Hamburg. Sein Markenzeichen sind lichtdurchflutete Räume aus Glas und Stahl. Nun starb der Hamburger Stararchitekt im Alter von 87 Jahren.
Einer der bekanntesten Architekten des Landes ist tot: Am Mittwoch verstarb Meinhard von Gerkan im Alter von 87 Jahren in Hamburg im Kreise seiner Familie. Der in Riga geborene von Gerkan prägte als Architekt nicht nur Stadt und Land, sondern bildete als engagierter Hochschullehrer über Jahrzehnte Nachwuchs aus und mischte sich als scharfsinniger Kritiker immer wieder in öffentliche Debatten ein.
1965 hatte von Gerkan mit seinem Studienfreund Volkwin Marg die Bürogemeinschaft Architekten von Gerkan, Marg und Partner (gmp) gegründet, die heute als eines der größten deutschen Architekturbüros mit rund 600 Mitarbeitern an sieben Standorten tätig ist. Das Büro gmp hat mehr als 500 Projekte weltweit realisiert, dazu zählen der Helmut-Schmidt-Flughafen in Fuhlsbüttel, der Flughafen Tegel, der Berliner Hauptbahnhof sowie der Christus-Pavillon für die Expo 2000, der heute im Kloster Volkenroda steht.
Hamburger Architekt Meinhard von Gerkan ist tot
Viele Jahre wirkte von Gerkan in China, wo gmp mehr als 170 Projekte realisiert hat, darunter der Neu- und Umbau des Chinesischen Nationalmuseums in Peking und die Planung der Stadt Nanhui New City bei Shanghai. „Ich bin stolz darauf, was Meinhard und ich gemeinsam mit unseren Partnern und Mitarbeitern in mehr als einem halben Jahrhundert geschaffen haben. Auf unsere Bauten, die in Deutschland und weltweit anerkannt und gewürdigt werden“, sagte sein Büropartner Volkwin Marg. „Wir haben zusammen stets für gute Architektur gekämpft, sehr oft gewonnen und manchmal auch verloren. Meinhards unternehmerischer Mut und weitsichtiger Blick nach vorn stellten die Weichen für die Zukunft unseres Büros.“
Meinhard von Gerkan wurde 1935 als Kind einer deutsch-baltischen Familie im lettischen Riga geboren. Er verlor seinen Vater im Krieg, seine Mutter starb auf der Flucht nach Westen. Nach dem Krieg wuchs der Junge in der Hansestadt in einer Pflegefamilie auf. Nach seinem Abitur studierte von Gerkan Architektur in Berlin und lernte dort Volkwin Marg kennen.
Es begann mit einem Zweimannbüro
Die beiden begannen 1965 mit einer Anzeige im Hamburger Abendblatt „Architektenzeichnungen fertigen billigst, Tel.: 451026“ als Zweimannbüro und zogen rasch einen großen Auftrag an Land – den Neubau des Flughafens in Tegel. „Wenn ich einen Meilenstein in meiner Karriere nennen müsste, wäre es schon Tegel“, sagte von Gerkan später. „Überall ist er gelobt und geliebt worden.“
- Volkwin Marg: Vom Kriegskind zum Stadtplaner Hamburgs
- Warum die HHLA die Speicherstadt-Fleete zuschütten wollte
- Hamburger Hanseviertel – das sind die Pläne für den Neustart
Termingerecht und fünf Prozent günstiger als geplant ist der Flughafen 1974 eröffnet worden. Der Nachfolgebau, der Internationale Flughafen Berlin-Brandenburg in Schönefeld, hingegen entwickelte sich Jahrzehnte später zum Albtraum – nach der geplatzten Eröffnung 2012 dauerte es acht weitere Jahre, bis der Großflughafen endlich in Betrieb gehen konnte.
Marg verabschiedet sich mit persönlichen Worten
Mit sehr persönlichen Worten verabschiedete sich Volkwin Marg von seinem langjährigen Freund und Weggefährten. „Hinter uns liegen sechs schöpferische Jahrzehnte gemeinsamen Entwerfens und Planens – anfangs in der geteilten Studentenbude, seit 1965 im gemeinsamen Büro in unserer Architektenpartnerschaft“, schreibt er. „Dabei hatte sich unsere Arbeitsweise im Laufe unserer mehr als fünfzigjährigen ‚Berufsehe‘ nur unwesentlich geändert. Frei nach General Moltkes Devise ‚Getrennt marschieren, vereint schlagen‘ haben wir unsere Entwürfe getrennt bearbeitet, in allen grundlegenden Belangen einander aber stets konsultiert.“
Meinhard von Gerkan lehrte jahrelang an der TU Braunschweig
Er werde diesen Austausch mit Meinhard von Gerkan vermissen. „Uns verbanden die Erfahrungen unserer Generation: die Schrecken des Zweiten Weltkrieges, die Folgen des Kalten Krieges, die deutsche Teilung, der Fall der Mauer, der Gewinn der Einheit und der Europäischen Union. Wir hatten das Glück, in Friedenszeiten zu starten, in einer Demokratie zu leben. Städtebaulich wie architektonisch hatten wir die Freiheit, auf unterschiedlichsten Ebenen Antworten auf die Fragen der Umweltgestaltung zu finden.“
Dies empfanden beide als Verpflichtung, ihre Erfahrungen an die junge Generation weiterzugeben. Jahrelang lehrte von Gerkan an der TU Braunschweig, später in der aac Academy for Architectural Culture. „Meinhards schöpferisches Denken hat Fortbestand und wird uns gegenwärtig bleiben.“ Der Vater von sechs Kindern starb am Mittwoch im Kreise seiner Familie. „Als ihn zuletzt die Kraft verließ, wurde sein Abschied für ihn zur Erlösung“, sagt Marg. „Er hat ein wahrhaft erfülltes Leben beschlossen.“