Nach dem Mord fährt Andreas B. mit den Kindern Auto – die Leiche im Kofferraum. Wie es zu der Familientragödie kam.

Von Weitem sah es aus wie ein Familienausflug: der Vater im Auto am Steuer, die beiden kleinen Kinder auf dem Rücksitz. Aber die Mutter befand sich nicht etwa auf dem Beifahrersitz, wie man es wohl vermuten würde. Nein. Die Mutter lag im Kofferraum, eingewickelt in einen blauen Müllsack. Sie war tot. „Die Mutter tot im Kofferraum: Das klingt ja richtig gruselig“, sagt Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher.

„Vor allem, wenn man weiß, dass der Vater dafür verantwortlich war, dass seine Frau tot war. Er hatte sie erschlagen.“ Es ist Ostermontag, der 6. April 2015. Einen Tag vorher hat Andreas B. noch für seine beiden kleinen Kinder im Garten Ostereier versteckt. Und nun fährt der 35-Jährige ziellos durch die Gegend. Dann hält er irgendwo in einer einsamen Region an, öffnet den Kofferraum und wuchtet den leblosen Körper seiner Frau an der Elbe in ein Gebüsch. Anschließend meldet er die 36-Jährige als vermisst und deutet bei der Polizei an, sie könnte mit einem Liebhaber durchgebrannt sein.

True Crime: „Widerliches Geräusch“ – Mann erschlägt Ehefrau mit Hammer

Doch einen Monat später wird die Leiche von einem Spaziergänger gefunden. Und nun gesteht Andreas B., seine Ehefrau umgebracht zu haben. Er hatte sie mit einem Hammer erschlagen. „Im Prozess, wo Andreas B. schließlich Totschlag vorgeworfen wurde, hat der 35-Jährige über mehrere Tage ausgesagt“, erinnert sich Mittelacher. „Es ist einer jener Fälle, in denen man nicht kommen sieht, dass sich das Verhältnis zwischen zwei Menschen so sehr zuspitzt, dass am Ende einer den anderen tötet. Es handelt sich schlicht um einen Mann, der in einem unerwarteten Moment die Kon­trolle verliert.“

Andreas B. schildert, wie er immer wieder versucht hat, es seiner Frau in allem recht zu machen. Und wie sie nie, wirklich niemals, zufrieden war. „Hier war es so, dass Menschen aus dem Umfeld des späteren Opfers ebenfalls geschildert haben, dass Anja B. alles andere als ein netter, umgänglicher Mensch war“, erzählt Mittelacher. „Einer aus dem Freundeskreis hat es sogar so formuliert: Die 36-Jährige habe ihren Mann als eine Art Fußabtreter benutzt.“ Der Angeklagte ist Industriebuchbinder und arbeitet im Schichtdienst, manchmal bis zu 240 Stunden im Monat.

Als er und Anja B. im Mai 2010 Eltern einer Tochter werden, kommt die Frau mit ihrer Mutterrolle offenbar nicht gut zurecht. Sie ist gereizt, nörgelnd. Sie beginnt, ihren Mann herumzukommandieren. Und sie missgönnt ihm sein Hobby. Nach dem Motto: „Du hast nie Zeit für die Familie, willst nur an deinen Autos rumschrauben.“ Schließlich sucht sie sich einen Teilzeitjob in einem Supermarkt. Doch das Geld reicht nie: Denn Anja B. ist marihuanasüchtig und wendet viel Geld dafür auf, möglichst immer einen Vorrat an Gras im Haus zu haben. „Wenn sie nichts dahatte“, sagt Andreas B. im Prozess, „dann hatte ich die Hölle zu Hause.“

Familientragödie: Bei einem Streit eskalierte der Konflikt

Als ein zweites Kind geboren wird, ein Sohn, verschlechtert sich die Situation in der Familie weiter. „Die Frau widmete sich ihren Drogen, trug ansonsten nichts mehr dazu bei, um Haushalt und Familie zu managen. Und Andreas B. versuchte, irgendwie alles allein hinzukriegen“, erzählt Mittelacher. Und wieder haben sich die Erzählungen des Angeklagten im Prozess durch Zeugenaussagen bestätigt. „Das ist ja das Erstaunliche an diesem Fall“, überlegt Püschel: „Vor allem das nahe Umfeld der Verstorbenen ergreift nicht etwa Partei für Anja B., sondern unterstützt in den Aussagen eben jenen Mann, der ihre Freundin im Streit umgebracht hat.“

Schließlich nahm sich Anja B. einen Liebhaber, was ihr Mann bemerkte. Als er seine Frau damit konfrontierte, kam es zum Streit. „Sie rastet aus, schnappt sich einen Koffer und fängt an zu packen“, schildert Mittelacher. „Und in ihrer Wut, so sagt es der Angeklagte vor Gericht, habe sie ihm zwei Ohrfeigen verpasst. Offenbar hat sie mit diesen Ohrfeigen etwas in ihm ausgelöst. Andreas B., der sonst immer einer Konfrontation eher aus dem Weg ging – dieser Mann rastet nun seinerseits aus. Er sagte, dass er seine Frau auf den Boden drückte und sie würgte.

True Crime: Der Mann schlug mit einem Hammer zu

Sie habe sich mit Schlägen und Tritten gewehrt, ihn irgendwie im Unterleib getroffen. Im Schlafzimmer habe zufällig Werkzeug herumgelegen. Er tastete herum, griff einen Hammer und schlug zu.“ „Es war ein widerliches Geräusch“, formulierte der Angeklagte. Er habe versucht, seine Frau wieder aufzurichten. „Ich merkte, dass da nichts mehr war.“

Der psychiatrische Sachverständige im Prozess gegen Andreas B. hat die Tat als „Affekttat“ eingestuft und eine verminderte Steuerungsfähigkeit des 35-Jährigen festgestellt. Die Staatsanwältin hat in ihrem Plädoyer die Wandlung von An­dreas B. als „das Ergebnis einer Entwicklung“ bezeichnet, „in der sich vieles aufgestaut hat“. Der Verteidiger sprach von einer „andauernden seelischen Misshandlung“. Andreas B. habe „Angst vor dem Alleinsein“ gehabt und davor, bei einer Trennung die Kinder zu verlieren. „Und schließlich war das Fass voll.“ Das Gericht hat am Ende vier Jahre Freiheitsstrafe verhängt.