Hamburg. Das seit 1979 etablierte Gremium soll auch diverser werden. Warum der Einwohnerverein von einem “dreisten Schritt“ spricht.

Der Stadtteilbeirat St. Georg gilt als der älteste und gut besuchteste Stadtteilbeirat in Hamburg. Dennoch hat die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte das Beteiligungsgremium, dessen Arbeit als Sanierungsbeirat 1979 begann, in seiner jetzigen Form aufgelöst. Bereits die für den 22. Februar anberaumte Sitzung soll nicht mehr stattfinden. „Das ist ein dreister Schritt und einmalig in der Geschichte der hamburgischen Stadtteilbeiräte“, sagt Michael Joho.

Als Vorsitzender des Einwohnervereins St. Georg gehörte er zu den 18 stimmberechtigten Personen im Stadtteilbeirat St. Georg, mit Vertretern von Bürgerverein, sozialen Initiativen, Kirche, Grundeigentümer, Bewohnern, Gewerbetreibenden und den Parteien der Bezirksversammlung. Sie begleiteten für den innenstadtnahen Stadtteil Prozesse wie die Gentrifizierung, die Erweiterung des Lohmühlenparks, die Neugestaltung des Bahnhofsumfeldes, das Fuß- und Radwegenetz oder den Umgang mit Randgruppen.

Stadtteilbeirat St. Georg: Kritik wegen Parteien-Schelte

Doch es gab auch Kritik. So fehlten im Gremium ausreichend viele Menschen mit Migrationshintergrund (die zwischen 25 und 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen), auf den manchen Teilnehmern zu lange dauernden Sitzungen wurden häufig Beiträge wiederholt und Parteien beschimpft und, so Mitglieder der Bezirksversammlung, es wurde „zu viel Zeit und Kraft in zu kleinteilige oder sehr globale Themen“ investiert. So wurde etwa von der Bezirksverwaltung gefordert, das CETA-Freihandelsabkommen zu erläutern. Dafür sei der Beirat aber nicht das richtige Format. „Hier klafft eine Lücke zwischen selbstgewähltem Anspruch und der Flughöhe eine Stadtteilbeirats“, so Oliver Sträter von der SPD-Fraktion.

„Der Stadtteilbeirat hat sich mit seinen Themen immer wieder als unabhängige Interessenvertretung des Stadtteils begriffen und betätigt“, kontert Joho. Er habe regelmäßig Anliegen und Forderungen aus St. Georg in den Mittelpunkt gestellt – und sich nicht auf die Haltung beschränken lassen, es solle die bezirklichen Mehrheitsverhältnisse akzeptieren und nicht immer wieder in Frage stellen. Genau das wirft nämlich Markus Schreiber, Vorsitzender des Bürgervereins und Ex-Bezirksamtsleiter, einer im Beirat vertretenden Gruppe von Linken vor, zu denen auch Joho gehört. Auf den öffentlichen Sitzungen herrsche zudem oft eine Diskussionskultur, die interessierte Teilnehmer verschrecke, sagt Sträter. Drei bezirkliche Vertreter, die eine Schnittstelle zwischen Beirat, Politik und Verwaltung bilden, hätten deshalb bereits aufgegeben.

Hamburg-Mitte: 20.000 Euro für neues Konzept

Um die Beteiligung der Menschen in St. Georg im Stadtteilbeirat wieder „zufriedenstellend zu gewährleisten“, wird dieser jetzt schnell neu aufgestellt. Er soll jünger und diverser werden und mit seinen Teilnehmern möglichst breite Kreise der Stadtbevölkerung abbilden. Das Konzept wird die Lawaetz-Stiftung, die die Sitzungen moderiert, in Gesprächen mit Akteuren und Bewohnern des Stadtteils entwickeln. Dafür gibt der Bezirk 20.000 Euro. Auch wie oft die Sitzungen künftig stattfinden, wird Bestandteil des Konzepts sein. Zuletzt waren es fünf pro Jahr. 2023 soll es auf jeden Fall zwei geben.