Hamburg. In manchen Stadtteilen gibt es so gut wie keine Mediziner. CDU fordert nun finanzielle Anreize für Ärzte in benachteiligten Vierteln.

In der Innenstadt und den bezirklichen Zentren ist die Zahl der Arztpraxen hoch, aber es gibt auch Stadtteile mit nur wenigen oder gar keinen niedergelassenen Medizinern. Mit anderen Worten: Die ärztliche Versorgung ist sehr ungleich über die Stadt verteilt.

Die CDU-Opposition schlägt in einem Bürgerschaftsantrag, der in der Sitzung am 7. Juni behandelt werden soll, ein Bündel von Maßnahmen auf Bundes- und Landesebene vor, mit denen die Lage verbessert werden soll.

„Die medizinische Versorgung in unserer Stadt macht mir große Sorgen. Obwohl es in Hamburg eine hohe Anzahl an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten gibt, muss man gegenwärtig teilweise monatelang auf einen Facharzttermin warten. Auch die Ablehnung von Patienten ist leider keine Seltenheit“, sagt CDU-Bürgerschafts-Fraktionschef Dennis Thering.

Die Stadt wachse, aber die Zahl der Ärzte wachse in vielen Stadtteilen nicht mit. „Nicht nur der Unmut unter den Patientinnen und Patienten nimmt zu, sondern auch der der Mediziner.“

Ärztemangel Hamburg: In benachteiligten Stadtteilen Problem besonders groß

„Insbesondere in sozioökonomisch benachteiligten Stadtteilen zeigt sich diese Problematik seit vielen Jahren und besteht trotz bisheriger Bemühungen weiter“, heißt es in dem CDU-Antrag, der dem Abendblatt vorliegt. Da in diesen Quartieren zumeist deutlich weniger Privatversicherte leben, seien die Praxen auf Einnahmen aus der gesetzlichen Krankenversicherung angewiesen.

„Ihre Ertragslage ist deutlich schlechter als die von Praxen, die größere Teile ihrer Einnahmen von Selbstzahlern erzielen“, schreiben die CDU-Abgeordneten. Damit würden die Standorte unattraktiver, Ärzte, die sich zur Ruhe setzten, fänden keine Nachfolger.

Hier setzt die Opposition an: Der Senat wird aufgefordert, „Anreize zu schaffen, Praxen in sozioökonomisch benachteiligten Stadtteilen zu gründen oder zu übernehmen und die Zulassung intern zu steuern“. Ein zentrales Element der Umsteuerung wäre es, Hamburg in kleinere, regionale Planungseinheiten bei der Berechnung der erforderlichen Zahl von Arztpraxen zu unterteilen, wie es in Berlin bereits der Fall ist.

Bislang gilt Hamburg als zusammenhängender Zulassungsbereich. Es wird stadtweit berechnet, ob es genügend Ärzte gemessen an der Bevölkerungszahl gibt oder ob neue Zulassungen vergeben werden müssen.

Finanzielle Anreize für Ärzte, die sich in benachteiligten Stadtteilen niederlassen wollen

Außerdem könnte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) zusätzliche Zulassungen für die Niederlassung von Arztpraxen erhalten, um damit Versorgungslücken zu überbrücken. Allerdings würde die Erhöhung der Zahl der Praxen die Einnahmen aller senken, die insgesamt gedeckelt sind. Immerhin: Diesen Vorschlag hatte die KV bereits gemacht, allerdings wäre dafür eine Gesetzesänderung erforderlich.

Die CDU fordert auch direkte finanzielle Anreize für Nachwuchsmediziner, die bereit sind, eine Praxis in benachteiligten und unterversorgten Gebieten zu übernehmen oder zu gründen. Die Hürden, sich als Kassenarzt selbstständig zu machen, seien sehr hoch. Hinzu kämen die Investitionen in Räume und Ausstattung oder die zu zahlenden Abstände bei der Übernahme von Praxen.

Ein zentraler Hebel zur Verbesserung der Versorgungslage liegt in der Zuständigkeit des Bundes: Die CDU fordert die Entbudgetierung ärztlicher Leistungen, also die Aufhebung der finanziellen Deckelung, für alle niedergelassenen Ärzte. Bislang ist das lediglich für die Kinderärztinnen und -ärzte geschehen, bei denen die Engpässe besonders groß sind.

Für jeden Arzt, der in Pension geht, werden 1,2 Nachwuchsmediziner benötigt

Laut Union müssen für jeden Mediziner, der in Pension geht, unter anderem infolge neuer Tarifmodelle mit geringeren Arbeitszeiten 1,2 Nachwuchsärzte eingestellt werden, um den aktuellen Bedarf zu decken. „An der Universität Hamburg und bundesweit müssen mehr Studienplätze im Fachbereich Humanmedizin eingerichtet werden“, sagt Thering.

„Der Zugang ausländischer Fachkräfte muss durch verkürzte Verfahrenszeiten zur Anerkennung der Abschlüsse und Qualifikationen dringend verkürzt werden“, so der CDU-Fraktionschef. Sonst drohe Hamburg ein Standortnachteil gegenüber anderen Bundesländern.

Nach dem Vorbild Schleswig-Holsteins schlägt die Union für Hamburg die Einrichtung eines Versorgungssicherungsfonds vor, mit dem innovative und wegweisende Konzepte auf den Weg gebracht werden könnten. Die Oppositionsfraktion fordert den Senat auf, den Abbau von Bürokratie für Praxisärzte auf Bundesebene weiter zu unterstützen.

Schließlich soll die zum 1. Januar 2023 vom Bundestag abgeschaffte Neupatientenregelung wieder eingeführt werden. Nach dieser Regelung wurden Leistungen für neue Patienten außerhalb des gedeckelten Budgets vergütet.

Ärztemangel Hamburg: Derzeit sind 20 Arztsitze von Allgemeinmedizinern nicht besetzt

„Die KV Hamburg befürwortet den CDU-Antrag“, sagt John Afful, Vorstandsvorsitzender der KV Hamburg, auf Abendblatt-Anfrage. „Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Herausforderungen, die sich aus der Zunahme des ambulanten Versorgungsbedarfs und der Abnahme ärztlicher Ressourcen ergeben, zu bewältigen.“

Die Forderung nach einer generellen Entbudgetierung aller vertragsärztlichen Leistungen unterstütze die KV „vollumfänglich und mit allem Nachdruck“. Außerdem fordere die Vereinigung, so Afful, eine Aufhebung der aktuellen Bedarfsplanung, um die Niederlassung zusätzlicher Ärzte und Ärztinnen in Hamburg zu ermöglichen.

Wie berichtet, hatte die Senatsantwort auf eine Linken-Anfrage ergeben, dass aktuell allein 20 Arztsitze für Allgemeinmediziner in Hamburg nicht besetzt sind. Und das Problem wird sich infolge des demografischen Wandels verstärken. Bereits jetzt ist jeder dritte niedergelassene Arzt älter als 60 Jahre.

Weil der Nachwuchs fehle, arbeiten viele Ärzte über das Rentenalter hinaus. „Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass lange Wartezeiten, volle Wartezimmer und überfüllte Notaufnahmen in Zukunft der Vergangenheit angehören“, sagte Thering.