Hamburg. Verbandschef Andreas Breitner über die Aufgaben der neuen Stadtentwicklungssenatorin und den „Krampf“ mit dem Erbbaurecht.

Energiekrise, steigende Zinsen, hohe Baukosten – die Liste der Probleme in der Wohnungswirtschaft ist lang. Im Interview mit dem Abendblatt spricht Andreas Breitner, Chef des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen, darüber, wo es in Hamburg derzeit am meisten hakt, den Wechsel an der Spitze der Stadtentwicklungsbehörde und die Zukunft des Bündnisses für das Wohnen.

Hamburger Abendblatt: Herr Breitner, wie bewerten Sie den Rückzug von Frau Stapelfeldt als Stadtentwicklungssenatorin?

Breitner: Ich freue mich darüber, dass Dorothee Stapelfeldt einen selbstbestimmten Abschluss ihrer politischen Laufbahn gefunden hat. Das ist in der Politik nicht immer selbstverständlich, dass man den Zeitpunkt selber bestimmen kann. Sie hat sich große Verdienste um die städtebauliche Entwicklung Hamburgs erworben und sehr eng mit uns zusammengearbeitet. Sie hat das Bündnis für das Wohnen gelebt und mit hohem Engagement und Kompetenz alles getan, uns die Rahmenbedingungen zu bieten, die wir brauchen, um bezahlbares Wohnen zu schaffen. Das ist in einer Stadt wie Hamburg, wo die Grundstücke so umkämpft sind, nicht einfach. Das rechne ich ihr hoch an.

Karen Pein war als IBA-Chefin schon länger eine wichtige Akteurin im Bereich Stadtentwicklung und Wohnen. Wie haben Sie sie bislang wahrgenommen?

Breitner: Mit Karen Pein kommt eine Frau vom Fach. Sie weiß, wovon sie spricht. Ihr muss man Stadtentwicklung nicht erklären, sondern die betreibt sie seit Jahren. Sie war in Stadtentwicklung und Wohnungswirtschaft bereits überaus erfolgreich tätig. Alles, was die IBA in Wilhelmsburg gemacht hat, ist mehr als vorzeigbar und auch ihr Werk. Ich finde, das ist ein guter Schachzug des Bürgermeisters und vielleicht auch der richtige Zeitpunkt, weil sie dem ganzen Thema noch mal neuen Schwung geben wird. Sie guckt aus ihrer Geschäftsführung und ihrer Erfahrung heraus aus einer anderen Perspektive auf das Thema, dadurch öffnet sich wieder eine neue Tür.

Was muss sie als Erstes anpacken?

Breitner: Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll und aufhören kann. Ich frage mich, wo die Grundstücke herkommen sollen, auf denen wir umfangreichen Wohnungsbau schaffen wollen? Sie hat mit Oberbillwerder auch ein richtiges Dickschiff, was sie flottmachen muss, damit das auch in den entsprechenden Zeitabläufen realisiert wird. Sie kommt in einer stürmischen See auf die Brücke der Behörde, weil die ganze Branche unter Druck steht. Fehlende Grundstücke, Energiekrise, steigende Zinsen, Fachkräftemangel – in der Kombi ist das eigentlich eine Mission Impossible für Frau Pein. Aber wir werden ihr dabei helfen.

Stichwort Grundstücke. Sie haben schon früher den Fokus des Senats auf das Erbbaurecht kritisiert. Jetzt darf er fast gar keine Grundstücke mehr verkaufen. Wann sagen Sie: Es reicht uns?!

Breitner: Erbbaurecht zieht schlechtere Finanzierungen nach sich. Und dann haben wir in Hamburg ja auch noch die gestiegenen Bodenrichtwerte. Wir haben mittlerweile 24 Erbbaurechtsfälle, bei denen wir Anwalt unserer Mitgliedsunternehmen sind. Die ringen um eine Verlängerung oder den Wiederkauf eines Grundstücks. Und das ist trotz guten Willens aller Beteiligten ein einziger Krampf. Das Erbbaurecht so zu gestalten, dass am Ende der Vertragslaufzeit nicht exorbitant steigende Mieten dabei rauskommen, das ist die große Herausforderung. Wir ringen da schon seit anderthalb Jahren mit dem Senat und sind dementsprechend nicht besonders erpicht darauf, neue Erbbauverträge abzuschließen. Viel Erbbaurecht bedeutet für uns weniger Neubauprojekte.

Der Senat sagt, in Hamburg seien die Erbbaurecht-Konditionen so attraktiv, dass es kein Problem mit den Banken geben werde.

Breitner: Wir hatten einen Termin mit dem Finanzsenator, bei dem die versammelte Bankenschaft uns erklärt hat, dass die Konditionen schlechter sind. Das ist das Einmaleins in der Finanzwirtschaft, aber die Politik in Hamburg nimmt es eben billigend in Kauf. Deren Begründung ist ja, dass sie angeblich nicht wissen, was die Käufer mit den Grundstücken in 60 oder 70 Jahren machen, deshalb wollen sie nicht verkaufen, sondern verpachten. Damit halten sie die Hand drauf. Wenn man das aber den Genossenschaften sagt, nachdem sie Hamburg 140 Jahre lang aufgebaut und niedrige Mieten garantiert haben, dann drehen die sich um und gehen.

Günstige Mieten sehen Sie durch die Einigung von Rot-Grün mit den Volksinitiativen also eher in Gefahr. Es war aber ja ein Ziel dieser Einigung, dass man günstigen Wohnraum anbieten kann.

Breitner: Das Kritische ist für uns, dass auf einem Drittel der städtischen Flächen zu 100 Prozent gefördert gebaut werden soll, auf den restlichen Flächen weiterhin der Drittelmix angewandt wird. Das führt zu einer Ballung von öffentlich geförderten Wohnungen mit einer Quote von mindestens 56 Prozent. Und das ist viel zu viel. Wenn Sie das in Hamburg zukünftig auf allen städtischen Grundstücken machen, dann haben Sie wieder diese Monostrukturen wie in Steilshoop, Billstedt und Wilhelmsburg. Die Stadt ist sehenden Auges dabei, die Fehler zu wiederholen, die sie in den 60er- und 70er-Jahren schon mal gemacht hat: große Trabantensiedlungen durch einseitig geförderten Wohnungsbau. Mit dem bewährten Drittelmix, der sozialen Durchmischung von Quartieren, hat die Stadt gute Erfahrungen gemacht. Das dürfen wir nicht gefährden. Den sogenannten Kompromiss halten wir schlicht für falsch.

Das Bündnis für das Wohnen lebte vor allem davon, dass Senat, Bezirke und Wohnungswirtschaft an einem Strang zogen. Besteht nach dem Kompromiss mit den Volksinitiativen die Gefahr, dass ein Verband wie der VNW abspringt?

Breitner: Nein, ich sehe nicht die Gefahr, dass wir das Bündnis aufkündigen. Aber ich sehe die Gefahr, dass dem Bündnis die Luft ausgeht, weil viele städtische Grundstücke jetzt für unsere Mitgliedsunternehmen nicht mehr interessant sind.

Das Ziel, dass Hamburg in den nächsten Jahren noch einmal 10.000 Wohnungen im Jahr fertigstellt, haben Sie schon im Frühjahr massiv infrage gestellt. Wie viele sind Ihrer Meinung nach derzeit realistisch?

Breitner: Das ist schwer zu sagen, weil ich die Faktoren so schwer einschätzen kann. Es kommt jetzt ja alles zusammen. Hohe Zinsen, Baukosten, Lieferketten, Tagespreise bei Rohstoffen, wachsender Fachkräftemangel – das ist alles so fragil gerade. Wenn wir 2023 noch 6000 bis 7000 Wohnungen schaffen, ist das, glaube ich, viel.

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  • Nun verzögert sich auch der Start der überarbeiteten Neubauförderung des Bundes und soll frühestens im zweiten Quartal 2023 beginnen. Was bedeutet das für die Wohnungswirtschaft?

    Breitner: Das ist ein Desaster. Ich finde, die Bundesregierung agiert da planlos. In unserem Bereich ist es so, dass die KfW-Förderung sieben Prozent der Baukosten ausgemacht hat. Und wenn das jetzt wegfällt, dann muss das Geld woanders herkommen. Und dann werden Wohnungsbauprojekte nicht realisiert, weil man die Finanzierung nicht hinbekommt. Daher bedauern wir den Wegfall, der so planlos und ohne Nachfolgeregelung erfolgt ist, sehr.

    Sie haben mehrere Probleme angesprochen, die gerade die Wohnungswirtschaft belasten. Sehen Sie die Politik stärker in der Verantwortung?

    Breitner: Die Politik müsste da, wo sie was beeinflussen kann, Verantwortung übernehmen. Wir brauchen ein Baubeschleunigungsgesetz, wie es das in den 90er-Jahren mal gab. Dass wir einfach mehr Tempo machen können, um diesen hohen Wohnraumbedarf zu decken. Ich würde mich freuen, wenn es in Berlin dazu mal Über­legungen gäbe.