Hamburg. Über Jahre nervt ein 66-Jähriger seine Nachbarn mit Lärm. Ein Anwohner greift zum Messer – und muss nun für lange Zeit ins Gefängnis.
Nach jahrelanger Lärmbelästigung ersticht ein Hamburger seinen Nachbarn in einer Wohnanlage. Das Landgericht bewertete die Tat als Totschlag und verurteilte den 61-jährigen Deutschen am Montag zu acht Jahren und zehn Monaten Haft. Der Angeklagte habe den in einem Wohnstift für ältere Menschen wohnenden Mann vorsätzlich mit zwölf Messerstichen getötet, weil dieser seinen Fernseher zu laut gestellt hatte, erklärte die Vorsitzende der Strafkammer, Nora Karstens.
Der Tat vom 2. Mai dieses Jahres sei eine jahrelange Auseinandersetzung um Lärm vorausgegangen. Der 66 Jahre alte Nachbar sei nach Angaben von Zeugen Alkoholiker gewesen und habe oft Besuch mit lauten Streitgesprächen gehabt. Nach Beschwerden auch von anderen Bewohnern des hellhörigen Gebäudes im Stadtteil Fuhlsbüttel sei er mehrfach abgemahnt worden, es habe sogar ein Räumungsverfahren gegeben. Der Angeklagte habe dabei 2020 als Zeuge vor dem Amtsgericht ausgesagt. Die Klage sei aber erfolglos geblieben.
Prozess Hamburg: Angeklagter griff mit Küchenmesser an
Eine besonders genervte Nachbarin sei Anfang des Jahres ausgezogen. Zuvor hatte sie nochmal die Polizei wegen des Lärms gerufen. Die Richterin betonte jedoch: „Der konkrete Tatanlass, der laute Fernseher, bleibt krass und erschreckend.“ Mordmerkmale wie Heimtücke oder niedrige Beweggründe sah die Kammer nicht.
Am Tattag habe sich der allein lebende Angeklagte nach einem Spaziergang Pizza und Wein gekauft, wovon er fast einen Liter getrunken habe, sagte Karstens. Weil der Nachbar den Fernseher am frühen Abend laut laufen ließ, sei er in Wut geraten. Er habe sich ein Küchenmesser mit einer 16 Zentimeter langen Klinge gegriffen und sei zu der eine Etage höher liegenden Wohnung des 66-Jährigen gegangen. Auf sein Klingeln habe der Nachbar geöffnet und der Angeklagte habe ihn gefragt: „Warum bist du so laut?“
Zwölf Stiche in den Oberkörper
Als keine Reaktion kam, habe er ihm mindestens zwölf Stiche in den Oberkörper versetzt. Der 66-Jährige, der außerhalb der Wohnung einen Rollator nutzte, habe keine nennenswerte Gegenwehr leisten können. Er sei auf dem Boden seiner Wohnung verblutet und erstickt.
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Nach der Tat habe der Angeklagte Selbstmordgedanken gehabt, sich auch eine oberflächliche Verletzung zugefügt. Wenige Stunden später stellte er sich in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel. Dort und auch vor Gericht habe er die Tat gestanden. Dabei habe er gesagt, er habe den Nachbarn zur Rede stellen wollen.
Prozess Hamburg: Urteil noch nicht rechtskräftig
Die Staatsanwaltschaft hatte den 61-Jährigen ursprünglich wegen Mordes aus niedrigen Beweggründen angeklagt. Nach Abschluss der Beweisaufnahme hatte die Behörde jedoch auf Totschlag plädiert und zwölf Jahre Haft gefordert.
Der Verteidiger hatte beantragt, seinen Mandanten wegen eines minderschweren Falls des Totschlags zu fünf Jahren Haft zu verurteilen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.