Hamburg. Mehr als 10.000 Hamburger Immobilienbesitzer ärgern sich über merkwürdige „Erinnerungen“ des Finanzamts. Wo oft der Fehler liegt.

Viele Hamburger Immobilienbesitzer werden sich in den zurückliegenden Tagen gewundert haben: Da lag eine „Erinnerung“ des Finanzamts im Briefkasten mit der sehr unmissverständlichen Aufforderung, die versäumte Grundsteuererklärung nun doch bitte endlich nachzuholen – andernfalls drohten empfindliche Strafen von bis zu 25.000 Euro. Mehr als 60.000 solcher Briefe sind nach Angaben der Finanzbehörde seit dem 14. März verschickt worden.

Das Problem daran: Etliche Empfänger dieser Schreiben haben ihre Erklärung längst abgegeben und ärgern sich nun über vermeintliches Behörden-Wirrwarr: Weiß da eine Hand nicht, was die andere tut? Sowohl die Steuerverwaltung als auch das Abendblatt erreichten solche Zuschriften.

Grundsteuer Hamburg: Finanzbehörde geht von 10.000 Mahnungen trotz Steuererklärung aus

In wie vielen Fällen es eine zumindest auf den ersten Blick unberechtigte Erinnerung gab, ist nicht exakt bekannt. Aber die Finanzbehörde geht von einer fünfstelligen Zahl aus, also mehr als 10.000 Fälle. Das passt zu den Daten: Am 14. März, als mit dem Versand der Erinnerungsschreiben begonnen wurde, lagen 389.593 Grundsteuererklärungen vor, was 91,91 Prozent entsprach – inzwischen ist der Wert auf 93,29 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass damals gut 34.000 der insgesamt nötigen 423.000 Steuererklärungen noch fehlten.

Da aber 61.000 Erinnerungen verschickt wurden, dürften – selbst wenn man die Fälle herausrechnet, in denen sich die Abgabe der Erklärung und der Versand der Erinnerung überschnitten haben – etliche Tausend Hamburger Immobilienbesitzer eine Mahnung erhalten haben, über die sie sich zumindest sehr wundern.

Software ELSTER unterscheidet nicht zwischen falschen Angaben und gar keinen Angaben

Die Finanzbehörde hat darauf nun reagiert und erklärt, dass es sich in der Regel keineswegs um ein Versehen handelt, sondern diese „Erinnerung“ meistens einen handfesten Grund hat. Der Einfachste und wohl seltenste Fall, der aber durchaus vorkam: Der oder die Steuerpflichtige meint nur, die Erklärung schon abgegeben zu haben, hat es in der Tat aber gar nicht. Das lässt sich einfach aufklären.

Häufiger ist es dagegen so, dass tatsächlich schon eine Erklärung abgegeben wurde, diese aber Fehler enthielt. Wie die Finanzbehörde dem Abendblatt erklärte, stufe die bundesweit eingesetzte ELSTER-Software das dann als nicht abgegebene Erklärung ein und versende automatisch eine standardisierte Erinnerung. Eine Unterscheidung zwischen gar nicht abgegebener und fehlerhaft abgegebener Erklärung sei technisch leider nicht möglich.

Falsche Steuernummer ist einer der Hauptgründe für die „Erinnerung“

Aus Sicht der Steuerpflichtigen gilt es dann herauszufinden, welcher Fehler vorliegt. Als häufigste Fehlerquellen für vermeintlich unberechtigte Erinnerungsschreiben nennt die Finanzbehörde:

1. Die Abgabe unter einer unzutreffenden Steuernummer. Wenn der richtigen Steuernummer keine Erklärung zugeordnet werden kann, erfolgt eine Erinnerung.

2. Die Angabe eines falschen Stichtags in der Erklärung: Dieser muss immer 01.01.2022 lauten.

3. Abgabe von Erklärungen für mehrere Objekte unter Verwendung derselben Steuernummer. Hinweis der Behörde: Welche Steuernummer(n) maßgeblich sind, ist dem Kontoauszug bei der Zahlung der Grundsteuer, die in der Regel quartalsweise fällig wird, zu entnehmen.

4. Abgabe von Erklärungen im Wege der „Nachbarschafts-/Familienhilfe“ unter Verwendung der eigenen Steuernummer. Merke: Wer für fremde Objekte Erklärungen abgibt, muss die Steuernummer der jeweiligen Immobilienbesitzer angeben, nicht die eigene.

5. Abgabe unvollständiger (z.B. fehlende Unterschrift) oder offensichtlich fehlerhafter Steuererklärungen, wenn trotz Aufforderung des Finanzamts nicht rechtzeitig ergänzt/berichtigt wurde.

6. Überschneidungen von Erklärungsabgabe und Erinnerungsschreiben: Wer nach dem 22. Februar Unterlagen eingereicht hat, wird schon schon aus technischen Gründen dennoch eine Erinnerung bekommen haben, so die Behörde. Schließlich war die Frist – zunächst galt der 31. Oktober , danach der 31. Januar – da schon zweimal abgelaufen.

Finanzsenator zeigt „großes Verständnis für Steuerpflichtige, die sich zu Unrecht erinnert fühlen“

„Selbstverständlich habe ich großes Verständnis für Steuerpflichtige, die sich zu Unrecht an die Abgabe ihrer Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts erinnert fühlen, weil sie der Auffassung sind, ihrer gesetzlichen Verpflichtung bereits nachgekommen zu sein“, sagte Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). „Tatsächlich sind aber in der Regel fehlerhafte Angaben in der Erklärung für ein Erinnerungsschreiben ursächlich.“

Steuerpflichtige, die ein solches Schreiben bekommen und ihre Erklärung bereits abgegeben haben, sollten ihre Angaben, insbesondere die Steuernummer und den Stichtag, daher noch einmal überprüfen, so Dressel. „Wer einen Fehler entdeckt, sollte möglichst umgehend eine korrigierte Erklärung abgeben.“ Dafür stünden im Internet unter www.grundsteuer-hamburg.de weiterhin alle Ausfüllhilfen zur Verfügung.

Bund der Steuerzahler kritisiert Verwirrung um Grundsteuer-Erklärungen

Beim Bund der Steuerzahler in Hamburg sieht man diese Entwicklung kritisch: „Sollte es tatsächlich stimmen, dass Bürger eine Erinnerung erhalten, die die Grundsteuererklärung nur versehentlich falsch ausgefüllt haben, ist das selbstverständlich absolut kontraproduktiv“, sagte die Landesvorsitzende Petra Ackmann dem Abendblatt.

„Wir stellen fest, dass viele Bürger verunsichert sind, wie sie mit dem Grundsteuerwertbescheid umgehen sollen. Wenn das Finanzamt nun auch noch falsche Erinnerungen verschickt, führt das zu noch mehr Verwirrung. Unsere Erwartung ist, dass die Finanzbehörde hier die Bürger unterstützen sollte, statt zu verwirren.“

Auch die bereits verschickten Grundsteuerwertbescheide lösen oft Fragen aus

Für zusätzliche Verwirrung sorgen nach Beobachtung des Steuerzahlerbundes die gut 136.000 Grundsteuerwertbescheide, die bereits verschickt wurden. In den Schreiben steht zwar im Kleingedruckten, dass es sich dabei nur um eine „Bemessungsgrundlage“ für die ab 2025 zu erhebende Grundsteuer handelt, die noch keine Zahlungsverpflichtungen auslöst. Doch das dürften viele Empfänger übersehen oder nicht richtig verstehen.

Dass zunächst die Daten aller Steuerpflichtigen eingesammelt und aufwändig ausgewertet werden, bevor Ende 2024 die letzten Parameter wie der Grundsteuer-Hebesatz festgelegt werden und erst danach die endgültigen Steuerbescheide verschickt werden, wurde zwar oft kommuniziert, ist aber offensichtlich nicht überall angekommen.

Die Bundesländer, die mit der Reform auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts reagieren, gehen alle so vor, um das Versprechen einlösen zu können, dass sie mit der Steuer künftig nicht mehr, aber auch nicht weniger als die insgesamt rund 14 Milliarden Euro jährlich (davon rund 500 Millionen in Hamburg) einnehmen, die sie bislang auch kassierten.

Steuerzahlerbund rät: Alle Wertbescheide nur vorläufig erlassen

Der Bund der Steuerzahler hat für das Problem der Wertbescheide einen Vorschlag an den Finanzsenator: „Herr Dressel sollte die Finanzämter anweisen, die Bescheide nur vorläufig zu erlassen“, sagt Petra Ackmann und verweist auf erste Musterverfahren hinsichtlich möglicher Verfassungswidrigkeit der Bewertungsregeln.

„Im Kern würde eine solche Verfügung bedeuten, dass der einzelne Steuerpflichtige nach Erhalt des Bescheides des Grundsteuerwertes nichts mehr tun oder in ein Klageverfahren einsteigen muss, sondern die Gewissheit hat: Sollten sich Veränderungen bei der Grundsteuer ergeben, weil das Gesetz gekippt wird, ist er auf jeden Fall mit dabei.“

Zugleich wäre dies auch eine enorme Erleichterung im Sinne der Finanzämter, so die Landesvorsitzende des Steuerzahlerbundes: „Ihnen droht mit der Grundsteuer eine riesige Einspruchswelle. Wenn die Bescheide vorläufig sind, würden sie wenigstens an dieser Stelle entlastet.“