Wedel/Itzehoe. Im Streit um die verschmutzte Toilette hatte der Angeklagte aus Wedel zugestochen. Die Folgen für das Opfer halten bis heute an.

Seine Wut über eine mit Urinflecken gesprenkelte Klobrille – sie hat Bülent O. aus Wedel fünfeinhalb Jahre Gefängnis eingebracht. Am Freitag verurteilte die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe den 43-Jährigen wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung, nachdem er am 22. Mai 2022 seinen Mitbewohner niedergestochen und lebensgefährlich verletzt hatte.

Ausgangspunkt des Streits waren eben jene Flecken auf der Klobrille. „Es ist schon erstaunlich, dass ein Streit über eine Toilettenreinigung ernsthaft zu einer solchen Tat führen musste“, so der Vorsitzende Richter Johann Lohmann. Er bescheinigte dem Angeklagten, aus einem völlig nichtigen Anlass in blinde Wut geraten und den bewaffneten Konflikt gesucht zu haben.

Wedel: Streit um dreckige Klobrille – Lange Haft für Messerstecher

Der 43-jährige habe am Tattag – einem Sonntag – bei seinem Mitbewohner in der Kellerwohnung an der Rudolf-Breitscheid-Straße geklopft und diesen aufgefordert, die Toilette unverzüglich zu reinigen. Dies habe Hüseyin D. (30), der sich illegal in Deutschland aufhielt, mit Verweis auf fehlende Reinigungsmittel abgelehnt.

Das Angebot des Mitbewohners, am nächsten Tag Reinigungsmittel zu kaufen und dann zur Tat zu schreiten, habe Bülent O. noch wütender gemacht. „Sie haben aus dem fehlenden Reinigungsmittel geschlossen, dass das spätere Opfer in der Vergangenheit zu keinem Zeitpunkt das Klo gereinigt hat. Das hat sie noch mehr erzürnt“, hielt Lohmann dem Angeklagten vor.

Beleidigungen des Korans führen in Wedel zu verbalem Streit

Der habe Hüseyin D. erklärt, aufgrund seines illegalen Aufenthalts keine Rechte zu haben, und dazu habe er Beleidigungen über den Koran ausgestoßen, worauf es zu einer verbalen Auseinandersetzung mit dem gläubigen Opfer gekommen sei. Laut Lohmann könne es nicht ausgeschlossen werden, dass zunächst Hüseyin D. dem Angeklagten den Einsatz eines Messers angedroht habe, ohne diesen jedoch umsetzen zu wollen.

Daraufhin hätten sich beide Kontrahenten in ihre Zimmer zurückgezogen. Hüseyin D. habe einen gemeinsamen Bekannten angerufen und gebeten, vorbeizukommen, um schlichtend einzugreifen. Bülent O. habe seinerseits beim Polizeirevier Wedel angerufen und behauptet, mit einem Messer bedroht worden zu sein.

Angeklagter holt Messer mit Klingenlänge von 19,5 Zentimeter

Dann habe der Angeklagte ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 19,5 Zentimeter geholt und an der Zimmertür des Mitbewohners geklopft. Der habe an das Erscheinen des Schlichters geglaubt und arglos die Tür geöffnet. „Der Angeklagte griff ohne Vorwarnung an, stach mit dem Messer mindestens vier Mal in Richtung Hals und Kopf des Opfers“, so Lohmann.

Hüseyin D. habe noch versucht, sich wegzuducken. Das Messer habe ihn am Ohr und am Nacken getroffen, letztere Wunde sei 15 Zentimeter lang sowie vier Zentimeter tief und potenziell lebensgefährlich gewesen. „Die Wunde war sehr tief, ging bis zum Ansatz der Wirbelsäule und hat die großen Arterien nur um zwei bis drei Zentimeter verfehlt.“

Wedel: Angeklagter handelte laut Gericht mit Tötungsvorsatz

Der Angeklagte habe mit Tötungsvorsatz gehandelt. Hätte das Messer in dem dynamischen Geschehen in einem leicht veränderten Winkel den Hals getroffen, wäre der Tod des Opfers mit großer Wahrscheinlichkeit eingetreten. So rettete später eine Notoperation das Leben von Hüseyin D., der den Angeklagten zuvor mit letzter Kraft aus dem Zimmer schieben und die Tür absperren konnte.

Bülent O. hatte in dem Verfahren erstmals eingeräumt, für die Verletzungen seines Kontrahenten verantwortlich zu sein. Er will jedoch in Notwehr gehandelt haben, will selbst der Angegriffene gewesen sein. Im Ermittlungsverfahren hatte er noch angegeben, Hüseyin D. habe das Messer geführt und sich im Kampf selbst verletzt.

Gutachten eines Rechtsmediziners entlarvt Falschaussage des Angeklagten

Auch seine eigenen, erheblichen Verletzungen am Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand hatte der Angeklagte dem Kontrahenten in die Schuhe geschoben. Das Gutachten eines Rechtsmediziners hatte jedoch ergeben, dass Bülent O. das Messer geführt und beim Zustechen an der Klinge abgerutscht sei, dies sei der Grund für seine Verletzungen gewesen.

„Wir sind der festen Überzeugung, dass die Einlassung des Angeklagten unzutreffend ist“, so der Vorsitzende Richter. Die Angaben des Opfers dagegen seien glaubhaft. Hüseyin D. habe direkt nach der Tat gegenüber drei Personen seine Tatversion geschildert, habe diese Schilderung auch im Ermittlungsverfahren wiederholt und sei auch vor Gericht bei dieser Version geblieben. Sie würde sich auch mit den Spuren am Messer und in der Tatwohnung decken.

Wedeler ist wegen gefährlicher Körperverletzung vorbestraft

Strafschärfend wertete die Kammer die Vorstrafe des 43-jährigen Angeklagten, die ebenfalls wegen gefährlicher Körperverletzung bestand. Auch diese Attacke sei „aus nichtigem Anlass erfolgt“, so Lohmann. Strafschärfend seien auch die erheblichen Verletzungsfolgen, unter deren Folgen Hüseyin D. noch heute leide.

Daher sei eine Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren tat- und schuldangemessen. Den Haftbefehl gegen den Angeklagten hält die Kammer aufrecht.

Streit um dreckige Klobrille: Staatsanwalt forderte fünf Jahre und sieben Monate Haft

Staatsanwalt Jan-Hendrik Schwitters hatte für den Wedeler eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sieben Monaten gefordert. Verteidiger Peter Wiebensohn wiederum reklamierte eine Notwehrsituation für seinen Mandanten und hatte somit einen Freispruch beantragt.

Nach Ende der Urteilsverkündung diskutierte der Angeklagte noch längere Zeit mit seinem Verteidiger, ehe der Rückweg in die Haftanstalt anstand. Es ist damit zu rechnen, dass Bülent O. gegen das Urteil Revision einlegen wird.