Hamburg. Mathias Müller-Using erfand den Grünen Bunker und holte einen Expo-Pavillon an die Elbe. Nun sucht er Lösungen für leere Kaufhäuser.

Seine Ideen prägen die Stadt: Der Hamburger Kreative Mathias Müller-Using hat nicht nur die Begrünung und Aufstockung des Feldbunkers ersonnen, er hatte auch die Idee, einen früheren Expo-Pavillon aus Mailand an der Elbe wiederaufzubauen – der Grundstein für den Zukunftsort Hammerbrooklyn.

Inzwischen kümmert er sich mit einer gemeinnützigen Stiftung um die Entwicklung seiner Heimatstadt. Die in Gründung befindliche Mut Urban Trust will die Debatte anheizen und neue Wege wagen. In den kommenden Tagen verwandelt sie einen Teil des Erdgeschosses des ehemaligen Karstadt-Sport-Gebäude in einen Ausstellungssaal. „Vor dem Kaufhaus. Nach dem Kaufhaus“, heißt die Schau, die am kommenden Freitag eröffnet wird.

"Erfinder" des Grünen Bunkers: "Habe jeden Tag auf den Bunker geguckt"

Aber wie kommt man auf die Idee, einen Flakbunker aus dem Zweiten Weltkrieg in einen spektakulären Dachgarten zu verwandeln? „Die meisten Einfälle kommen mir beim Draufgucken und der Beschäftigung mit einem Ort. Ich habe in der Thadenstraße gewohnt und jeden Tag von meinem Esstisch auf den Bunker geguckt. Da ist die Idee entstanden, hier auf dem tristen Grau einen grünen Ort für alle zu schaffen.“

Damit die Idee Wirklichkeit werden konnte, hat er zugleich die Umsetzung in den Blick genommen. „Mir war von vornherein klar, dass sich nur ein Investor findet, wenn dort neue Flächen entstehen – eben mittels Aufstockung. Wichtig war mir die öffentliche Nutzung – deshalb schlängelt sich von außen um den Bunker der für alle zugängliche Bergpfad herum – bis zum Park auf dem Dach.“ Sonst wäre der Dachgarten ein exklusiver Ort der Mieter geblieben.

Grüner Bunker: Seit einigen Tagen werden erste Bäume gepflanzt

Gemeinsam mit den Architekten seines Kreativunternehmens Interpol Studios entwarf er das Begrünungskonzept, gestaltete die Architektur und plante das gesamte Projekt, der Pächter des Bunkers, die Matzen Immobilien GmbH, setzt es nun um. Seit einigen Tagen werden die ersten Bäume und Sträucher auf dem Bunker gepflanzt, im ersten Halbjahr 2023 soll das kleine Weltwunder fertig sein.

Allerdings war der Weg dorthin steinig und reich an Streit. „Das Urheberrecht liegt bei uns, der Investor muss es genauso bauen“, sagt Müller-Using. „Ich hoffe sehr, dass er sich an diese Pläne hält.“ Der gebürtige Hamburger ist optimistisch, dass der Bunker wie auf den bunten Bildern verheißen zur grünen Oase wird. „Wir haben zusammen mit den Fachplanern sehr genau überlegt, wohin die 4700 Pflanzen müssen, damit der grüne Bunker am Ende wirklich grün wird und ein bisschen wild und ungezähmt aussieht. Ob das vierstufige terrassierte Pflanzkonzept funktioniert, werden wir abschließend erst in zwei bis drei Jahren sehen. Die Pflanzen müssen erstmal anwachsen und sich am Standort entwickeln.“

Hammerbrooklyn: "Gab den Impuls, einen Ort für Innovation zu schaffen"

Drei Kilometer südöstlich, am Stadtdeich, ist eine weitere Vision Müller-Usings Wirklichkeit geworden. Dort wurde, als Grundstein des digitalen Campus Hammerbrooklyn, der frühere US-Pavillon der Mailänder Expo 2015 in Hamburg wiederverwertet. Der temporäre Bau wurde auf Lkw verladen, nach Hamburg gebracht und hier zum Teil eines dauerhaften Gebäudes.

„Es gab den Impuls einer kleinen Gruppe, in Hamburg einen Ort für Innovation zu schaffen“, erinnert sich Müller-Using. „Damals sind wir über das Großmarktgelände gelaufen und bekamen eine Absage für die anvisierte Industriehalle am Mittelkanal. Da habe ich die Parkplätze am Stadtdeich entdeckt und wir haben schnell eine Zusage der Stadt für das Areal bekommen. Jetzt mussten wir schnell ein geeignetes Gebäude schaffen, am besten eins, das es schon gibt. Da habe ich mich auf die Suche gemacht.“

Müller-Using möchte Hamburg kreativ verändern

Er stieß auf den Mailänder Pavillon, der sehr schmal und lang war und perfekt passte. „Der wäre sonst verschrottet worden. Der Umbau war nicht so einfach, wie es klingt. Aber jetzt steht er da – und ist gelungen.“ Trotzdem seien beide Projekte am Ende nicht genau so geworden, wie es sich der 54-Jährige erhofft hatte. „Das ist auch ein kleines Scheitern.“

Deshalb verfolgt Müller-Using nun eine neue Idee. Mit der Stiftung Mut Urban Trust möchte er Stadtentwicklung gemeinwohlorientiert denken. „Die Gewinnerwartungen von Immobilieninvestoren lassen etwas ökologisch wie städtebaulich Vorbildliches und sozial Gutes nur schwer entstehen“, meint Müller-Using. „Am Anfang sind immer alle begeistert, aber am Ende geht es neben einer ordentlichen Rendite zusätzlich um einen maximalen Projektgewinn. Dann schrumpfen die Ideen, werden immer gewöhnlicher, klimaschädlicher, und weniger gut für die Stadtgesellschaft.“ Mit Gleichgesinnten gründete er die Stiftung MUT Urban Trust, die die Stadt kreativ verändern will. „Unsere Projekte müssen einem Dreiklang entsprechen – radikal ökologisch sein, sozial gerecht und städtebaulich exzellent.“ Kurzum, sie sollen Vorbildcharakter haben und der Allgemeinheit dienen.

Ausstellung im Karstadt-Sport-Kaufhaus eröffnet erste Debatte

Mit der Ausstellung im früheren Karstadt-Sport-Kaufhaus eröffnet der Mut Urban Trust nun eine erste Debatte – darin geht es um die Geschichte der Mönckebergstraße wie um die Typologie des Kaufhauses, um umgestaltete Kaufhäuser im In- und Ausland und Visionen für das Haus und die zentrale Einkaufsstraße. Die Ausstellung wird von Weronika Yuan und Javier Acevedo kuratiert. „Wir versuchen einen weiten Bogen zu schlagen – woher kommt die Idee des Kaufhauses? Und was kann man heute damit machen?“

Umnutzungen seien nicht ganz einfach wegen der großen Monostruktur und des fehlenden Lichtes, sagt der studierte Architekt Acevedo. „Die Kaufhäuser kamen mit der Erfindung der Elektrizität auf, weil man das erste Mal Licht tief in die Gebäude bringen konnte. Damals waren Kaufhäuser ein Ausflugsziel, Entertainment für die ganze Familie.“ Zugleich verwandelten sie die Innenstadt von einem Lebensort zu einem Erlebnisort. Mit der Zeit wurde die Romantik der 20er Jahre wegrationalisiert, es blieben schmucklose Kästen zurück wie Saturn oder Karstadt Sport am Eingang der Mönckebergstraße.

„Abreißen geht nicht. Wir müssen lernen, als Gesellschaft mit diesem Erbe umzugehen“, sagt Acevedo. „Diese Ausstellung ist für uns der Beginn einer wissenschaftlichen, historischen und soziologischen Untersuchung, wie wir Kaufhäuser neu denken können, statt sie wegzuwerfen.“ Es gehe wie 1975 beim Europäischen Denkmalschutzjahr um „eine Zukunft für unsere Vergangenheit“. Gerade Krisen hätten die Stadt in neue Zeiten katapultiert, ob der Große Brand 1842, die Cholera-Epidemie 1892 oder die Zerstörung im Zweiten Weltkrieg. So berge die jetzige Krise auch eine Chance.

"Innenstadt kann auch ohne Kaufhäuser ein lebendiger Ort sein.“

„Kaufhäuser waren und sind Orte für alle und haben über Jahrzehnte gut funktioniert. Es gab aber davor eine lange Zeit ohne Kaufhäuser im Stadtzentrum “, sagt Müller-Using. Früher waren auch in der Mönckebergstraße Museen beheimatet, die Volkslesehalle im Fritz-Schumacher-Pavillon, wissenschaftliche Einrichtungen. „Öffentliche Nutzungen und Wohnen sind die beiden entscheidenden Bausteine zur Belebung. Die Innenstadt kann auch ohne Kaufhäuser ein attraktiver , lebendiger Ort sein.“

Müller-Using verweist dabei nicht nur auf die bereits geschlossenen Häuser von Karstadt Sport (10.000 Quadratmeter) und Kaufhof (37.000 Quadratmeter), sondern auch auf das C&A-Gebäude, das abgerissen wird, wie auf das Thalia-Haus, dessen Teilnutzung Karstadt in Kürze aufgibt.

Saturn-Gebäude kann möglicherwiese Erweiterung zum Campus werden

Was aber kommt, wenn die Einkaufstempel fallen? „Es wird in Hamburg schon lange nach dem Standort für das Haus der digitalen Welt gesucht. Ein Ansatz, den wir zusammen mit den Architekten von EM2N entwickelt haben, wäre zu sagen: Warum nicht jetzt anfangen? Jetzt. Und zwar im Karstadt Sport.“

Müller-Using wünscht sich einen gemeinsamen Prozess, bei dem die Hamburger ihre Ideen für ein Haus der digitalen Welt beitragen und schon mit den Aktivitäten beginnen können. Dann könnte man ergebnisoffen betrachten, ob dieser Ort geeignet sei. Möglicherweise kann das Saturn-Gebäude eines Tages eine Erweiterung zu einem Campus werden. „Dann entstünde ein Stadtraum zwischen diesen Gebäuden, der derzeit ein schwieriger Ort ist.“

Werden Karstadt Sport und Saturn zum Haus der digitalen Welt?

Ein Haus der digitalen Welt benötige ungefähr 30.000 Quadratmeter – also mindestens den Platz der Gebäude von Karstadt Sport plus Saturn. „Diese Idee kann man auch mit Wohnen kombinieren – 200 Wohnungen können dort am Eingang der Mö entstehen“, schätzt Müller-Using. Ihm schweben Aufstockungen oder Umbauten der Parkhäuser vor.

Herausfordernd wird wegen seines tiefen Grundrisses auch die Umnutzung des Klöpperhauses, in dem bis vor kurzem Galeria Kaufhof beheimatet war. „Mit seiner Lochfassade, also vielen Fenstern, fällt aber viel mehr Licht ins Gebäude – das macht es einfacher als bei Karstadt Sport, das nur aus den Ecken natürliches Licht bekommt“, sagt Acevedo. Es müsse nun darum gehen, mit einem Konzept für ein Haus zu beginnen und auszuprobieren, ob es funktioniert. Die Ausstellung soll die Diskussion befördern. „Die Innenstadt muss vielfältiger werden und abbilden, was in der Stadt passiert. Wir müssen wieder mehr mischen. Und da sind Wohnen, kulturelle Einrichtungen, aber auch Shopping wichtig.“

"Erfinder" des Grünen Bunkers: City braucht mehr grüne Oasen

Müller-Using ergänzt, dass die Innenstadt mehr Orte zum Verweilen bieten müsse, mehr Plätze am Wasser, mehr grüne Oasen. „Könnte die Mönckebergstraße nicht so sein wie die Ramblas in Barcelona?“, fragt er und wagt eine Antwort: „Die Straße ist breit genug und hat eine ähnliche Qualität zum Flanieren.“ Vorerst will das Jupiter-Gebäude – wie das alte Karstadt-Sport-Haus nun heißt – ein bereichernder Ort werden. Die Ausstellung widmet sich der Geschichte der Kaufhäuser, dem Hier und Jetzt und sechs Umnutzungen, die anderswo funktioniert haben.

Müller-Using versteht die Ausstellung als Schrittmacher: „Angesichts der Herausforderungen reicht unser Veränderungstempo nicht mehr aus. Uns läuft die Zeit davon.“ Die neue Stiftung MUT Urban Trust will sich nicht auf Seminare, Vorträge und Vorschläge konzentrieren, die irgendwann in 20 Jahren wahr werden, sondern konkrete Projekte umsetzen. „Wir wollen ein Parkhaus unter Erhalt der Bausubstanz zum sozialen Wohnprojekt mit vielen Wohnungen, öffentlichen Nutzungen und Raum für Kultur umwandeln. Das wäre für uns ein wichtiger Beitrag zur Veränderung der Innenstadt. Wo soll denn sonst so schnell Wohnen in der Innenstadt möglich werden?“

Was wird aus Hamburg: Fünf Fragen an Javier Acevedo

Mein Lieblingsstadt ist Hamburg. Ich fahre gerne woanders hin, komme aber immer wieder sehr gerne zurück. Ich wohne seit zehn Jahren hier, Hamburg ist mir Heimat geworden.

Mein Lieblingsstadtteil ist Wilhelmsburg. Ich habe da zwar noch nie gelebt, aber es ist der Stadtteil, der sich für mich am meisten wie Großstadt anfühlt. Ich mag die Vielfalt dort, das Leben auf der Straße, die Atmosphäre, wenn man durch das Viertel läuft.

Mein Lieblingsort ist der Entenwerder Park. Das ist eine versteckte Perle am Rande der Stadt. Dort kann man sehr gut joggen oder im Sommer auf der Wiese liegen.

Mein Lieblingsgebäude ist das Mercedes-Haus am Eingang der Elbbrücken, wo ich mein Studio habe. Das ist ein ziemlich merkwürdiges Gebäude, das am meisten gesehene und am wenigsten beachtete Haus in ganz Hamburg. Dort sind viele Kreative und Kulturschaffende zuhause.

Einmal mit der Abrissbirne würde ich die Elbphilharmonie wegreißen - einfach, weil’s witzig wäre.