Hamburg. Grüne wollen Fachkräftemangel mit dem Modell entgegenwirken. SPD ist offen. Wie, wann und wo erstes Projekt in Hamburg starten soll.
Weniger Stress und mehr Freude am Job für die Mitarbeiter, weniger Krankmeldungen und Burn-out und eine gestiegene Produktivität, die auch die Arbeitgeber glücklich macht: Erste Untersuchungen zur Reduktion der Wochenarbeitszeit auf vier Tage haben überraschend positive Ergebnisse gezeigt. Längst experimentieren auch in Deutschland Firmen mit der Viertagewoche. Auch Gemeinden wollen ihre Verwaltung auf eine verkürzte Wochenarbeitszeit umstellen, etwa Wedel. Nun soll das Modell auch in Hamburg Einzug halten.
In einem kürzlich von der Landesmitgliederversammlung beschlossenen Antrag zur „Zukunft der Wirtschaft in Hamburg“ haben die Grünen dazu einen konkreten Vorschlag gemacht. „Wir wollen die 4-Tage-Woche in einem kleineren öffentlichen Unternehmen und einem sich freiwillig meldenden Amt einer Fachbehörde, das bei gleichbleibenden Aufgaben und Personal in 4-Tage und 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich arbeitet, gemeinsam mit den Personalräten pilotieren – um bei erfolgreicher Evaluation eine breite Akzeptanz für dieses Modell zu erreichen“, heißt es in dem von den Grünen-Mitgliedern beschlossenen Antrag.
Viertagewoche: Das Modell soll dem Fachkräftemangel entgegenwirken
Wesentliche Begründung für den Vorstoß ist der Mangel an Fachkräften. „Würden bundesweit nur zehn Prozent der Frauen in Teilzeit auf die Vier-Tage-Vollzeit gehen, würde das Arbeitsvolumen stärker steigen als durch die angestrebte Fachkräfteeinwanderung von 400.000 Menschen pro Jahr“, heißt es in dem Beschluss. „Außerdem würden viele Fachkräfte in Berufe wie die Pflege zurückkehren, wenn durch eine reguläre Arbeitszeitverkürzung die Arbeitsbelastung sinkt.“
Der Vorschlag sei bereits erprobt. „Studien belegen, dass Effektivität, Produktivität und Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten gesteigert sowie die Krankmeldungen um 65 Prozent und die Burnout-Empfindungen um 71 Prozent reduziert werden konnten“, schreiben die Grünen in dem beschlossenen Papier. Der Grünen-Landesvorsitzende Leon Alam will Hamburg und seine Verwaltung mit dem Vorhaben unter den großen Städten sogar zu einem bundesweiten Vorreiter der Viertagewoche machen.
Behörden in Hamburg sollen durch Viertagewoche attraktivere Arbeitgeber werden
„Behörden können als Arbeitgeber gehaltstechnisch nicht immer mit der freien Wirtschaft mithalten“, sagte Alam dem Abendblatt. „Gerade angesichts des Fachkräftemangels wäre es ein zusätzlicher Anreiz, wenn wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Hamburger Verwaltung eine Viertagewoche mit 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich anbieten könnten.“
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Auch international gebe es ja „mittlerweile mehrere Untersuchungen, die zeigen, dass die Viertagewoche nicht nur für mehr Zufriedenheit und weniger Stress bei den Mitarbeitenden sorgen kann – sondern auch zu einer Steigerung der Produktivität führt“, so Alam. „Hamburg wäre mit der zunächst testweisen Einführung bundesweit Vorreiterin bei der Erprobung der Viertagewoche.“ Bisher stünden allerdings noch keine Details zum Start des Pilotprojekts fest, sagte der Grünen-Chef. „Der Vorschlag wird auch Teil unseres Wahlprogramms zur Bürgerschaftswahl 2025 sein.“
Viertagewoche: SPD-Chefin für das neue Modell bei vollem Lohnausgleich
Dass die Idee auch in einer rot-grünen Koalition in Hamburg durchaus Chancen haben könnte, zeigt die Reaktion aus der SPD. „Aus Sicht der SPD kann man mal in Ruhe prüfen, ob das sinnvoll ist“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf dem Abendblatt.
Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken hatte sich im Frühjahr für eine Viertagewoche bei vollem Lohnausgleich ausgesprochen. Bei einer Viertagewoche bleibe „mehr Zeit, Dinge wieder selbst zu erledigen, für die man im Fünftage-Stress Unterstützung braucht“, so Esken. „Partiell haben wir für die Organisation unseres eigenen Lebens doch keine Zeit mehr, weil wir zu viel arbeiten.“