Hamburg. Kurz vor seinem 85. Geburtstag wurde ein Buch über den renommierten Architekten vorgestellt – und über sein Schaffen gesprochen.
Es ging um das Antlitz der Hansestadt, um Vergangenheit, Projekte der Gegenwart, um städtebauliche Ausblicke: Wie wird sich Hamburg nachfolgenden Generationen präsentieren? Die Expertenrunde am Dienstagabend im Bucerius Kunst Forum am Alten Wall brachte konzentrierte Erfahrung ins Podiumsgespräch. Anlass war der 85. Geburtstag des Architekten Volkwin Marg am kommenden Freitag – und ein just erschienenes Buch über sein Lebenswerk. Der gebürtige Königsberger machte sich weit über seine Wahlheimat Hamburg hinaus einen Namen und gilt als einer der einflussreichsten Stadtplaner hierzulande. Sein Lebenswerk kann sich sehen lassen.
Das Buch aus dem Verlag Dölling und Galitz diente als roter Faden für eine facettenreiche Unterhaltung. Der ungewöhnliche Titel „Grauganseffekte. Hamburg und der Architekt Volkwin Marg“ ist Programm: So bezeichnete der Verhaltensforscher Konrad Lorenz frühkindliche Prägungen mit lebenslanger Auswirkung. Im Falle des Pfarrerssohns Marg waren es turbulente Jahre der Kindheit und Jugend in Danzig – Backsteingotik, Hafenbetrieb, Fachwerkspeicher, Werften, Schiffe und Fliegeralarm inklusive.
Architektur: Gert Kählers Buch beschreibt Volkwin Margs Schaffen in Hamburg
Nach dem Grußwort des Kunstforum-Geschäftsführers Andreas Hoffmann übernahm Moderatorin Sabine Reinhold (NDR) die Gesprächsführung. „Es ist kein reines Architekturbuch“, hatte Autor Gert Kähler vor Beginn der 2G-Veranstaltung gesagt. „Die Kapitel beschreiben vielmehr einen Mann, der Liebe zu Hamburg empfindet und in bürgerliches Engagement umsetzt.“ Es gehe um aktives Einmischen, um gesellschaftliches Engagement.
Spannende Passagen des 360 Seiten und 210 Farbabbildungen umfassenden Buchs sind die von Volkwin Marg initiierte Gründung des Museumshafens Oevelgönne, der mit Herzblut angepackte Wiederaufbau des Ende der 1970er-Jahre abgebrannten Kulturzentrums „Fabrik“ in Ottensen und der vergebliche Einsatz für den Denkmalschutz des City-Hofs. In einem mehrseitigen Grußwort kommt der Schauspieler und Regisseur Hark Bohm zu dem Schluss: „Ich lese in diesem Buch eine Liebesgeschichte.“
Marg entwarf unter anderem das Hanseviertel und das Zürich-Haus
Autor Kähler, Publizist und Bauhistoriker mit Professorentitel, führte ein Dutzend stundenlanger Gespräche mit seinem Seelenverwandten Volkwin Marg – meist in dessen Haus und Garten im wassernahen Westen Hamburgs. Es entstand ein „Buch unter Freunden“, eine abwechslungsreiche Kombination aus Originaltönen, Hintergrundinformationen, Stadtgeschichte. Die frühe Prägung in der heute polnischen Hafenstadt Danzig, dieser „Grauganseffekt“, war das Fundament für außerordentliche Schaffenskraft. Details schildert Marg auch in Matthias Ikens Abendblatt-Podcast „Was wird aus Hamburg?“
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Gemeinsam mit seinem seit Universitätszeiten befreundeten Kollegen Meinhard von Gerkan setzte Volkwin Marg dauerhaft sichtbare Ausrufezeichen markanter Architektur. 1972 wurde er an die Freie Akademie der Künste in Hamburg berufen. Zu seinen herausragenden Bauten in der ihm seit einem halben Jahrhundert vertrauten, neuen Heimatstadt zählt das Hanse-Viertel, das Zürich-Haus, die Überdachung des Museums für Hamburgische Geschichte sowie das Ensemble am Alten Wall. Sein Credo: „Alte Sachen hat man zu pflegen oder zu reparieren.“
Marg und Meinhard von Gerkan zeichnen bis heute ohne Computer
Dies sei eine Generationsfrage. „Früher trugen Kinder ihre Klamotten auf“, sprach der Architekt ins Mikrofon, „und man brachte Schuhe zum Schuster.“ Es passt ins Bild, dass Volkwin Marg früh die Grundidee der heutigen HafenCity entwickelte.
Der 84-Jährige freute sich im Forum am Alten Wall nicht nur über 120 Gäste, sondern auch über die Anwesenheit seiner Ehefrau und beider Tochter. Einer der entscheidenden Wegbegleiter nahm an der Diskussion teil: Der Stadtplaner Jörn Walter, 1957 in Bremen geboren, war von 1999 bis 2017 Oberbaudirektor von Hamburg. Auch Walter weiß, dass Volkwin Marg und sein Partner Meinhard von Gerkan, die Steuermänner des größten Architekturbüros Deutschlands, ohne Computer zeichnen. Damals wie heute.