Kiel/Hamburg. Ein Mann tötet in der Bahn nach Hamburg zwei junge Leute und verletzt weitere Fahrgäste lebensgefährlich. Wie es jetzt weitergeht.

Die Justizministerkonferenz zieht weitgehende Konsequenzen aus der Bluttat von Brokstedt. Auf Initiative von Schleswig-Holstein, Hamburg und in einem Fall auch von Baden-Württemberg beschlossen die Politiker bei ihrer Frühjahrstagung in Berlin drei Anträge mit dem Ziel, menschliche Fehler in Behörden mittels einer neuen digitalen Plattform zu minimieren und eine bundesweite Datenbank zu Messerangriffen aufzubauen.

Die Tat von Brokstedt hatte bundesweites Entsetzen ausgelöst. Ein erst wenige Tage zuvor aus der JVA Billwerder entlassener Mann hatte in der Regionalbahn von Kiel nach Hamburg scheinbar wahllos Fahrgäste angegriffen. Dabei starben eine 17-Jährige aus Elmshorn und ihr zwei Jahre älterer Freund. Die beiden waren auf der Fahrt von der Schule nach Hause. Der staatenlose Ibrahim A. verletzte mit einem Messer aus dem Supermarkt fünf weitere Fahrgäste schwer. Die Aufarbeitung legte eine ganze Reihe gravierender behördlicher Fehler offen.

„Solche Taten beunruhigen und verunsichern uns alle als Bürgerinnen und Bürger sehr“, erklärte dazu am Freitag Schleswig-Holsteins Justizministerin Kerstin von der Decken (CDU). „Denn bei derartigen Straftaten im öffentlichen Raum wächst die Befürchtung, selbst zufälliges Opfer eines Angriffs zu werden.“

„Fall Brokstedt“: Minister wollen Fehler in Behörden minimieren

Schleswig-Holstein hatte gemeinsam mit Hamburg zwei Anträge eingebracht und einen gemeinsam mit Baden-Württemberg. Dabei ging es laut von der Decken auch darum, nach der Bluttat Verantwortung zu übernehmen.

„Der Staat kann solche Taten nicht in jedem Fall verhindern. Es liegt aber in unserer Verantwortung, notwendige Schritte zur Verbesserung der Sicherheit, der Behördenkommunikation und der Datengrundlage für mögliche Anpassungen im Strafrecht einzuleiten.“

Behörden sollen besser vernetzt werden

Gemeinsam mit Baden-Württemberg hatte Schleswig-Holstein darauf gedrängt, eine bundesweite Datenbank zu Messerangriffen aufzubauen. Jetzt soll bis Herbst ermittelt werden, wie viele Angriffe es mit dieser Alltagswaffe in den vergangenen zehn Jahren gegeben hat und wie die Täter bestraft wurden. Parallel zur Datenerhebung soll die Kriminologische Zentralstelle der Länder bis zur Herbstkonferenz der Justizminister „Handlungsoptionen“ erarbeiten. Eine Option könnte sein, schwere Körperverletzungen mit einem Messer künftig härter zu bestrafen.

Gemeinsam haben Hamburgs Justizsenatorin Anna Gallina und Ministerin von der Decken ihre Kollegen überzeugt, eine nationale Plattform zu schaffen, in die alle Fälle von Ausländerkriminalität einfließen und automatisch an alle beteiligten Behörden auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene ausgespielt werden. So sollen menschliche Fehler bei der Datenübermittlung wie im Fall Brokstedt minimiert werden. Anna Gallina: „Wir wollen den Informationsaustausch in ausländer- und asylrechtlichen Sachverhalten verbessern und auch sicherstellen, dass die Justizvollzugsanstalten zeitnah alle strafrechtlich relevanten Informationen übermittelt bekommen.“

„Fall Brokstedt“: Was die Justizministerin sagt

Welche Länder sich wie zu den insgesamt drei Anträgen positioniert haben, wollte das Justizministerium nicht sagen. „Alle drei von Schleswig-Holstein (mit-)eingebrachten Anträge haben eine Mehrheit erhalten, zwei davon sind einstimmig beschlossen worden“, hieß es nur zum Abstimmungsverhalten. Im nächsten Schritt sollen die Innenministerkonferenz und mehrere Bundesministerien die Anträge weiter vorantreiben.

„Ich freue mich sehr darüber, dass unsere Initiativen mit großer Mehrheit beschlossen wurden. Damit sind notwendige Weichenstellungen auf den Weg gebracht, um bei den Themen Sicherheit, Informationsaustausch sowie möglicher Strafverschärfungen bestehende Defizite zu identifizieren und zügig zu beseitigen. Alle angesprochenen Akteure in Bund und Ländern sind jetzt gefragt, diese Initiativen schnell umzusetzen“, sagte Kerstin von der Decken.