Hamburg. Hamburgs Alt-Bürgermeister erinnert sich an den Besuch der Royals 1987. Warum Charles die Hansestadt Ende März erneut besucht.

Mehr oder weniger hochrangige Persönlichkeiten zu empfangen oder zu besuchen, gehört zu den Pflichten eines Hamburger Bürgermeisters. Beim Blick in den aktuellen Terminkalender von Peter Tschentscher (SPD) könnte man auch sagen: Es ist Tagesgeschäft.

Am Donnerstag empfing er im Rathaus den Premierminister der Republik Usbekistan, der als „Seine Exzellenz“ Abdulla Aripov, angekündigt wurde. Am Freitag leitete er als amtierender Bundesratspräsident in Berlin die Sitzung der Länderkammer und war also Gastgeber für 15 weitere Regierungschefs. Und noch am gleichen Abend stand in Hamburg das traditionelle Matthiae-Mahl an, zu dem Tschentscher als Ehrengäste die OSZE-Chefin Helga Schmid und den Nato-Oberbefehlshaber Christopher Cavoli begrüßte (siehe Seite xx).

Am 31. März kommen Charles und Camilla – für Hamburg eine besondere Ehre

Und doch gibt es Termine im Leben eines Bürgermeisters, die herausragen und etwas länger in Erinnerung bleiben. Der 31. März 2023 wird so ein Tag sein. Dann besuchen der britische König Charles III. und seine Ehefrau Camilla die Hansestadt – was schon deswegen ein Highlight ist, weil Hamburg sich selbst als die „most british city on the continent“, also die britischste Stadt des Kontinents, betrachtet, wie Tschentscher am Randes des Neujahrsempfangs des Abendblatts sagte.

Schon damals, Anfang Januar, wurde über den bevorstehenden Besuch des neuen Monarchen in Hamburg getuschelt. Und natürlich liefen die Vorbereitungen seitdem im Hintergrund mit einer Intensität, wie es bei anderen Besuchen nicht der Fall ist. „Mehr geht nicht“, sagt eine beteiligte Person – voller Vorfreude und Respekt vor der Aufgabe.

Tschentscher und seine Mitarbeiter durften lange nicht über den Besuch sprechen

Doch weder der Bürgermeister noch seine Mitarbeiter durften sich seitdem näher dazu äußern, was die Besonderheit des Termins hervorhebt: Der Buckingham Palast behält es sich vor, seinerseits über die Reisepläne des Königs zu informieren, und diese Adresse ist bekanntermaßen sehr verschlossen und schätzt es gar nicht, wenn jemand plaudert.

Das hängt auch mit Sicherheitsbedenken zusammen: Monarchen wie Charles werden in der Regel auf Schritt und Tritt bewacht. Wann sie wo und wie öffentlich auftreten, wird lange im Voraus abgestimmt und auf Sicherheitsaspekte abgeklopft – dazu glühten seit Wochen die Drähte zwischen Hamburg und Scotland Yard. Ohne grünes Licht aus London durfte in der Hansestadt daher niemand Eingeweihtes über den Besuch sprechen – dieses grüne Licht gab es erst am Freitag.

Warum Charles nach Hamburg kommt? Offiziell weiß nur er das...

Und selbst dann durfte der Senat nur mitteilen, dass der Bürgermeister das Königspaar im Rathaus zu einem Eintrag in das Goldene Buch der Stadt begrüßen wird. Weitere Details des Programms veröffentlichte nur die britische Botschaft in Berlin.

Aber wie kommt Hamburg überhaupt zu der Ehre, dass der britsche König der Stadt noch vor seiner offiziellen Krönung einen Besuch abstattet? Man könnte es sich einfach machen und sagen: Das können nur Charles und der Palast selbst beantworten. Denn sie alleine entscheiden, wann und wohin der König reist – und warum.

Hamburg hat schon lange den Boden für einen Staatsbesuch bereitet

Etwas komplexer ist die Sache aber doch. Offiziell hat Charles eine Einladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier angenommen, der das neue britische Staatsoberhaupt nach Deutschland eingeladen hat. Damit einher ging naturgemäß die Frage, welche Orte der König besuchen könnte und möchte – neben Berlin, das als Hauptstadt gesetzt war. Darum bewerben konnte man sich nicht offiziell, heißt es aus dem Rathaus – diskret den Boden bereiten hingegen schon, und das tue Hamburg seit jeher.

Die Basis bilden dabei die Jahrhunderte alten Handelsbeziehungen zwischen der Hansestadt und den britischen Hafenstädten, über die in diesem Ausmaß keine andere deutsche Stadt verfügt. Hinzu kommen singuläre Ereignisse, die das Bild einer sehr „britischen“ Stadt prägen: Die Beatles haben vor mehr als 60 Jahren ihre Karriere auf der Großen Freiheit gestartet, der Engländer Kevin Keegan hat sich in Hamburg in die Herzen der Fußball-Fans gespielt, die neue „Queen Mary II“ wurde 2004 von 400.000 Menschen am Elbufer begeistert empfangen und hat Hamburg quasi zum zweiten Heimathafen erkoren, und die Anteilnahme am Tod von Charles’ Mutter Elizabeth II. im September war hier ebenfalls enorm.

Die vielen Kondolenzbücher aus Hamburg haben bei den Briten Eindruck hinterlassen

Hamburgs Außen-Staatsrätin Almut Möller hatte der britischen Botschafterin in Deutschland, Jill Gallard, persönlich einen ganzen Stapel eng beschriebener Kondolenzbücher, die im Rathaus ausgelegen hatten, überbracht. Ohnehin pflegt Möller, die mit einem Briten verheiratet ist, seit vielen Jahren enge Kontakte auf die Insel, auch und gerade nach dem Brexit. Das dürfte zumindest nicht geschadet haben, als die Frage anstand, wohin Charles gerne reisen möchte. Nicht umsonst endet sein Deutschland-Besuch an der Elbe mit einem Empfang, zu dem auch die „örtliche britische Community“ eingeladen ist, wie es heißt.

Hinzu kommen thematische Erwägungen: Der 74-Jährige hat sich schon für den Klimawandel interessiert, lange bevor das Thema in aller Munde war. Seine Heimat und Hamburg sind davon ähnlich betroffen – die Frage, wie Deutschlands größte Hafenstadt mit dieser Herausforderung umgeht, dürfte den König schlicht und einfach interessieren. Umgekehrt gilt: Wenn es um Auskünfte zu klimafreundlichen Technologien geht, muss man Bürgermeister Tschentscher und seinen Senat nicht lange bitten.

Dohnanyi über Charles und Diana: Das sind ganz normale Menschen

Hamburg habe trotz seiner republikanischen Tradition „eine gewisse Neigung zu den Royals“, fasst es Klaus von Dohnanyi zusammen. „Wenn sich die Gelegenheit dafür bietet, bemüht sich der Senat daher, etwas royalen Glanz in die Stadt zu holen“, sagte der frühere Bürgermeister (1981 bis 1988) im Gespräch mit dem Abendblatt.

Der Sozialdemokrat hatten den Prinzen Charles und dessen damalige Frau Diana 1987 für einen zweitägigen Besuch empfangen und erinnert sich gern: „Das sind ganz normale Menschen, mit denen man auch ganz normal umgehen sollte. Natürlich respektvoll und die Form wahrend, aber auf Augenhöhe!“, sagte Dohnanyi. Seine Beobachtung damals: „Das ist sogar entscheidend dafür, dass sie sich wohl fühlen. Auch Könige und Königinnen möchten gern normal behandelt werden und mögen es nicht, wenn sie mit Bücklingen empfangen werden. Da darf man auch mal fragen, wie sie geschlafen haben und ob das Frühstück geschmeckt hat.“

Mit dem König über Politik sprechen? Erlaubt, aber heikel...

Einer der Höhepunkte war damals ein Gala-Dinner im Rathaus. „Das war ein sehr schöner, unterhaltsamer Abend“, erinnert sich der 94-Jährige. „Ich saß zwischen Charles und Diana und habe mit beiden sehr ungezwungen über alles Mögliche gesprochen. Mir hat das viel Spaß gemacht und ich hatte den deutlichen Eindruck: den Royals auch!“ Details der Gespräche hat Dohnanyi durchaus noch präsent, behält sie aber für sich. So viel Diskretion muss sein.

Wird denn bei solchen Anlässen überhaupt über Politik gesprochen? „Natürlich ist das erlaubt“, sagte Dohnanyi. „Aber man muss wissen, dass es für den britischen König heikel ist, da er sich nicht öffentlich zur Tagespolitik äußern darf. Zum Ukraine-Konflikt würde er wahrscheinlich nur sagen, wie schrecklich er das findet und sich nicht weiter äußern.“

Irische Flagge an der Hafenstraße – Charles ließ sich nichts anmerken

Dabei gab es damals eine durchaus heikle Begebenheit: Als die hochrangigen Gäste bei einer Barkassenfahrt auf der Elbe an den besetzten Häusern der Hafenstraße vorbeikamen, wurde dort eine irische Flagge gehisst – eine Anspielung auf den Nordirland-Konflikt, in dem die IRA gegen das von Charles vertretene Königreich für ein vereinigtes Irland kämpfte.

Ob der damalige Thronfolger die Provokation überhaupt gesehen hat, weiß Dohnanyi nicht mehr. Aber er ist sich sicher: „Wenn Charles es damals mitbekommen hat, wird er sich das nicht haben anmerken lassen. Das gehört zur Professionalität und zur guten Erziehung.“ Im Übrigen gelte: „So etwas kommt bei Staatsbesuchen vor“, so Dohnanyi. „Frau Merkel wurde in Griechenland von Demonstranten mit Nazi-Flaggen empfangen. Es ist in Deutschland nicht verboten, die irische Flagge aus dem Fenster zu hängen.“

Man darf also gespannt sein, welche Flaggen am 31. März in Hamburg zu sehen sein werden. Klar dürfte sein: Der Union Jack wird allgegenwärtig sein in der britischsten Stadt des Kontinents.