Hamburg. Das Pilotprojekt zur Zugauslastung startet am Berliner Tor und soll auch Verspätungen vorbeugen. So funktioniert es.
Regelmäßige S-Bahn-Nutzer in Hamburg kennen das Phänomen: Mitunter ist in einigen Waggons nicht mal mehr ein Stehplatz frei, während man in anderen sogar noch einen Sitzplatz findet. Die Kunst besteht dann darin, das zu antizipieren und an der richtigen Stelle zu warten – oder wahlweise neben der einfahrenden Bahn über den vollen Bahnsteig zu hetzen.
Um diese Hektik unter den Reisenden zu reduzieren, startet die S-Bahn Hamburg nun ein Pilotprojekt: Eine Live-Anzeige der Zugauslastung gibt den Fahrgästen einen Hinweis, wo sie am Bahnsteig stehen sollten, um möglichst noch einen Platz in der nächsten S-Bahn zu bekommen: An den digitalen Zuganzeigern am Bahnsteig werden S-Bahn-Wagen mit vielen freien Plätzen grün gekennzeichnet, gelb bedeutet mittlere Auslastung und rot signalisiert wenig Platz.
HVV: S-Bahn – neue Technik zeigt, wie voll die Waggons sind
Die neue Technik wird zuerst am Bahnhof Berliner Tor eingesetzt. Bis Ende März will die S-Bahn dann auf der Strecke der S21 ab Aumühle alle Stationen in Richtung Innenstadt sowie die Bahnhöfe Hammerbrook, Jungfernstieg und die auf der Verbindungsbahn über Dammtor mit der neuen Technik ausstatten. Die Deutsche Bahn investiert dafür eine Million Euro.
„Die Auslastungsanzeige bietet gleich drei Vorteile“, sagte Kay Arnecke, Chef der S-Bahn Hamburg: „Unsere Fahrgäste finden viel einfacher einen freien Platz in der S-Bahn. Gleichzeitig beschleunigen wir den Ein- und Ausstieg und vermeiden so Verspätungen. Außerdem kann unsere Leitzentrale mit Hilfe der Live-Daten den Verkehr noch effektiver im Sinne der Fahrgäste steuern.“ Nach der Pilotphase mit 16 Stationen wolle man den gesamten Citybereich mit der Technik ausrüsten.
HVV: S-Bahn – neue Anzeige soll Verspätungen vorbeugen
Auch Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) zeigte sich begeistert von der neuen Technik: „Hamburg ist Vorreiter bei der Digitalisierung des öffentlichen Nahverkehrs. Wir wollen sie bedarfsgerecht und sinnvoll genau dort einsetzen, wo sie einen echten Mehrwert für die Fahrgäste und das Fahrpersonal bringt.“
Das sei nicht nur ein attraktives Informationsangebot für alle Fahrgäste, die so bequemer einen freien Platz im Waggon finden: „Wir beschleunigen auch den Ein- und Ausstieg an den Haltestellen, wirken so Verspätungen entgegen und machen das S-Bahn-Fahren insgesamt noch komfortabler.“
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S-Bahn: Auslastungsmessung mit einer Art Lichtschranke
Die Technik zur Auslastungsmessung hat die S-Bahn Hamburg selbst entwickelt. Gemessen werde mit der „Lightgate-Sensorik“, einer Art Lichtschranke, die den vorbeifahrenden Zug bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof mit unsichtbarem Licht scannt. Abhängig von der Anzahl der Personen in der S-Bahn werde der Lichtstrahl häufiger oder seltener unterbrochen, erklärte Projektleiterin Julia Kuhfuß. Daraus ergebe sich ein Messwert mit mehr als 90 Prozent Genauigkeit, was sogar viel präziser sei als für die Ampelskala benötigt.
Die Technik verbirgt sich in zwei schlichten Pfosten beiderseits der Gleise, die zumindest in den oberirdischen Stationen mit Solarstrom versorgt werden. Es sei ein „Herzensprojekt“ gewesen, so eine fahrzeugunabhängige Technik zu entwickeln, die im Prinzip an allen Stationen zum Einsatz kommen könne, so Kuhfuß.
HVV. S-Bahn – neue Technik offenbart das Auslastungsproblem
Den Pilotversuch starte man auf Bahnhöfen rund um den Hauptbahnhof, da dieser der Flaschenhals im Hamburger Nahverkehr sei, der als erstes entlastet werden müsse, so S-Bahn-Chef Arnecke. Erfülle die neue Technik die Erwartungen, werde man sie auch auf weiteren Strecken einsetzen. Verkehrssenator Tjarks dachte dabei zuerst an die Stecke nach Harburg – Hamburgs meistbefahrener S-Bahn-Abschnitt.
Am Dienstag funktionierte das neue Angebot bereits – und offenbarte umgehend, wo oft das Problem liegt: Bei fast jedem einfahrenden Zug waren der erste und der letzte Waggon voller – auf der Anzeige rot oder gelb dargestellt – als die mittleren, für die die Anzeige fast immer grün meldete. Auf einigen Bahnhöfen wie etwa in Wilhelmsburg sei es noch extremer, weil die Menschen dort fast nur an einem Ende einstiegen, so Arnecke – der nun hofft, dass die neue Technik hilft, die Passagiere bessere zu verteilen.
Das Projekt ist eingebettet in diverse weitere zur Digitalisierung der S-Bahn. So wird auf der Linie S2 seit September eine komplett digital gesteuerte Bahn getestet, die für mehr Kapazität durch kürzere Takte, Zuverlässigkeit und Energieeffizienz sorgen soll.