Hamburg. Altonas Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg ist für konsequentere Tests zur Fahrtauglichkeit. Auch aus privaten Gründen.

Altonas Bezirksamtsleiterin Stefanie von Berg (Grüne) setzt sich dafür ein, die Fahrtüchtigkeit von betagten Autofahrerinnen und -fahrern zu überprüfen. Im Anschluss an einen erneuten Autounfall an der Waitzstraße in Groß Flottbek twitterte von Berg: „Wann kommt endlich die Fahrtüchtigkeitsprüfung für Senior:innen? Schon wieder ein tonnenschweres, hochmotorisiertes Auto, schon wieder offensichtliche Überforderung im Autoalltag, schon wieder Gas und Bremse verwechselt.“

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Wie berichtet, hatte am 20. Dezember ein 77-Jähriger beim Anfahren auf der beliebten Einkaufsstraße die Kontrolle über seinen BMW SUV verloren. Das Auto war nach rechts ausgeschert, hatte einen Poller umgerissen und war gegen Tische und Stühle einer Außengastronomie gerollt. Menschen waren dabei nicht zu Schaden gekommen.

Häufung von Unfällen älterer Autofahrer auf der Waitzstraße

Die Waitzstraße macht, wie ausführlich berichtet, schon lange durch die Häufung sogenannter Schaufensterunfälle Schlagzeilen. Am 20. Dezember ereignete sich der Unfall allerdings nicht beim Ein- beziehungsweise Ausparken auf der vor den Geschäften angelegten Schräg-Parkfläche.

Im Gespräch mit dem Abendblatt macht von Berg jetzt deutlich, dass sie ihren Vorstoß (noch) nicht als eine politische Initiative verstehe, sondern als eine private Äußerung. Gleichwohl macht sie eindringlich deutlich, dass das Thema aus ihrer Sicht entschlossener angegangen werde müsse als bisher.

Angehörige sorgen sich um die betagten Fahrer

Um ihrem Vorschlag mehr Nachdruck zu verleihen, benennt von Berg deutliche Beispiele aus ihrem privaten Umfeld. „Mein betagter Vater hat drei Autounfälle verursacht, bevor wir Kinder ihm die Autoschlüssel wegnahmen“, so von Berg. Bis zuletzt sei der Senior dabei „halsstarrig und völlig uneinsichtig“ geblieben.

Ihre Schwiegermutter dagegen habe den Schlüssel freiwillig abgegeben und das Auto verkauft, weil sie sich nicht mehr fahrtüchtig fühlte. Das sei aber ein eher seltener Fall. „Ich bin Ende 50 und erlebe das in meinem Freundes- und Bekanntenkreis überall“, so die Grünen-Politikerin. „Die Eltern verursachen Unfälle, verfahren sich, finden nicht zurück nach Hause.“ Das sei für die Angehörigen „ungeheuer belastend“. Von Berg wörtlich: „Da rollt im wahrsten Sinne des Wortes ein riesiges Problem auf unsere alternde Gesellschaft zu, es besteht Handlungsbedarf.“

Tests zur Fahrtüchtigkeit auf freiwilliger Basis

Zwar setze auch sie bei den Tests auf Freiwilligkeit, allerdings müsse die Frage gestellt werden, ob das auf Dauer ausreiche. „In den USA gibt es solche verbindlichen Tauglichkeitstest schon lange“, so die Politikerin, „und das ist ja nun auch ein Land mit großem Freiheitsbewusstsein.“ Laut von Berg reiche es im Übrigen nicht, an die Vernunft der Seniorinnen und Senioren zu appellieren. Es müssten gleichzeitig auch Alternativen wie zum Beispiel ein Shuttle-Service angeboten werden.

Die seniorenpolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion der Grünen, Christa Müller-Metzger, sagt, dass auch sie das Problem durchaus sehe. Allerdings müsse weiterhin auf Freiwilligkeit gesetzt werden. Laut Möller-Metzger müsse aber geprüft werden, inwieweit das bestehende Angebot zur Fahrtauglichkeitsprüfung von Seniorinnen und Senioren ausgebaut werden könne und welche Möglichkeiten es geben könnte, stärker als bisher auf dieses Angebot aufmerksam zu machen.

ADAC ist gegen eine Testpflicht für Senioren am Steuer

Der ADAC Hansa sieht eine Testpflicht kritisch. „In vielen Fällen handelt es sich um ein Augenblicksversagen“, sagt Sprecher Christian Hieff. „Das wissen wir, weil nach Unfällen mit Senioren die Polizei in der Regel einen Fahrtüchtigkeitstest durchführt, der meistens bestanden wird.“

Zudem hätten Unfallstatistiken aus Ländern, in denen es solche Tests für Senioren gibt, gezeigt, dass sie keinen Einfluss auf das Unfallgeschehen haben. Hieff: „Selbst bei einer engmaschigen Kontrolle spielen die Tests mit Blick auf die Statistik keine Rolle.

Das Auto ist für viele wichtig für die Mobilität

Es bleibe aber ein schwieriges Thema, so Hieff mit Blick auf das Unfallgeschehen. Zwar seien die über 65-Jährigen in der Statistik eher unterrepräsentiert. Bei den über 75-Jährigen gebe es aber „einen alarmierenden Faktor“. Bei drei Viertel der Verkehrsunfälle, an denen ein über 75-Jähriger beteiligt ist, gelte er auch als Verursacher. Eine „gute Lösung“ sieht der ADAC-Mann nicht. Den richtigen Zeitpunkt zu finden, um den Führerschein freiwillig abzugeben, sei für die Betroffenen schwierig.

„Oft hat das Auto und die Fahrtüchtigkeit für ältere Menschen eine besondere Bedeutung. Wer auf dem Land lebt, verliere dann schnell an Mobilität. Auch gebe es immer wieder Gründe, die davon abhalten, auf das Fahrzeug zu verzichten – beispielsweise das Fahren des Partners zu Arztterminen. Wer unsicher ist, ob er noch fahrtüchtig ist, kann sich freiwillig testen lassen. Der ADAC-Hansa hat Fahrlehrer genau zu diesem Thema ausgebildet. Sie fahren dann als Beifahrer bei einer Seniorin oder einem Senior mit und beurteilen dessen Fahrverhalten.

Über 75-Jährige haben in Hamburg 656 Unfälle verursacht

Ein Blick in die aktuelle Verkehrsunfallstatistik zeigt, wie die Situation in Hamburg bei den über 75 Jahre alten Verkehrsteilnehmern genau ist. Über 75-Jährige waren im vergangenen Jahr bei 656 Verkehrsunfällen beteiligt, bei denen jemand verletzt oder getötet wurde. In 406 Fällen galten sie als Verursacher. Als Autofahrer verunglückten 400 über 75-Jährige. In 297 Fällen waren sie an dem Unfall schuld. Als Fahrradfahrer waren 149 Senioren dieser Altersgruppe an Verkehrsunfällen beteiligt, wobei sie in 81 Fällen als Verursacher gesehen wurden.