Hamburg. Viele Mitarbeiter, die wegen der Pandemie eingestellt worden waren, verlieren ihre Jobs. Das sorgt bei einigen für Entsetzen.
„Corona hat seinen Schrecken verloren“, hat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) schon im vergangenen Sommer festgestellt. Diese Aussage hat im Prinzip noch Bestand. Obwohl der Senat noch an einigen letzten Vorsichtsmaßnahmen wie der Maskenpflicht im ÖPNV und in medizinischen Einrichtungen festhält, sind auch in Hamburg fast alle anderen Regeln und Beschränkungen in Zusammenhang mit der Pandemie gefallen.
Das schlägt sich nun auch in der Personalpolitik nieder: Mehr als 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die die Stadt in den vergangenen zweieinhalb Jahren hektisch eingestellt hatte, um sie in der Kontaktnachverfolgung und anderen Aufgaben der Corona-Bekämpfung einzusetzen, wurde dieser Tage mitgeteilt, dass ihre Dienste nicht weiter benötigt würden. Ende Dezember ist für sie Schluss.
Corona Hamburg: Viele neue Mitarbeiter eingestellt
Dabei handelt es sich vor allem um Menschen, die befristet in den bezirklichen Gesundheitsämtern beschäftigt sind. Nach Auskunft der für Bezirke zuständigen Wissenschaftsbehörde waren in den Gesundheitsämtern Mitte 2021 auf dem Höhepunkt der Pandemie sogar 490 zusätzliche Vollzeitstellen geschaffen worden, die mit bis zu 640 befristet beschäftigten Unterstützungskräften zur Corona-Bekämpfung besetzt waren (da einige von ihnen in Teilzeit arbeiten).
Ende dieses Jahres seien davon noch 291 Vollzeitstellen übrig, die sich 380 befristet beschäftigte Unterstützungskräfte teilen. 241 dieser Stellen würden zum Jahresende wegfallen, für 50 sei eine Verlängerung bis Ende März beschlossen worden.
Nachricht löst Unverständnis und Entsetzen aus
Die Verlängerung eines befristeten Vertrags müsse durch einen anhaltenden temporären Mehraufwand begründet sein, so die Behörde. „Mit dem deutlichen Rückgang des Mehraufwands in der Corona-Pandemiebekämpfung wäre eine Verlängerung der meisten Verträge unbegründet gewesen.“ Immerhin: Inoffiziell heißt es, dass man vielen der bislang befristet Beschäftigten eine Perspektive auf eine Festanstellung geben wolle – wie das möglich sei unter den Einstellungsbedingungen für den öffentlichen Dienst, werde geprüft.
Bei den Betroffenen löste die Nachricht zum Teil Unverständnis und Entsetzen aus. Zwar dürfte den allermeisten klar gewesen sein, dass aufgrund des Verlaufs der Pandemie und der politischen Großwetterlage die Corona-Bekämpfung weiter heruntergefahren werden würde. Die anfangs emsig betriebene Kontaktnachverfolgung und der persönliche Anruf bei Infizierten wurden schließlich schon vor Monaten eingestellt.
Viele Mitarbeiter von Kündigung überrascht
Auch war wohl allen Beschäftigten bewusst, dass sie nur befristete Verträge erhalten hatten, damit die Stadt diese Arbeitsverhältnisse beenden kann, wenn der Bedarf wegfällt. Das sei ja sogar im Sinne der Steuerzahler, räumt ein Mitarbeiter aus diesem Bereich ein. Dennoch, so schildert er es gegenüber dem Abendblatt, habe die Kurzfristigkeit der „Kündigung“ viele Kollegen überrascht. Seit Wochen habe sein Gesundheitsamt versucht, die Frage der zum Teil mehrfach verlängerten befristeten Verträge auf Senatsebene zu klären.
Es habe auch den Vorstoß gegeben, alle Verträge erneut bis Ende März zu verlängern, damit etwaige Betroffene sich auf ein Ende ihrer Beschäftigung einstellen können. Doch das sei alles abgelehnt worden. „Dass nun die Stadt Hamburg erst kurz vor Ablauf der Befristung den Kolleginnen und Kollegen die Tür vor der Nase zuschlägt, ist für einen öffentlichen Arbeitgeber meines Erachtens eine bemerkenswerte Leistung“, so der Mitarbeiter.
Corona-Sondermittel nur bis Jahresende verfügbar
Die Wissenschaftsbehörde entgegnete auf diese Kritik: „Die Entscheidung, ob, wie viele und für wie lange Mitarbeitende eine weitere Verlängerung bekommen müssen, sollte sich aus der möglichst aktuellen Bewertung zur Corona-Lage und den sich daraus ergebenden Aufgaben und Standards ergeben.“
Diese Entscheidung sei hamburgweit am 1. Dezember für alle Bezirksämter getroffen und „schnellstmöglich an alle Mitarbeitenden“ übermittelt worden. Viele Beschäftigte hätten das antizipiert und sich in Anbetracht der auslaufenden Verträge bereits vorher umorientiert. Aus Senatskreisen heißt es ferner, dass diese Verträge auch zum Jahresende auslaufen, weil die Corona-Sondermittel nur noch für 2022 zur Verfügung stünden.
Kontaktnachverfolgung schon weggefallen
„Wir sind am Übergang zwischen den pandemiebedingten Sonderaufgaben und einer organisatorischen Aufstellung für die Nach-Pandemie-Zeit“, sagte Martin Helfrich, Sprecher der bei dem Thema federführenden Sozialbehörde. Viele der früheren Aufgaben wie die Kontaktnachverfolgung und die Pflege der Daten von Infizierten seien schon weggefallen oder fielen nun weg. Stattdessen gehe es zunehmend darum, den öffentlichen Gesundheitsdienst als Lehre aus der Krise „zukunftsfähig und besser als bisher aufzustellen“, so Helfrich.
Aus dem „Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst“, mit dem der Bund die Länder und Kommunen unterstützt, würden in Hamburg derzeit insgesamt 110 unbefristete Stellen geschaffen, davon allein 92 in bezirklichen Gesundheitsämtern. Schwerpunkte würden in den Bereichen Kinder- und Jugendgesundheit, Infektionsschutz sowie Steuerung und Qualitätsmanagement gelegt, so die Sozialbehörde.
Corona Hamburg: Stadt bereitet sich auf nächste Pandemie vor
Gut zwei Drittel dieser Stellen seien Fachpersonal wie Ärztinnen und Ärzte, hinzu komme Verwaltungspersonal, um das medizinische Personal von Verwaltungsaufgaben zu entlasten. Weitere zehn Stellen schaffe man in der für Gesundheit zuständigen Sozialbehörde und acht beim Hafenärztlichen Dienst – denn bei Pandemien spielten Flug- und Seehäfen als mögliche Übertragungswege eine große Rolle.
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Mit anderen Worten: Corona hat für Hamburg vielleicht seinen Schrecken verloren – aber die Stadt bereitet sich schon auf die nächste Pandemie vor.