Hamburg. Die jungen Männer wurden durch den Angriff von zehn Rockern vor vier Jahren schwer verletzt. Angeklagter gesteht Faustschläge.
Es ist ein Aussehen, das man nicht so schnell vergisst. Über und über hat Tim B. sich den Kopf tätowieren lassen, den Hals, das Gesicht. Wollte der 33-Jährige so sein Image als „beinharter Rocker“ unterstreichen? Dem Hamburger, der zum Umfeld der in der Hansestadt verbotenen Hells Angels gehören soll, dürfte es schwer fallen, mit diesem einprägsamen Äußeren in der Menge unterzutauchen. Und das wiederum wären keine gute Voraussetzungen, wenn jemand eine Straftat möglichst unerkannt begehen will.
„Dieser Herr da“, sagt denn auch Nedil H. und zeigt auf Tim B., sei derjenige, der ihn vor mehr als vier Jahren auf dem Kiez schwer verletzt habe. Er erinnere sich gut an das Aussehen des Angreifers. Er habe einen „Boxer“ abbekommen und sei zu Boden gegangen, erzählt der 26-Jährige. Er ist Zeuge und mutmaßliches Opfer im Prozess vor dem Landgericht gegen Tim B., dem die Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung vorwirft.
Faustschläge ins Gesicht: Junge Männer auf St. Pauli verletzt
Laut Anklage schlug der Rocker in den frühen Morgenstunden des 7. Oktober 2018 an der Silbersackstraße wiederholt dem Nedil H. mit der Faust ins Gesicht. Mit dabei sollen neun weitere, dem Rockermilieu zuzuordnende Personen gewesen sein. Drei von den Begleitern hätten die in Abwehrhaltung erhobenen Arme des Geschädigten festgehalten und so dem Angeklagten „zielgenaue Schläge ermöglicht“, so die Ermittlungen.
Die übrigen sechs Personen aus der Gruppe hätten das Geschehen abgeschirmt. H. erlitt eine Orbitalbodenfraktur, einen Bruch des Nasenbeins und eine Gehirnerschütterung. Im Anschluss an diese Körperverletzung sollen sich der Angeklagte B. und drei seiner Begleiter einem Bekannten des H. zugewandt und ihm jedenfalls dreimal massiv gegen den Kopf geschlagen haben. Auch dieser Mann habe Frakturen im Gesicht erlitten, darunter einen Bruch des Jochbeins.
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Rocker schlagen auf Männer ein: Verteidiger regt Deal an
Tim B. sitzt aktuell eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren wegen Drogenhandels ab. Es war eines von diversen Verfahren, in denen Ermittlungen aus der sogenannten Encro-Chat-Kommunikation, einer Art WhatsApp für Kriminelle, eine entscheidende Rolle spielten.
Schon mehrfach hat der Verteidiger des 33-Jährigen vorgeschlagen, man solle den Vorwurf der Körperverletzung im Hinblick auf die Haftstrafe einstellen. Und jetzt, zum Prozessbeginn vor dem Landgericht, regt der Anwalt eine Verständigung, landläufig Deal genannt, an. Seine Vorstellung: Insgesamt solle sich die Gesamtstrafe von Tim B. lediglich um drei Monate auf dann fünf Jahre und drei Monate erhöhen.
Doch die Vorsitzende Richterin wendet ein, dass die Tat vom Oktober 2018 „Aspekte von Selbstjustiz“ trage. Zudem sei eine nur um drei Monate erhöhte Gesamtstrafe „bei der Schwere der Verletzungen schwer vorstellbar“. Am Ende wird eine Verständigung der Verfahrensbeteiligten erzielt, nach der Tim B. eine Gesamtstrafe zwischen höchstens sechs Jahren und zwei Monaten und mindestens fünf Jahren und zehn Monaten in Aussicht gestellt wird – vorausgesetzt, er lege ein umfassendes Geständnis ab.
Rocker schlagen auf junge Männer ein – Angeklagter gesteht
Und so räumt der Angeklagte über seinen Verteidiger ein, an jenem Tag auf dem Kiez gewesen und dort eine körperliche Auseinandersetzung miterlebt zu haben. Er sei „eingeschritten und dazwischen gegangen“ und habe mindestens zweimal zugeschlagen. „Es war ein Hin und Her unter Beteiligung mehrerer Personen.“
Laut der Darstellung des Opfers ist die Aggression indes eher einseitig gewesen. Er habe an jenem Abend mehrere Männer in einem Auto ankommen sehen, schildert der Zeuge Nedil H. im Prozess. Den Mann, der ihm einen Boxhieb verpasst habe, also den Angeklagten, habe er zuvor nicht gekannt. „Ich ging zu Boden.“ Dort habe er weitere Schläge abbekommen. Auch sein Bekannter sei verletzt worden. Doch wer diesen angriff, könne er nicht sagen. Dann sei die Polizei gekommen. Der Prozess wird fortgesetzt.