Hamburg. Ab sofort werden neue ehrenamtliche Richter für die kommenden fünf Jahre gesucht. Markus Manke wird sich wieder bewerben.
Er wird wieder dabei sein, auf jeden Fall. Nach vier Jahren als Schöffe ist für Markus Manke klar: Er macht gern weiter. Es sind die vielen positive Erfahrungen mit der Justiz, die besonderen Eindrücke, aber vor allem die Überzeugung, etwas für die Gesellschaft tun zu wollen, die dem Hamburger seine Entscheidung leicht gemacht haben, dass er weiter als ehrenamtlicher Richter tätig sein möchte. „Es ist ein sehr wichtiges Amt mit viel Verantwortung“, sagt der 54-Jährige. „Ich halte es für einen notwendigen und wertvollen Dienst an der Demokratie und am Rechtsstaat.“
Schöffen sind Richter ohne Robe — und üblicherweise auch ohne Fachwissen. Und doch sind diese juristischen Laien eine wichtige Stütze unserer Rechtsprechung. Sie vertreten das Volk, in dessen Namen Urteile gefällt werden. Und sie haben in den Prozessen mehrere Befugnisse, wenn sie beispielsweise das Zünglein an der Waage bilden können, ob jemand verurteilt wird oder freigesprochen. Es ist eine in höchstem Maße verantwortungsvolle und zugleich interessante Aufgabe.
In diesen Tagen beginnt für die Amtszeit vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2028 die Suche nach weiteren ehrenamtlichen Richtern. Von den Bezirksämtern werden 23.000 Schreiben verschickt, in denen Bürgerinnen und Bürger gebeten werden, sich auf die Listen setzen zu lassen. „Wir freuen uns über jede Bewerbung“, sagte der Leiter der Wahlgeschäftsstelle im Bezirksamt Wandsbek, Dennis Voß.
Schöffen – das sind Richter ohne Robe
„Durch ihre Persönlichkeit, Lebenserfahrung und ihr Gerechtigkeitsempfinden können Ehrenamtliche Richter und Richterinnen einen wertvollen Beitrag zur gerichtlichen Entscheidung leisten“, betonte Justizsenatorin Anna Gallina (Grüne). „Ihre Sicht ergänzt die juristische Betrachtung durch Berufsrichter/-innen sinnvoll. Sie tragen mit diesem wichtigen Ehrenamt zum Funktionieren des Rechtssystem bei.“ Und Birte Meyerhoff, Vizepräsidentin des Landgerichts, sagte: „Durch Schöffinnen und Schöffen wird die demokratische Legitimation der Justiz sichtbar.“ Sie brächten ihre Erfahrungen und ihre Entscheidungskompetenz in die Urteilsfindung ein. „Sie tragen dazu bei, dass Urteile gut erklärt und verständlich begründet werden müssen, erklärbar bleiben und damit im besten Fall auf Akzeptanz in der Gesellschaft stoßen.“
„Ich fand, dass meine Lebens- und Berufserfahrung mir bei so einem wichtigen Amt zugute kommt“, erklärt Markus Manke seine Motivation, sich zu engagieren. „Ich bin der festen Überzeugung, eine Gesellschaft kann nur dann funktionieren, wenn möglichst viele verstehen, wie sie funktioniert und sich beteiligen.“ Am Anfang war bei dem gelernten Banker und zweifachen Vater, der jetzt Hausmann ist und sich in der Schulpolitik engagiert, die Neugier: Wie funktioniert die Justiz? „Die Rechtsprechung sieht für manche von außen behäbig aus“, sagt Manke. „Aber ich weiß jetzt: Diese Gründlichkeit spricht für die Stärke unseres Rechtsstaates, weil wir eben nicht aus dem Gefühl heraus be- und verurteilen, sondern anhand möglichst objektiver Fakten.“
Schöffen sollen die Verfahren mit gesundem Menschenverstand begleiten
Anders als die Berufsrichter bekommen Schöffen keine Einsicht in die Akten, können sich auch nicht auf den Inhalt eines Verfahrens vorbereiten. Das ist so gewollt, weil die Schöffen als „Volkes Stimme“ nicht mit Fachwissen, sondern mit gesundem Menschenverstand die Verfahren begleiten sollen. „Es ist ein sehr besonderes Gefühl, wenn man auf der Richterbank sitzt“, sagt Manke. „Es geht darum, möglichst Gerechtigkeit zu erzeugen.“ Insofern gelte es, die Macht, die ein Schöffe hat, auch besonders verantwortungsvoll auszuüben. Denn in gewissen Konstellationen können ehrenamtliche Richter sogar die Berufsrichter überstimmen.
Markus Manke ist beim Landgericht eingeteilt, kam bislang in einem Berufungsverfahren und in einem Encro-Chat-Prozess zum Einsatz. Bei der Berufung ging es um einen Einbruch in ein Blumengeschäft, bei dem unter anderem ein Tresor aufgehebelt wurde. „Die DNA des Angeklagten wurde an der Innenseite einer Tür festgestellt, die von außen nicht frei zugänglich war“, erinnert sich der 54-Jährige. „Insofern gab es nach unserer Überzeugung letztlich keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Verdächtige auch wirklich der Täter war. Wir haben die Berufung, mit der der Angeklagte einen Freispruch erreichen wollte, verworfen und die Verurteilung der ersten Instanz bestätigt.“ Man spüre als Schöffe „schon die Last der Verantwortung“, so Manke. Immerhin gehe es häufig darum, ob jemand ins Gefängnis muss oder nicht.
Schöffen in Hamburg: Warum sie für die Justiz so wichtig sind
Um eine mögliche langjährige Haftstrafe ging es in dem Encro-Chat-Verfahren. „Der Prozess dauerte fünf Monate mit 20 Verhandlungstagen.“ Angeklagt war ein Mann wegen Schmuggels von etwa einem Kilogramm Kokain. In diesem Prozess habe er Erschütterndes erlebt, erzählt Manke. Es gab Aufnahmen aus einer Wohnung — nicht der des Angeklagten —, „wo ein Paket mit Kokain auf der Waschmaschine liegt — und das in einem Haushalt, in dem ein kleines Kind auf dem Boden herum- rutscht. Als das Behältnis mit den Drogen zu Testzwecken aufgemacht wurde, ist ein bisschen runtergerieselt. Es bestand durchaus die Gefahr, dass das Kleinkind das hätte aufnehmen können“. Da gehe einem schon durch den Kopf, ob da nicht auch das Jugendamt mit eingreifen müsse? Zu bewerten hatten sie als Gericht allerdings allein eine mögliche strafrechtliche Schuld des Angeklagten. „Und die war letztlich nicht nachzuweisen“, erzählt Manke. Durch die Auswertung der Encro-Chat-Kommunikation, einer Art WhatsApp für Kriminelle, sei zwar eindeutig gewesen, dass der Angeklagte mit einem Hauptverdächtigen aus einem anderen Prozess in Verbindung stand. „Aber die Kommunikation hat kein konkretes Geschäft beweisbar gemacht. Wir haben ihn freigesprochen.“
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Wie man sich als Schöffe bewirbt
Er habe unter anderem in diesem Verfahren gelernt, „dass eine anscheinend gute Ermittlung nicht gleichzusetzen ist mit einem gerichtsfesten Beweis“. Im Übrigen sei „jeder Fall anders und individuell zu betrachten. Um zu einem möglichst gerechten Urteil zu kommen, muss man sich mit allen möglichen Einzelheiten auseinandersetzen. Und das ist nun mal zeitaufwendig.“
Für die Schöffenwahl werden derzeit 9800 Kandidaten gesucht. 4600 von ihnen sollen ab 2024 für fünf Jahre als Schöffen an den Amtsgerichten und am Landgericht eingesetzt werden, weitere rund 320 als ehrenamtliche Richter am Verwaltungsgericht und Oberverwaltungsgericht. Wer sich für das Amt interessiert, kann sich bei den Bezirksämtern bewerben. Die Kandidatenlisten sollen ab April beschlossen werden, die Wahl findet voraussichtlich im Herbst statt. Gewählt werden Personen, die zwischen 25 und 69 Jahre alt sind. Weitere Informationen gibt es beim Schöffentag am 21. Januar im Plenarsaal des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Sievekingpl. 2), Beginn 10 Uhr, und unter schoeffen-nord.de.