Hamburg. Der behindertengerechte Umbau ist abgeschlossen. Auch bei Sitzungen gibt es Neuerungen – sie werden in Gebärdensprache übersetzt.

Der Beschluss der Bürgerschaft am 5. Dezember 2014 erfolgte einstimmig, was selten der Fall ist. „Unser Rathaus muss allen Hamburgerinnen und Hamburgern zugänglich sein, daher ist es geboten, dass endlich barrierefreie Zugänge geschaffen werden“, heißt es in dem interfraktionellen Antrag, mit dem der Senat aufgefordert wird, entsprechende Planungen aufzunehmen. Rund acht Jahre später – viele der damaligen Abgeordneten gehören dem Parlament gar nicht mehr an – kann Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD) erleichtert aufatmen.

„Wir präsentieren uns mit dem Rathaus als zentralem Ort der Stadt jetzt weitgehend barrierefrei“, sagt Veit im Gespräch mit dem Abendblatt und betont die Vorbildfunktion, die der Bürgerschaft beim Thema Barrierefreiheit zukommt. Im Vergleich mit den Parlamentssitzen anderer Bundesländer nehme Hamburg in diesem Punkt eine „Spitzenstellung“ ein.

Herzstück des Umbaus ist der gläserne Fahrstuhl an der Rückseite des Rathauses

Herzstück des Umbaus für mobilitätseingeschränkte Menschen und Menschen mit Behinderungen ist der gläserne Fahrstuhl, der an der Rückseite des Rathauses den Keller mit den oberen Stockwerken verbindet. Die Anlage hat rund 3,5 Millionen Euro gekostet, der Bauzeit betrug gut zwei Jahre.

Die Ausgangslage: Allein die Diele, die große Eingangshalle des Parlaments- und Regierungssitzes, war barrierefrei zugänglich. Die Zuschauerräume der Bürgerschaft, die Festsäle, die Sitzungsräume und die Räume der Fraktionen sowie der Bürgerschaftskanzlei waren für Rollstuhlfahrer und Menschen mit Gehbehinderungen aufgrund der vielen Treppenstufen unerreichbar. Zwar gab es bereits einen alten Fahrstuhl, der allerdings nur über mehrere Stufen von der Diele aus zugänglich war und in den darüber hinaus kein Rollstuhl passte.

Jeder Umbau des Rathauses ruft den Denkmalschutz auf den Plan, schließlich ist das Gebäude eines der bedeutendsten Zeugnisse der Architektur des ausgehenden 19. Jahrhunderts in der Stadt. Ursprüngliche Pläne, den Fahrstuhl an der Außenfassade des Rathauses an der Großen Johannisstraße anzubauen, wurden wegen des sichtbaren Eingriffs in die geschützte historische Silhouette schnell fallen gelassen.

Die im Einklang mit dem Denkmalschutz gefundene Lösung führt dazu, dass lediglich der ebenerdige umhüllende Glaskörper des ebenfalls verglasten Fahrstuhls vom Innenhof aus zu sehen ist, während der eigentliche Schacht in das Gebäude integriert und von außen nicht wahrnehmbar ist.

Der Bürgerschaftspräsidentin geht es nicht nur um die physische Barrierefreiheit im Rathaus

Die Kabine ist so ausgestattet, dass Rollstuhlfahrer die Bedientasten, die auch in Blindenschrift ertastbar sind, bequem erreichen können. Wie schonend die Architekten mit der historischen Bausubstanz umgegangen sind, zeigt ein Blick aus dem fahrenden Lift: In zwei Etagen sind holzvertäfelte Abseiten sichtbar, die mit einem kleinen Handwaschbecken, vermutlich im Originalzustand vom Ende des 19. Jahrhunderts, ausgestattet sind. Auch über den Aufzug hinaus war Erfindungsreichtum gefragt, weil nicht alle Zwischenebenen des Rathauses mit dem Fahrstuhl erreichbar waren.

Um im sogenannten Obererdgeschoss den Raum 151, den Ort zahlreicher Ausschuss- und Fraktionssitzungen sowie der Landespressekonferenz, barrierefrei zu erschließen, wurde eine historische Marmortreppe der Breite nach „halbiert“. Die Stufen der einen Seite sind absenkbar und mit einer Hubplattform versehen, die ausreichend Platz für einen Rollstuhl bietet.

Der Bürgerschaftspräsidentin geht es nicht nur um die physische Barrierefreiheit im Rathaus. Alle Plenarsitzungen des Parlaments werden simultan in Gebärdensprache übersetzt und können über den Livestream der Bürgerschaftswebsite verfolgt werden. Praktisch in Eigenregie haben IT-Fachleute eine neue Bildtechnik und -aufteilung für die Übertragung entwickelt. Die Dolmetscherinnen stehen in einem Extraraum vor neutralem Hintergrund und sind, gut sichtbar, in den Vordergrund des Übertragungsbildes gerückt. Für Ausschusssitzungen, die auch per Livestream übertragen werden, wird dieser Service auf Anfrage angeboten.

Bürgerschaftssitzungen nun mit Gebärdensprache und Untertiteln abrufbar

Mit einer Zeitverzögerung von nur 30 Minuten steht auch eine komplett unter­titelte Version der Bürgerschaftssitzung im Netz. In der Mediathek der Bürgerschaft sind die Plenarsitzungen mit den Debatten und Abstimmungen mit Gebärdensprache und Untertiteln abrufbar. Erläuterungen zu Aufgaben und Funktionen der Bürgerschaft stehen auch in leichter Sprache zur Verfügung.

Über einen Vorlese-Button können sich Nutzer und Nutzerinnen den Inhalt der Website laut vorlesen lassen. In der Erprobung sind schließlich Kinderführungen in leichter Sprache im Rathaus. Für Technik und Ausstattung dieser Angebote sind für einen Zeitraum von sechs Jahren 250.000 Euro vorgesehen.

„Eigentlich sollte das alles heute selbstverständlich sein. Tatsächlich ist es das nicht überall, und wir sind im Ländervergleich ziemlich weit vorn“, sagt Veit, die aber auch betont, dass es „Grenzen des Machbaren und Finanzierbaren“ gibt. So wird auch in Zukunft nicht jeder Raum im Rathaus barrierefrei erreichbar sein und deswegen seine Funktion im Laufe der Jahre möglicherweise verlieren.

Einen Wunsch hat Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit dann doch noch: „Was noch schön wäre, sind barrierefreie Plätze für Gruppen im Publikumsbereich.“ Die Umbauten und erweiterten Service-Angebote des Rathauses stehen im Einklang mit UN-Behindertenrechtskonvention, die Hamburg bereits im März 2009 ratifiziert hatte.