenn feste Verbindungen nicht wörtlich zu nehmen sind, sondern einen tieferen Sinn und eine bestimmte Bedeutung haben.
Die Redensart „Ich kenne meine Pappenheimer“ ist ein Zitat aus dem Drama „Wallensteins Tod“ (3. Akt, 15. Szene) von Friedrich Schiller, das im Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) spielt. Der vorher erfolgreiche katholische Feldherr Albrecht von Wallenstein, Herzog von Friedland, war 1634 beim Kaiser in Ungnade gefallen und von seinen Regimentern verlassen worden. Nur das Kürassierregiment des Grafen von Pappenheim blieb bei ihm und fragte bei ihm nach. Darauf sagte Wallenstein: „Daran erkenne ich meine Pappenheimer.“ Wallenstein wurde am 25. Februar 1634 in Eger (Tschechien) ermordet.
Wenn Zitate Flügel bekommen
Wie viele Zitate aus Literatur und Schauspiel ist diese Zeile zum geflügelten Wort, zur von der Quelle und dem Kontext losgelösten Redensart geworden und bedeutet nun zu wissen, woran man mit bestimmten Leuten ist. Das Zitat hat also Flügel bekommen, ist von der Bühne oder aus dem Textbuch davongeflogen und zum „geflügelten Wort“ in der Alltagssprache geworden. Diesen Ausdruck prägte der Berliner Oberlehrer Georg Büchmann mit seinem Werk „Geflügelte Worte – der Citatenschatz des deutschen Volkes“, das im Jahre 1864 erschien.
Die Wortgruppe „jemandem einen Bären aufbinden“ hat in ihrer Gesamtheit eine bestimmte Bedeutung und darf in ihren Einzelteilen nicht wörtlich genommen werden. Nur wenn man diese Gesamtbedeutung kennt, versteht man, dass die Verschwörungstheoretiker den Mitläufern keinen Bären auf den Rücken gebunden, sondern sie dazu gebracht haben, etwas Unwahres zu glauben.
Weitere „Deutschstunden“
- Wenn die Vergangenheit zur Gegenwart wird
- Tempus, Tempora, Tempi und noch einiges mehr
- Als Eigenname herabgestuft zum Adjektiv
Nehmen wir einmal an, unser ausländischer Freund hört im Gespräch etwas von des Pudels Kern, kann jedoch unter dem Tisch keinen Hund entdecken. Die Erklärung ist, dass diesmal Goethes „Faust“ zitiert wurde. Dem Doktor Faust war vom Osterspaziergang her ein schwarzer Pudel ins Studierzimmer gefolgt, der sich in Mephisto, in den Teufel, verwandelte. Erstaunt rief Faust: „Das also war des Pudels Kern.“ Man verwendet das Zitat, um seiner Überraschung über eine Sache oder einen Vorgang, der sich lange nicht durchschauen ließ, Ausdruck zu verleihen.
Es muss nicht immer Goethe sein. Kenner verwenden Tausende von Zitaten und Redewendungen oder werfen mit Sprichwörtern um sich. Die Zahl der geflügelten Worte ist fast endlos. Dudens „Großes Buch der Zitate und Redewendungen“ enthält immerhin 15.000 Beispiele.