Hamburg. Neue Folge des Abendblatt-Podcasts „Dem Tod auf der Spur“: Wie ein Mörder seine Tat verschleiern wollte.
Da lag der Tote verborgen in einem Heizungskeller, mit einer Seilschlinge um den Hals. Bei diesem Fall aus dem November 2010 wäre es dem Mörder wohl am liebsten gewesen, wenn der Leichnam nie gefunden worden wäre. Wenn der Tote dann aber doch entdeckt würde, dann sollte es nach Vorstellung des Täters am besten für einen Suizid durch Erhängen gehalten werden. So wollte der Mörder sein Verbrechen verschleiern. Doch die Rechtsmedizin klärte den Fall auf.
True Crime: "Wir untersuchen den Leichnam sehr genau"
„Wir lassen uns natürlich nicht von einem ersten Anschein zu falschen Schlüssen verleiten“, betont Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Wir untersuchen den Leichnam sehr genau. Und dann wird in der Regel auch schnell herausgefunden, was die wahre Todesursache ist. In diesem Fall waren es heftige Gewalteinwirkungen gegen den Kopf. Also ganz etwas anderes als ein Suizid. Vielmehr eine Tötung!“
Es ist ein rätselhafter Fall, der sich da in Hamburg-Lurup abgespielt hat. „Irgendwann zwischen dem 20. Oktober 2010 und dem Vormittag des nächsten Tages verschwindet der 58 Jahre alte Uwe D. spurlos“, berichtet Mittelacher. „Erst zweieinhalb Wochen später klärt sich auf, was mit ihm geschehen ist: Er ist umgebracht worden. Und der Mörder könnte ausgerechnet jener Mann sein, den Uwe D. für einen guten Freund gehalten hat.“
Täter und Opfer waren Freunde gewesen
„Bei dem Verdächtigen handelt sich um Sönke F., einen damals 49 Jahre alten Mann“, erzählt Jurist Joachim Bülter, lange Jahre Vorsitzender Richter einer Schwurgerichtskammer, vor der der Fall verhandelt wurde – und jetzt zu Gast im Crime-Podcast. „Durch die Vita des Hamburgers, der später wegen Mordes an Uwe D. angeklagt war, zieht sich eine bestimmte Einstellung: nämlich am liebsten auf Kosten anderer zu leben und deren Vertrauen für kriminelle Aktivitäten zu missbrauchen.“
Im Jahr 2000 waren Uwe D. und der spätere Angeklagte Sönke F. bereits seit rund 20 Jahren gut bekannt. Der eine Mann, Uwe D., war finanziell ganz gut gestellt. Und der andere, Sönke F., war wegen seiner Spielleidenschaft immer in Geldnot. Eines Tages schmiedete er einen Plan, wie er zu viel Geld kommen könnte, also mehrere 10.000 Euro. „Bei diesem Plan ging es darum, Uwe D. dazu zu bewegen, dass er dem Verkauf seines Elternhaus in Hamburg-Lurup zustimmt“, berichtet Bülter.
Mörder legte dem Opfer ein Seil um den Hals
„Davon wollte Sönke F. profitieren.“ Doch Uwe D. wollte nicht verkaufen. Und irgendwann war der 58-Jährige dann spurlos verschwunden. „Gefunden wurde die Leiche am 8. November in einem Heizungskeller“, erzählt Mittelacher. „Für den Transport der Leiche hatte der Täter dem Toten einen großen Plastikmüllsack über den Kopf gestülpt — wahrscheinlich, damit er nichts von dem Blut des Opfers an seine Kleidung bekommt.“ Dann entfernte der Täter die Tüte vom Kopf des Opfers. „Und er legte ihm stattdessen das Seil um den Hals“, so Bülter, „um einen Suizid durch Erhängen vorzutäuschen. Die Plastiktüte blieb aber beim Opfer und kam schließlich unter dessen Knien zu liegen.“
Dem Tod des Uwe D. vorausgegangen war, dass sich Sönke F. für den Verkauf des Hauses in Lurup gegenüber dem Kaufinteressenten und auch beim Notartermin als vermeintlicher Eigentümer Uwe D. ausgegeben hat, ohne dass die Täuschung zunächst bemerkt wurde. Schließlich behielt Betrüger Sönke F. beim Verkauf 45.000 Euro in bar für sich. Damit dieser Betrug nicht irgendwann herauskommt, hat der 49-Jährige seinen Freund erschlagen und die Leiche versteckt. „Aber nicht gründlich genug“, berichtet Mittelacher.
True Crime: Der Angeklagte offenbarte im Gericht Täterwissen
Schließlich wurde Sönke F. unter anderem wegen Mordes angeklagt. Die Motive, die er laut Anklage hatte: Er hatte beim Hausverkauf erheblich finanziell profitiert. Außerdem habe er unbedingt verhindern wollen, dass seine Täuschung beim Verkauf sowie beim Notartermin auffliegt. „Zum Prozessauftakt stritt der Angeklagte den Vorwurf jedoch ab“, erinnert sich Mittelacher. „Er sagte, er habe seinem Bekannten, der angeblich unter Depressionen und Alkoholsucht litt, lediglich bei Grundstücksgeschäften geholfen.“
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Mitentscheidend sei letztlich für eine Verurteilung des 49-Jährigen gewesen, erzählt Bülter, dass der Angeklagte bei einer Vernehmung sogenanntes Täterwissen offenbart hat. „Er sagte nämlich, dass er am 8. November, als er im Dunkeln des Kellers nach der Leiche getastet hat, auch an den Kopf des Toten geraten sei. Und dort, also am oder um den Kopf, habe er eine Plastiktüte gefühlt.“
Urteil gegen Sönke F.: Lebenslange Freiheitsstrafe
Täterwissen war es deshalb, weil zu dem Zeitpunkt, als der Leichnam gesichert wurde, die Plastiktüte ja mitnichten um dessen Kopf lag, sondern auf der Höhe der Beine. Aber es konnte nachgewiesen werden, dass die Tüte tatsächlich mal um den Kopf gelegen hat. „Das gelang durch die Spurensicherung zusammen mit der Rechtsmedizin“, erklärt Püschel. „In der Tüte wurden ja unter anderem Haare und andere Partikel festgestellt, die eindeutig vom Opfer stammten. Und das konnte nur so erklärt werden, dass die Tüte mal über den Kopf des Toten gestülpt war.“
„Ganz genau“, ergänzt Bülter. „Und exakt dieses Detail konnte wiederum nur einer wissen, nämlich der Täter selbst.“ Verurteilt wurde Sönke F. schließlich unter anderem wegen Mordes — zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe.