Hamburg. Auf die 200 Euro mussten die Studierenden in Hamburg sehr lange warten. Das Verfahren ist komplex. Und sogar rechtswidrig?
Es gibt Vorgänge, die sind kompliziert. Zum Beispiel Steuererklärungen ausfüllen. Oder den Termin finden, an dem alle Freunde Zeit haben (trotz Doodle eine schwierige Aufgabe). In der jüngsten Vergangenheit kam nun ein neuer, komplexer Vorgang hinzu – zumindest für Studierende in Hamburg: Das Beantragen der Energiepreispauschale.
Seit dem 15. März können Studierende, Fachschüler und Fachschülerinnen die Einmalzahlung von 200 Euro beantragen. Insgesamt betrifft das drei Millionen Studenten und 450.000 Schülerinnen in Fach- und Berufsschulklassen. Berechtigt ist, wer am 1. Dezember 2022 in einer deutschen Hochschule immatrikuliert beziehungsweise Schulkraft in einer Fachschulklasse war und einen Wohnsitz in Deutschland hat. Das dritte Entlastungspaket wurde im September 2022 beschlossen: Während Rentnerinnen und Rentner die Einmalzahlung von 300 Euro bereits Mitte Dezember erhalten haben, mussten Studierende hingegen lange auf ihr Geld warten. Und nicht nur das: Es war auch lange unsicher, wie das alles überhaupt funktionieren soll.
Uni Hamburg: Einmalzahlung für Studierende nur per Zugangscode erhältlich
Das über Monate ausgeklügelte Verfahren verläuft wie folgt: Um die Einmalzahlung zu beantragen, wird ein BundID-Konto benötigt. Für die Eröffnung dieses Kontos braucht es einen Identitätsnachweis – der erfolgt entweder über einen Online-Ausweis oder ein persönliches Elster-Zertifikat. Die Funktion des Online-Ausweises muss vorab aktiviert werden. Dazu muss ein PIN beantragt werden, der per Post versandt wird. Zudem benötigen berechtigte Personen einen Zugangscode ihrer Hochschule.
Die Uni Hamburg bestätigt: Alle 42.000 Studierende haben den Zugangscode spätestens bis zum 16. März erhalten. Es habe eine technisch bedingte Verzögerung gegeben, über welche die Studierenden informiert worden seien. Auch die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) in Hamburg erklärt, dass der Zugangscode allen Studierenden zur Verfügung gestellt wurde. Aufgrund des Cyberangriffs im Dezember kam es auch hier zu Verzögerungen.
Asta-Sprecherin findet klare Worte
„Es ist sehr ärgerlich – und auch unverhältnismäßig“, findet Katharina Müller, Sprecherin des Allgemeinen Studierendenausschusses in Hamburg (Asta). Die 26 Jahre alte Studentin kritisiert das Verfahren der Regierung: „Das sind einige Hürden, die uns gestellt werden – nachdem wir so lange auf die Auszahlung warten mussten.“ Direkte Beschwerden der Studierenden über die Hochschule habe es nicht gegeben, lediglich Verwirrung über die benötigten Schritte.
Warum hat das ganze Prozedere so lange gedauert? Auf der Webseite der Bundesregierung wird die Frage wie folgt beantwortet: „Eine Auszahlung an rund 3,5 Millionen Menschen in 16 Bundesländern an mehr als 4000 unterschiedlichsten Ausbildungsstätten hat es so noch nicht gegeben.“ Die benötigten Daten wie Bankverbindungen liegen bei Studierenden nicht automatisch vor. Deswegen müsse die Einmalzahlung extra beantragt werden. Zudem müssten für die Auszahlung „neue Strukturen“ geschaffen werden, außerdem rechtliche Grundlagen in jedem Bundesland.
Hemmschwelle für Studierende in Hamburg sei sehr groß
Asta-Sprecherin Müller ist besorgt, dass die Hemmschwelle für einige Studierende zu groß sein könnte: „Viele Studis sind nicht mit dem Behördenkram vertraut – die beantragen das dann eventuell gar nicht erst.“ Zudem bemängelt sie, dass einige die Online-Funktion des Personalausweises gar nicht aktivieren wollten – dies für die Energiepreispauschale jedoch benötigten.
Das kritisiert auch die Studierendenvertretung der Humboldt Uni in Berlin auf ihrer Webseite: „Die Tatsache, dass es keine analoge Variante für den Antrag gibt, halten wir aus datenschutzrechtlicher Sicht für absolut verwerflich“, heißt es von Franziska Wessel, Referentin für Ökologie und Umweltschutz. Eine Einwilligung zur Datenverarbeitung müsse immer freiwillig sein – damit sei der Zwang zum Online-Verfahren rechtswidrig. Zudem bemängelt der sogenannte RefRat der Berliner Uni, dass von der Regierung der Besitz eines Smartphones vorausgesetzt werde. „In ihrem Versuch, alle Studierenden in die Online-Erfassung zu drängen, hat die Regierung denjenigen, die sich kein Smartphone leisten können – den Studierenden also, die ganz besonders dringend das Geld brauchen –, den Zugang erheblich erschwert“, kritisiert Benjamin Kley, Referent für Lehre und Studium.
Studierende in Hamburg bemängeln unnötige Bürokratie
Der Hamburger Jura-Studentin Kim wurde ihr Personalausweis gestohlen – bisher sei sie mit ihrem Führerschein und Reisepass gut durchgekommen. Für die Energiepreispauschale muss sie nun jedoch einen Ausweis beantragen: „Das kostet mich 37 Euro, die kann ich von der 200-Euro-Einmalzahlung ja direkt abziehen.“ Kim ist BAfög-Empfängerin – der Bund habe ihre Kontodaten dadurch ohnehin bereits vorliegen. Nun schaut sie jeden Tag nach, ob sie kurzfristig einen Termin in einem Kundenzentrum in ihrer Nähe erhält, um möglichst schnell einen „Perso“ beantragen zu können.
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Mika Haberland sieht das Ganze entspannter: „Zuerst hatte ich das Problem, dass ich weder ein Elster-Zertifikat noch einen Online-Ausweis hatte“, erklärt der 25-Jährige. Er hat Maschinenbau an der HAW studiert, seit Ende Februar ist er jedoch exmatrikuliert – sein Uni-Konto ist gesperrt. Aus diesem Grund hat er den Zugangscode der HAW per Post erhalten. So wie den PIN, um seine Online-Ausweis-Funktion zu aktivieren. Das Portal sei bei der Beantragung mehrmals abgestürzt – dann musste Haberland seine ganzen Daten nochmals eingeben. Nach drei Versuchen habe es schließlich geklappt: „Und dann war es eigentlich ganz einfach.“ Die 200 Euro sollen bald da sein. Jedoch: „Mit einer Zeit von sechs Monaten kommt die Zahlung echt spät – krass, dass man so lange warten musste.“