Hamburg. Wirrwarr um unterschiedliche Regeln in Hamburg und Schleswig-Holstein: Was das für Zugfahren und für Quarantäne bedeutet.
Im Intercity von Hamburg nach Westerland auf Sylt: Die FFP-2-Maske muss Mund und Nase bedecken, das Abnehmen zum Essen und Trinken ist gestattet. Telefonieren? Nur mit Maske! In der Regionalbahn auf derselben Strecke: Hier „reicht“ eine medizinische Maske.
In Hamburg, wo die Reise beginnt, ist in Bussen, U- und S-Bahnen sowie Nahverkehrszügen die medizinische Maske Vorschrift, in Schleswig-Holstein ebenso. Eine FFP-2-Maske wird zum Beispiel vom HVV empfohlen, Bedingung ist sie nicht.
Corona: Schleswig-Holstein schafft Maskenpflicht ab
Was hier noch die Verkehrsmittel wie ICE oder Bummelbahn unterscheidet, dürfte sich Anfang 2023 zum Grenzfall entwickeln – buchstäblich. Denn Schleswig-Holstein plant, die fünftägige Isolationspflicht bei einer Corona-Infektion abzuschaffen und dann die Maskenpflicht im Nahverkehr aufzuheben.
Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) wagt einen „Schritt in Richtung Normalität“ und sieht dank hoher Impfquoten und „kaum noch schweren Fällen“ die Pandemie auf dem Weg zur Endemie. Das Abendblatt beantwortet Fragen für Pendler zwischen den neuen Corona-Länderwelten.
Muss ich mich mit einem positiven Corona-Test fünf Tage lang isolieren?
In Hamburg ja, in Schleswig-Holstein künftig wohl nicht mehr. Aber die dort Positiven müssen in Innenräumen eine Maske tragen. Sie dürfen medizinische Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen nicht betreten.
Hamburg bleibt nach Auskunft von Sozialbehördensprecher Martin Helfrich bei der Eindämmungsverordnung, die Ende November verlängert werden soll. Es gelten, so Helfrich, die Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts. Komme das RKI zu anderen Empfehlungen, bewerte Hamburg die Lage neu.
Und Infizierte ohne Symptome?
In Schleswig-Holstein können theoretisch sogar Corona-positive Mitarbeiter im Krankenhaus mit FFP-2-Maske arbeiten, wenn sie keine Symptome spüren. Landesvater Günther wie Ärzte sagen: Nach wie vor gelte der Grundsatz, wer krank sei, solle zu Hause bleiben.
UKSH-Chef Prof. Jens Scholz (Bruder von Bundeskanzler Olaf Scholz) sagte im NDR, die Positiven fische man ohnehin über Tests heraus. Corona und Grippe müssten wie andere Atemwegserkrankungen auch behandelt werden. In Hamburg sagte unter anderen der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit, ein Ende der Isolationspflicht sei vertretbar.
Was ist mit Hamburgern, die nördlich der Landesgrenze arbeiten?
Sie müssen sich bei positivem Corona-Test zu Hause (in Hamburg!) für fünf Tage isolieren und dürfen nicht zur Arbeit fahren.
Und Schleswig-Holsteiner, die nach Hamburg pendeln?
Sie dürfen in Hamburg nicht arbeiten, weil hier die Isolationspflicht gilt.
Was ist mit Bahnfahrern zwischen Hamburg und den Küsten?
Hier wird es kompliziert. Bundesweit gilt in Fernzügen der Deutschen Bahn die Pflicht zur FFP-2-Maske. Im Regionalverkehr machen die Länder die Regeln, an den Bahnhöfen auch. Bedeutet: FFP-2-Maske auf im ICE und IC, im Zug von Hamburg nach Kiel kann man die medizinische Maske kurz vor Pinneberg bald absetzen.
Eine Bahnsprecherin erklärte dem Abendblatt, Bahn, Polizei und Ordnungsbehörden arbeiteten „bei der Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben“ nach bewährter Art zusammen. Hochbahn- und HVV-Sprecher sagten, es werde kommunikativ möglich sein, auf unterschiedliche Regeln zu reagieren. Die Ansagen und Angaben wie im Internet und den jeweiligen Apps würden angepasst. Und: „Da muss man mit Augenmaß vorgehen.“
Wie reagiert die Bundesregierung auf die unterschiedlichen Regeln?
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zeigte sich entsetzt aufgrund eines „Flickenteppichs“, der jetzt entstehe. Doch die Länder seien in ihren Entscheidungen frei. Es gebe deutschlandweit 1000 Covid-Todesfälle pro Woche. Allerdings, das verschwieg Lauterbach, weiß man nicht, ob die Menschen wegen oder mit Corona verstorben sind.
Lauterbach warnte: Der Arbeitsplatz müsse sicher bleiben. Wegen der neuen Omikron-Sublinie BQ.1 stünden wir vor einer „schweren Winterwelle, am Vorabend einer noch ansteckenderen Variante“. Lauterbach wies auf sich abzeichnende Folgen der Fußball-WM für das Infektionsgeschehen hin.
Folgt Hamburg Karl Lauterbach?
Der Senat schaut auf das Pandemieradar des RKI, das Infektionen mit Impfquoten, schweren Verläufen und Krankenhausbelastungen abwägt. Im UKE, dessen Ärzte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) beraten, mehren sich die Stimmen der „Entspanner“.
Auch Prof. Hermann Reichenspurner wies darauf hin, dass nicht einmal ein Event wie das Oktoberfest in München zur Überlastung des Gesundheitswesens geführt habe. Vor der Omikron-Spielart BQ.1 hat in Hamburg kaum jemand Furcht, weil führende Ärzte keine Nachweise sehen, dass die Krankheitsverläufe schlimmer sein könnten oder ein größeres Long-Covid-Risiko bestehe.