Hamburg. Am Wochenende segeln auf der Außenalster in Hamburg 340 Frauen in 66 Teams. Auch ein ukrainisches Boot geht an den Start.

Von ihrem Arbeitsplatz aus hat Silke Basedow ihre Leidenschaft fest im Blick. „Ich gucke direkt auf die Alster und sehe immer, wie der Wind gerade ist“, sagt die 39-jährige Seglerin vom Hamburger Segel Club (HSC). Nur der Handyempfang sei in ihrem Büro ausbaufähig, weshalb sie zum Telefonieren öfter mal den Raum wechseln müsse.

Eigentlich könnte sie ihren Arbeitsplatz auch gleich aufs Segelboot verlegen, schließlich verbringt sie dort ohnehin einen Großteil ihrer Zeit. Basedow ist eine der besten Seglerinnen Deutschlands und geht als Favoritin beim Helga Cup an den Start, der am Wochenende auf der Außenalster ausgetragen wird.

Die Regatta, an der ausschließlich weibliche Teams teilnehmen dürfen, ist weltweit die größte dieser Art. Basedow gewann sie zuletzt dreimal in Folge. Und trotzdem sagt sie: „Ich hoffe, dass wir dieses Jahr mal geschlagen werden.“ Wie kann das sein?

Helga Cup: Silke Basedow gewann bereits dreimal

Hinter dieser Aussage stehen mitnichten verlorener Ehrgeiz oder gar die Ar­roganz einer Dauersiegerin. Natürlich möchte Basedow mit ihrem Team den prestigeträchtigen Wettbewerb auch ein viertes Mal gewinnen, auch wenn sie in diesem Jahr kein einziges Mal zusammen trainiert haben, weil die Mitglieder in Koblenz, Hamburg und Kiel verstreut wohnen.

Doch wichtiger als der eigene Erfolg ist Basedow, ihr persönliches Ziel zu verwirklichen: „Meine Mission ist, Menschen und vor allem Frauen für das Regattasegeln zu begeistern. Das treibt mich an.“

Und weil Basedow um ihre eigene Stärke auf dem Segelboot weiß, „wäre eine Niederlage für mich das beste Zeichen für das Niveau der Regatta und die Entwicklung im Frauen-Segelsport“, wie sie sagt. „Ich möchte, dass immer mehr Frauen immer besser werden, damit das Geschlecht irgendwann keine Rolle mehr spielt.“

Segelevent auf der Alster: Olympionikin gegen Amateurinnen

Der Helga Cup habe diese Entwicklung in den vergangenen Jahren in großen Schritten vorangetrieben. Seit 2018 gibt es die Regatta auf der Außenalster, die sich schnell zu einem beliebten internationalen Event entwickelt hat.

„Der Helga Cup hat eine Bewegung gestartet, wodurch Frauen im Segeln eine ganz andere Wahrnehmung bekommen haben“, sagt Basedow. Das Rennen ist für alle offen, es ist keine Qualifikation nötig, selbst die Boote werden gestellt.

Die Hürden sollen möglichst gering sein – und so kommt es vor, dass in einem Rennen eine Olympiateilnehmerin gegen eine Anfängerin startet, denn in der Vorrunde, die bis Sonntagmittag läuft, fahren alle Teams gegeneinander.

„Die Mischung macht es so interessant“, sagt Basedow, die trotzdem auch den sportlichen Wert der Regatta hervorhebt: „Am Ende ist das Finale mit den zehn besten Teams auf einem extrem hohen Level. Da kann jede Mannschaft gewinnen.“

Auch ein ukrainisches Team ist beim Helga Cup am Start

Mindestens genauso wichtig wie der sportliche Wettkampf ist für die Bundesligaseglerin der abendliche Austausch mit den anderen Teilnehmerinnen aus der ganzen Welt.

In diesem Jahr lockt die Regatta 66 Teams mit 340 Seglerinnen aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Monaco, der Schweiz, Schweden, den Niederlanden, Kanada, den USA, der Ukraine und England auf das Gelände des Norddeutschen Regattavereins (NRV).

Unter ihnen werden auch die Seglerinnen des Odessa Racing Yacht Clubs sein. Das Team besteht aus fünf Frauen, die aus der ukrainischen Hafenstadt Odessa kommen. Am Wochenende treten sie gemeinsam beim Helga Cup an und werden sportlich mit einigen Herausforderungen konfrontiert sein.

„Wir sind noch nie als Team gemeinsam auf einer Yacht und auch noch nie auf der J/70, dem Segelboot in Hamburg, gesegelt“, so Natalia Kaptusarova (50), Geschäftsführerin des Clubs.

Ihre gute Stimmung lässt sie sich dadurch allerdings nicht nehmen, denn allein die Teilnahme des Teams am Helga Cup ist ein riesiger Gewinn für die Frauen aus der Ukraine, die vor dem Krieg in ihrem Heimatland in verschiedenste europäische Staaten wie Portugal, Spanien oder die Niederlande fliehen mussten. Am Wochenende treffen sie nach langer Zeit wieder aufeinander und können gemeinsam ihrer Leidenschaft nachgehen: dem Segeln.

Team aus Odessa segelt zum ersten Mal gemeinsam

Kaptusarova selbst kam 2022 als Kriegsflüchtling aus der Ukraine nach Deutschland. Untergekommen ist sie in der nordrhein-westfälischen 500-Seelen-Gemeinde Wunderhausen. Zum Segeln kam sie erst vor fünf Jahren, war aber von Anfang an begeistert von dem Sport.

Es folgten Jahre als Skipperin im Mittelmeer sowie eine Transatlantiküberquerung. 2019 gründete sie schließlich in ihrer Heimat Odessa das erste Frauen-Segelteam in der Südukraine, mit dem sie sowohl europäische als auch ukrainische Meisterschaften im Frauensegeln organisierte.

Die gelernte Journalistin fühlt sich in Deutschland sehr wohl – und möchte auch nach Ende des Krieges hier bleiben: „Ich lerne gerade Deutsch und möchte eine Ausbildung zur Segelmacherin anfangen.“ Ein solches Handwerk dürfte gerade in Hamburg gefragt sein.

Kaptusarova hofft, langfristig in Hamburg arbeiten und leben zu können. In naher Zukunft liegt aber erstmal die Regatta auf der Alster: „Als ich vom Helga Cup erfahren habe, war für mich sofort klar, dass ich daran teilnehmen möchte.“

Ukrainerinnen konnten seit Kriegsbeginn kaum trainieren

Anna Kabakova ist eine der ukrainischen Seglerinnen, die Kaptusarova bei der Regatta unterstützen wird. Auch die gelernte Konditorin ist im vergangenem Jahr vor dem russischen Angriffskrieg geflohen und hat in Bremen eine neue Heimat gefunden.

In Deutschland konnte die 36-Jährige ihrer Leidenschaft bislang aber noch gar nicht nachgehen. Auch ihren Teamkolleginnen ging es ähnlich. Umso größer ist deshalb ihre Vorfreude auf das kommende Wochenende: „Ich bin sehr froh, dass ich an der Regatta teilnehmen kann und freue mich darauf, endlich meine Freundinnen wiederzusehen und mit deutschen Seglerinnen Kontakt aufzunehmen.“

Eine Freude, die Silke Basedow teilt: „ Ich finde es toll, dass sie dabei sind. Das ist ein gutes Zeichen, um Sichtbarkeit und Unterstützung zu schaffen. Das Segeln schafft vielleicht Ablenkung von den täglichen Sorgen.“

Ob die Ukrainerinnen Silke Basedow sportlich den Rang ablaufen können bleibt zweifelhaft, dass der Helga Cup für alle Teilnehmerinnen ein echtes Highlight wird, ist hingegen wohl gewiss.