Hamburg. Denkmalverein will „bedeutendes Ingenieurbauwerk“ retten und greift Senat scharf an. CDU plädiert für schnellen Neubau.
Der Streit über die Zukunft der Köhlbrandbrücke – und damit auch über den Zustand der Hamburger Rathauskoalition – reißt nicht ab. Jetzt spricht der Hamburger Denkmalverein offen über ein Volksbegehren. Der Erhalt des knapp 50 Jahre alten „wichtigen Bauwerks“ liege zweifellos im Interesse der großen Mehrheit der Bürger. „Und schon aus weitaus nichtigeren Gründen wurden Volksbegehren initiiert“, teilt der Verein am Mittwoch in einer Stellungnahme mit. Das sollte sich der Senat „klarmachen“.
„Aktuell“ plane man zwar kein eigenes Volksbegehren, sagt Kristina Sassenscheidt, die Geschäftsführerin des Denkmalvereins - und betont dabei das Wort „aktuell“. Und sie sagt auch, dass der Verein ein von Hamburgern initiiertes Volksbegehren mit dem Ziel, die Brücke zu retten, unterstützen würde.
Denn für den Denkmalverein ist die Brücke ein „Wahrzeichen der Stadt, ein bedeutendes denkmalgeschütztes Ingenieurbauwerk und ein wichtiges Zeugnis der Hamburger Verkehrsgeschichte“, das unbedingt erhalten werden sollte, argumentiert Sassenscheidt. Sie fordert den Senat auf, „die bautechnische, funktionale und wirtschaftliche Erhaltungsfähigkeit der Köhlbrandbrücke in vertiefenden und unabhängigen ingenieur- und verkehrstechnischen Untersuchungen eingehend, gewissenhaft und ergebnisoffen prüfen zu lassen“.
Köhlbrandbrücke: Hafenwirtschaft fordert neue Bauwerk
Die Stadt, so Frau Sassenscheidt, habe sich im Denkmalschutzgesetz verpflichtet, durch „vorbildliche Erhaltungsmaßnahmen an Denkmälern für den Wert des kulturellen Erbes in der Öffentlichkeit“ einzutreten. „Es ist zu befürchten, dass der Senat sich einmal mehr dieser Verantwortung zu entziehen versucht“, kritisiert der Denkmalverein.
Für die Hamburger CDU hat sich jetzt deren Landesvorsitzender und Fraktionschef Dennis Thering klar für einen Neubau einer Köhlbrandquerung ausgesprochen. Die Köhlbrandbrücke sei nicht nur marode, sondern auch zu niedrig für die neueste Containerfrachter-Generation. „Das ist ganz klar, wir brauchen schnell einen Ersatz“, sagte Thering. Der Unternehmensverband Hafen Hamburg sieht das genauso. Ohne eine neue Köhlbrandquerung steht aus Sicht der Hafenwirtschaft die Zukunft des größten deutschen Seehafens auf dem Spiel.
CDU kritisiert „Zerrissenheit“ der Rathauskoalition
Bei der Planung eines Ersatzbauwerks habe der Senat schon „wertvolle Zeit“ verstreichen lassen, kritisiert Thering. Was er meint: Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard (SPD) hat alle bisherigen Planungen zum Bau eines Tunnels gestoppt. Wegen des instabilen Elbbettes und explodierender Kosten – aktuell wird mit 5,31 Milliarden Euro für einen Tunnel gerechnet – laufen die Planungen jetzt auf den Bau einer neuen Köhlbrandbrücke hinaus. „Der Senat irrlichtert bei der Köhlbrandquerung herum. Das geht zu Lasten der Hamburger Hafenwirtschaft, kritisiert Thering.
Für den Oppositionsführer in der Bürgerschaft zeigt der senatsinterne Streit die „Zerrissenheit der rot-grünen Koalition“. Der Hintergrund: Der grüne Umweltsenator Jens Kerstan hatte sich im Abendblatt für eine Sanierung des in die Jahre gekommenen Bauwerks ausgesprochen. Zwar deklarierte er die Aussage als „Privatmeinung“, löste aber dennoch viel Widerspruch aus.
SPD-Fraktionschef greift grünen Senator an
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscharf nannte im Abendblatt Kerstans Vorstoß „reines Sommertheater“ und riet dem Grünen, „nicht mit Halbwissen in den Fachbereichen anderer Senatsmitglieder unterwegs“ zu sein. Vielmehr solle sich der Senator „primär um die vielen Baustellen in seinem eigenen Ressort“ kümmern.
An dem Beispiel erkenne man, dass sich die Koalitionspartner nichts mehr zu sagen hätten, behauptet Dennis Thering. „Der Senat macht es uns als Opposition relativ einfach.“
Köhlbrandbrücke: Gutachten ist schon 15 Jahre alt
Unterdessen hat sich auch Kultursenator Carsten Brosda in die Debatte eingeschaltet. Der SPD-Politiker hält wenig von der Idee, die Köhlbrandbrücke als Fußgänger- oder Fahrradüberweg zu erhalten. „Wenn die Brücke ihren Zweck nicht mehr erfüllt, ich diesen Zweck aber brauche, nennen wir das im Denkmalrecht ein überragendes Interesse, das den Eingriff in den Denkmalschutz rechtfertigt“, sagte Brosda in NDR-Interview. „Dann kann ich sie individuell noch so schön finden. Dann reicht Schönheit allein nicht aus.“
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Hintergrund des Streits um die 1974 eröffnete Brücke ist ein 15 Jahre altes Gutachten. Das hatte die Hafenbehörde HPA in Auftrag gegeben. Darin steht, dass die Brücke nicht abgerissen werden müsse und saniert werden könne. Nur: Dieses Gutachten stammt aus dem Jahr 2008. Seither ist die Brücke weitere 15 Jahre stark beansprucht worden – von aktuell 38.000 Fahrzeugen täglich, knapp 40 Prozent davon sind Lkw.